Sozialhilfe-Chefin verbreitete NPD-Propaganda

Tages-Anzeiger: Eine Chefbeamtin der Stadt Dübendorf hat fremdenfeindliche Inhalte auf Facebook geteilt. Der Stadtrat hat sie deswegen verwarnt. Weitergehende Massnahmen hält er für unnötig. Linke Parlamentsmitglieder kritisieren einen generellen Missstand im Sozialamt.

«Die Lügenpresse verschweigt die wirkliche Fratze der unkontrollierten Einwanderung», «Stoppt den Asylwahnsinn in der Schweiz» oder «Lasst Gutmenschen die ach so armen ‹Flüchtlinge› bei sich aufnehmen, dann gäbe es schlagartig einen Politikwechsel». Das sind Einträge, welche die Dübendorfer Gemeindeangestellte P. B. zwischen September 2015 und August 2016 auf Facebook geteilt hatte. Den letzten Eintrag übernahm sie von der rechtsextremen deutschen Partei NPD.

Die Zeitung «Glattaler» hat am Freitag darüber berichtet. Es sind Äusserungen, wie sie tausendfach in den sozialen Medien kursieren. Fremdenfeindlich, jedoch zu wenig explizit, damit sie unter die Rassismus-Strafnorm fallen. Im Grunde sind die Einträge wenig bemerkenswert – jedoch nicht in diesem Fall.

P. B. ist Leiterin der Sozialhilfe, wie Recherchen des «Tages-Anzeigers» ergaben. In dieser Position kommt sie täglich mit hilfsbedürftigen Menschen in Kontakt. Nicht selten sind es Flüchtlinge oder Ausländer, die auf die Unterstützung der Gemeinde angewiesen sind. Menschen, die gemäss Sozialhilfegesetz persönliche Hilfe benötigen. Sei es aus finanziellen Gründen oder weil sie sich durch eine Trennung oder Arbeitslosigkeit in einer Lebenskrise befinden.

In Dübendorf liegt ihr Schicksal also unter anderem in den Händen einer Frau, die denkt, dass Asylsuchende systematisch abkassieren. Das legt jedenfalls ein Facebook-Eintrag vom 5. Januar 2015 nahe, der dem «Tages-Anzeiger» vorliegt. Damals teilte P. B. einen Leserbrief einer gewissen Elisabeth Kälin. In dem Brief wird vorgerechnet, dass Asylsuchende in der Schweiz wesentlich mehr verdienten als die hiesigen Rentner. Das Rechenbeispiel fand landesweit grosse Beachtung, stellte sich faktisch jedoch als komplett falsch heraus. P. B. hielt es dennoch für angemessen, den Inhalt weiterzuverbreiten.

Ebenso Sätze wie diesen: «Die verantwortlichen Überfremdungspolitiker und ihre besser verdienende links-grüne Stammklientel fluten das Land mit angeblich hilfsbedürftigen ‹Flüchtlingen› und rollen den Muslimen den roten Teppich aus.» Inzwischen ist P. B. die Sache wohl zu heiss geworden. Die Einträge wurden nämlich von ihrem Facebook-Profil gelöscht. Die Anfragen des TA liess sie unbeantwortet.

«Sache erledigt»

Nachdem der Stadtrat Dübendorf von Politikern auf die Einträge aufmerksam gemacht worden war, reagierte er. «Wir führten eine interne Untersuchung gegen P. B. durch», sagt Sozialvorsteher Kurt Spillmann (SVP). Die leitende Angestellte wurde schriftlich verwarnt, darf jedoch ihre Arbeit fortführen. Weitere Massnahmen muss P. B. gemäss Spillmann nicht befürchten. «Für den Stadtrat ist die Sache damit erledigt.» Eine allfällige Befangenheit von P. B. bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingen wird offenbar nicht befürchtet. Eine Verlegung der Leiterin Sozialhilfe in eine andere Abteilung stand nie zur Debatte.

Für Flavia Sutter, Gemeinderätin der Grünen, gehen die Massnahmen zu wenig weit. Sie könne nicht nachvollziehen, weshalb eine Person in leitender Funktion während Monaten solche Einträge auf Facebook öffentlich mache, ohne dass bei der Stadt jemand reagieren würde. Das Problem liege jedoch nicht in erster Linie bei P. B., sondern sei Ausdruck der Missstände, die in der Dübendorfer Abteilung für Soziales schon seit Jahren herrschen würden.

Der Umgang mit Hilfsbedürftigen sei bisweilen problematisch, sagt die Grünen-Politikerin Sutter: «Wer unfreundlich oder abschätzig behandelt wird, kommt noch gut weg.» Immer wieder würden Personen diskriminiert, manchmal werde ihnen aus unverständlichen Gründen die Nothilfe verwehrt. Das laufe schon seit Jahren so. Negativ betroffen seien vor allem Ausländer, aber auch Schweizer. «Dafür schäme ich mich als Dübendorferin», sagt Sutter. Zumindest einen freundlichen Umgangston hätten alle verdient. «Egal, welcher Herkunft oder Hautfarbe sie sind.» Gemäss Sutter bereiten nun mehrere SP- und Grünen-Politiker Vorstösse vor, um gegen die angeblichen Missstände im Sozialamt Dübendorf vorzugehen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Dübendorfer Sozialhilfe in die Negativschlagzeilen gerät. Die NZZ berichtete im August 2014 über prekäre Zustände bei der Unterbringung von Sozialhilfebezügern. Von schimmligen Liegenschaften im Besitz der Agglomerationsgemeinde war die Rede, für die das Sozialamt Dübendorf verhältnismässig hohe Mietkosten im Budget der Sozialhilfebezüger verrechne. Profitnahme mit abbruchreifen Liegenschaften und auf Kosten der Sozialhilfebezüger, lautete der Vorwurf.

Aus Skos ausgetreten

2013 exponierte sich die Stadt Dübendorf landesweit wegen ihres Umgangs mit Sozialhilfeempfängern. Damals verkündete Sozialvorstand Spillmann medienwirksam den Austritt der Stadt aus der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Er befand, dass die Sozialhilfeempfänger durch die Richtlinien der Skos zu sehr verhätschelt würden.

Im Dübendorfer Stadtparlament ist es auch Anfang September zu einer Sozialdebatte gekommen. EVP-Gemeinderätin Tanja Boesch und ihr Ratskollege Hans Baumann (SP) warfen dem Stadtrat vor, er vertreibe gezielt Sozialfälle, weil die Mietvergütungen in Dübendorf so tief seien, dass sich Bedürftige keinen Wohnraum mehr leisten könnten. Sozialvorstand Spillmann dementierte dies laut «Zürcher Oberländer»: Die tiefe Sozialhilfequote sei vielmehr «auf die gute Wiederintegration dieser Personen durch städtische Programme» zurückzuführen, so der SVP-Stadtrat.