SOS Racisme

BernerZeitung

Notrufnummer für Rassismusopfer

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus plant die Einrichtung einer Hotline für Rassismusopfer. Ein ähnliches Projekt arbeitet seit fünf Jahren erfolgreich in der Westschweiz.

* FelixLautenschlager

Dass sich der Rechtsextremismus in der Schweiz im Aufwind befindet, ist aktenkundig: Immer mehr Sympathisanten von Neonazigruppen beteiligen sich an Veranstaltungen mit rechtsextremem Hintergrund. Die Zahl der rechtsradikalen Ü bergriffe habe sich im Vergleich zum Jahr 1999 verdoppelt, besttigt Jürg Bhler, stellvertretender Chef der Bundespolizei.

Nationale Notrufnummer
Jetzt diskutiert die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) die Schaffung einer schweizerischen Hotline für die Opfer von Rassismus. Wenn Gespräche mit Kantonen und interessierten Verbänden positiv verlaufen und Bund sowie Kantone die nötigen Gelder sprechen und geeignete Mitarbeiter finden, kann das Projekt umgesetzt werden.

Vorbild SOS Racisme
Lngst Realität ist die Rassismus-Hotline in Lausanne. Der Lausanner Sozialarbeiter und Sekretär der «Association romande contre le racisme», Karl Grünberg, und ein paar Gleichgesinnte haben das Ja des Souveräns zur Antirassismusstrafnorm zum Anlass genommen, mit SOS Racisme ein Zeichen zu setzen. Grünberg wäre sehr glücklich, wenn eine landesweite Hotline errichtet wrde, an die sich Opfer von rassistisch motivierten Übergriffen wie auch Täter wenden könnten.
Die Lausanner Hotline ´SOS Racisme» ist seit nunmehr fünf Jahren über eine Gratisnummer in Betrieb. Die zwei voll angestellten Mitarbeiter bei SOS Racisme hätten im laufenden Jahr bereits 160 Dossiers bearbeitet und zahlreiche Gespräche mit Opfern, Tätern und Amtspersonen geführt.

Justiz als letztes Mittel
Fr den Sozialarbeiter ist es selbstverstndlich, dass die Drahtzieher und Ideologen dieser Neonazigruppen von Polizei und Justiz verfolgt werden müssen. Doch die Strafverfolgung könne im Kampf gegen Rassismus nur das letzte Mittel einer Reihe von Massnahmen darstellen. Viele, die sich in ihrem Alltag rassistisch gebärdeten, vielleicht auch rassistischen Gruppen beiträten, seien keine eigentlichen Faschisten, meint Grünberg. Um dies zu illustrieren, erzählt er von einem Arbeiter, der seine Stelle verloren hat, weil die Firma einen Ausländer zu tieferem Lohn angestellt hat. Aus Wut habe er auf den Ausländer eingeschlagen. Wieso er denn nicht auf den Patron, den wahren Schuldigen, losgegangen sei, wollte Sozialarbeiter Karl Grünberg vom Angreifer wissen. ´Der ist doch viel zu mchtig», habe der Schläger nachdenklich geantwortet, so Grünberg weiter.
´Solche Leute in die rechtsextreme Ecke zu stellen, bringt nichts. Man muss mit ihnen diskutieren», sagt Grünberg. Er habe bei seiner täglichen Arbeit festgestellt, dass den meisten Opfern nicht an einer Bestrafung der Täter gelegen sei. Sie seien erleichtert, wenn sie im organisierten Gespräch feststellen könnten, dass der Täter Reue zeige und sich zuletzt entschuldige.

Neuenburg: Kein Bedarf
Für Monika Dusong, die Neuenburger Justiz- und Polizeidirektorin, drängt sich eine Hotline für ihren Kanton nicht auf. Und sie hat gut lachen – fast. Sie kann mit Stolz darauf verweisen, dass das Thema Rassismus in Neuenburg etwas Marginales ist. Obwohl es noch keine zwei Jahre her ist, seit in der Kantonshauptstadt ein Skinhead-Versand aufgespürt und grosse Mengen an Propagandamaterial beschlagnahmt wurden. ´Bei uns in der Westschweiz gibt es nicht mehr Engel als in der Deutschschweiz. Rassismus gibt es berall, und er muss konsequent bekmpft werden», sagt die Sozialdemokratin. Die Täter sind gefasst und kommen nächstens vor Gericht. Ü ber die Hotline wisse sie zu wenig, räumt die Neuenburgerin zwar ein. Trotzdem hat sie Zweifel am Nutzen von solchen Einrichtungen.Ihr sei daran gelegen, dass ihre Behörde über rechtsextreme Übergriffe lückenlos informiert werde. Doch Strafverfolgung sei nicht das einzige Mittel, gegen Rassismus vorzugehen, betont auch die Justiz- und Polizeidirektorin. Das A und O sei eine gute Integrationsarbeit. Und hier leistet Neuenburg Pionierarbeit: Auslnder dürfen in Gemeinde- und seit kurzem auch in Kantonsangelegenheiten mitbestimmen. Ausserdem hat der Kanton einen Delegierten für Ausländerfragen. Schon seit sechs Jahren.