Schweizer Skinheads bauen feste Strukturen auf. Und schlagen im Internet aggressive Töne an

Weltwoche

Von Hans Stutz

Gleich zweimal laden Schweizer Naziskins an diesem Wochenende zum Fest. Der Patriotische Ost-Flügel (POF), seit der Gründung im Jahr 1995 ein Teil der Schweizer Hammerskin-Bewegung, kündigt auf einschlägigen deutschen Internet-Seiten ein «Sommerfest» an. Der Ort des rechtsextremistischen Treffens wird zwar nicht öffentlich gemacht, ist aber der «Weltwoche»-Redaktion bekannt. Er liegt nur wenige Kilometer von Müllheim entfernt, wo die Thurgauer Skinheads im vergangenen Jahr auf einem privaten Grundstück feierten. Die Thurgauer Kantonspolizei weiss, wo das diesjährige «Sommerfest» stattfindet. Sie wird nach den Angaben ihres Mediensprechers Rolf Müller «den Anlass observativ begleiten und bei Verstössen gegen das Gesetz intervenieren».

 

Bis anhin unbekannt ist der zweite Veranstalter, die Neue Patriotische Front (N.P.F), die ihre Einladung auch im Gästebuch von Blood and Honour Deutschland unter der Anrede «Heil Kameraden» veröffentlichte. Als Treffpunkt wurde ein Bahnhof im aargauischen Freiamt genannt. Über die Neue Patriotische Front hat die Bundespolizei nur wenige Hinweise, wie von Jürg Siegfried Bühler zu erfahren war.

«Vertretung der weissen Rasse»

Seit kurzem bauen die Schweizer Skinheads mit eigenen «Klubräumen» feste Strukturen auf. Sie wollen nicht mehr darauf angewiesen sein, dass ihnen Dritte private Grundstücke überlassen oder Wirte ihnen Säle vermieten. Kürzlich eröffnete die Rhein-Front (RF), die im St. Galler Rheintal aktiv ist, ihren Klubraum, damit – gemäss einem RF-Exponenten – «Kameraden einen Platz haben, wo sie in Ruhe unter Kameraden und geiler Musik ein Bier trinken können». Den genauen Standpunkt will der Rheinfröntler im Internet allerdings nicht preisgeben. Die Rhein-Front ist der Bundespolizei seit Anfang 2000 bekannt. Jürg Siegfried Bühler: «Wir haben allerdings erst wenig Informationen über ihre Aktivitäten.» Ziel des rechtsextremen Zusammenschlusses sei, so Bühler weiter, die «Förderung des nationalistischen Wissen und Denkens, die Vertretung der weissen Rasse und der Schutz vor kriminellen Ausländern».

In Malters bei Luzern besitzen die Schweizer Hammerskins (SHS) seit mehreren Monaten ein Klublokal. Luzern ist damit wieder – wie schon in der ersten Hälfte der neunziger Jahre – zum Zentrum der Hammerskins geworden, denn auch die SHS-Postfachadresse hat in den vergangenen Monaten vom aargauischen Berikon nach Luzern gewechselt. Am Pfingstsamstag trafen sich rund 140 Skins zu einem Konzert zweier deutscher Rechtsextremisten-Combos. Der private Rahmen ermöglicht es den Skins, allfällige Widerhandlungen gegen die Rassismus-Strafnorm zu umgehen. Der Vermieter des SHS-Klublokales, ein ehemaliger Luzerner FDP-Grossrat, will das Lokal weiter den Naziskins vermieten – gegen den Willen der Dorfregierung.

Neue Aktivitäten entwickeln Schweizer Skins in den vergangenen Monaten im Internet. Besonders aufgefallen ist ein Mitglied der Rhein-Front. «Dragon88» nennt er seine Homepage, wobei «88» für «Heil Hitler» steht. Der zwanzigjährige Skin posiert vor einer Hakenkreuzfahne, den rechten Arm hochgerissen zum Hitlergruss. Auf seiner Homepage führt er unter anderem «Hassseiten». Diese sind zwar passwortgeschützt, doch wegen Dragons Nachlässigkeit leicht einsehbar. «Born to get killed» (Geboren, um getötet zu werden) wird zu zwei jungen Männern angemerkt, die als «Linksextremisten» betitelt werden. Dragon bezichtigt sie «des Verbreitens Anti-Faschistischer Propaganda» und veröffentlicht ihre Adressen. Auch ein Rechtsextremer, der mit Namen, aber ohne Adresse genannt wird, wird mit dem Tod bedroht. 

Die simple Begründung: «Ist ein Verräterschwein der untersten Schublade! Ausserdem nennt er sich Rechtsextremist/Patriot aber er selbst ist das grösste Ausländerschwein das es gibt!» (Originalzitat). Damit rufen erstmals Schweizer Skinheads im Internet zur Tötung missliebiger Personen auf. Der Bundespolizei war der Aufruf, der seit einigen Wochen auf-geschaltet ist, bis zu den Recherchen zu diesem Artikel nicht bekannt.

Drohungen gegen Andersdenkende gehören zum üblichen Verhalten von Skinheads. Vorerst gelassen nahmen es zwei Oberwalliser Punks, deren Internet-Gästebuch seit Wochen organisiert mit üblen Sprüchen und Drohungen eingedeckt wurde. Anfang Juli haben sie nun ihre Seite für einen Monat wegen «Neugestaltung» vom Netz genommen. Beunruhigender war der Terror für eine Berner Familie, deren Sohn von Berner Rechtsextremisten als Sympathisant der Antifa eingestuft wird. Zuerst hingen Plakate mit Todesdrohungen im Quartier, später erhielten die Familie, der Bedrohte und dessen Freundin anonyme Telefondrohungen. Höhepunkt der Drohungen war ein anonymer Brief an die Familie, in dem zu lesen war: «…appelieren wir an sämtliche NS, in der Schweiz sowie Europa dem minderwertigen und gefährlichen Leben von X ein Ende zu setzen» (Originalzitat). Das Kopfgeld betrage sechstausend Franken. Die Anzeige gegen Unbekannt verhiess zuerst wenig Aussicht auf Erfolg. Doch als der von den Opfern verdächtigte 24-jährige Skin David Mulas, der im April als Präsident der Nationalen Partei der Schweiz (NPS) gewählt worden war, wegen einer Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm zur polizeilichen Einvernahme erscheinen musste, gestand er gleich auch noch die Drohungen. 

Im vergangenen Jahr teilte sich die Schweizer Naziskin-Szene in zwei Hauptströmungen auf. Einerseits die Hammerskins, die sich als Skin-Elite und rassistische «weisse Bruderschaft» verstehen, andererseits die Blood-and-Honour-Bewegung, die bereits in den achtziger Jahren vom britischen Nazirock-Sänger Jan Stuart gegründet wurde und sich auf die Traditionen der Waffen-SS bezieht. Vor allem die Westschweizer Skins um den Neuenburger Olivier Kunz trieben die Spaltung voran, da sie die Hammerskins politisch für zu wenig militant hielten. Im Juni veröffentlichten die Westschweizer ihr erstes Heft «Blood & Honour Romandie». 

Tauschhandel unter Gleichgesinnten

Eine Postlagernd-Adresse in Nyon ist als Bezugsadresse angegeben. Produziert wird das Heft von einem Skinhead, der sich Edelweiss nennt. Neben Konzertberichten und Interviews postuliert dieser einen «Stammesgeist» und drei strategische Leitlinien. Die «grossen, überbevölkerten und multikulturellen Städte» seien «kein Ort für Nationalisten», man solle diese Umgebung verlassen, da sie «zu feindselig für die Blüte eines rassistischen Bewusstseins» sei. Und da zweitens die Kinder «unsere Zukunft» seien, sollen sie nicht mehr die staatlichen Schulen besuchen, die «gleichmacherische, humanitäre und drittweltfreundliche Gehirnwäsche» betrieben. Und drittens will Edelweiss die Skinhead-Bewegung teilweise abkoppeln von den «kosmopolitischen und kapitalistischen Händlern», hin zu einem Tauschhandel unter Gleichgesinnten. 

Ein «Newsletter», der auch über Internet verbreitet wird, demonstriert die politischen Zusammenhänge, in denen sich die Westschweizer Blood-and-Honour-Skins bewegen. Ende April habe man in der Innerschweiz an der Osterfeier der völkisch-heidnischen Avalon-Gemeinschaft teilgenommen. Anwesend seien Leute jeden Alters gewesen, «vom Baby bis zum Siebzigjährigen, Skinheads, normale Leute, völkisch inspirierte Bewegungen, ebenso <Blood and Honour>- und Hammerskins». Spezielles Lob erhält Roger Wüthrich aus Worblaufen BE, der «viel» tue, «um eine Einheit zu erreichen zwischen den verschiedenen Schweizer Bewegungen und Organisationen». Blood-and-Honour-Skins seien auch aktiv bei den Holocaust-Leugnern, insbesondere in deren Verein Vérité et Justice, der vom Basler Jürgen Graf präsidiert wird. Konzerte allerdings müssen die Westschweizer Skins nun im Ausland mitorganisieren, nachdem die Westschweizer Kantonsregierungen im September 1998 weitere Konzerte verboten hatten. 

Den Tatendrang der Westschweizer Skins hat das Verbot nicht gestoppt. Zusammen mit Blood and Honour Brandenburg hätten, so berichtet «Blood and Honour Romandie», die Westschweizer Naziskins «das grösste Skinhead-Konzert, das je auf diesem Planeten organisiert worden sei», auf die Beine gestellt. Und zwar Mitte September 1999, in der Nähe von Leipzig.

Hans Stutz ist freier Journalist und lebt in Luzern. Er ist spezialisiert auf Fragen des Rechtsextremismus