Schweizer Neonazis hetzen ungehindert

SonntagsBlick.

Sie sind bewaffnet und zur Gewalt bereit, im Gegensatz zu Islamisten aber kaum überwacht: Hunderte rechtsextreme Schweizer. Das Attentat von Christchurch zeigt, wie tödlich das sein kann.

Über Jahre sandte der Attentäter von Christchurch Warnzeichen aus. Auf seinem Facebook-Profil postete er Fantasien über die Tötung von Migranten und verherrlichte Faschisten. Einen Waffenschein erhielt er trotzdem, halbautomatische Gewehre kaufen durfte er ebenfalls. Am 15. März stürmte er zwei Moscheen und erschoss 50 Muslime.

Warum konnte dieser Mann unter dem Radar der Sicherheitsbehörden durchschlüpfen? Premierministerin Jacinda Ardern räumte ein: «Wir haben uns zu einseitig auf islamistischen Terror konzentriert.»

Da liegt die Frage nahe: Ist die Schweiz gegen Terror von rechts gewappnet? Recherchen lassen da Zweifel aufkommen. Auch hierzulande hetzen Hunderte Fremdenhasser ungehindert auf Facebook, einige feiern gar die Attacke des Christchurch-Terroristen.

Die Fremdenhasser sind bewaffnet

So etwa T. S.*, Basel-Chef der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Unter falschem Namen schrieb er auf Facebook über den australischen Attentäter: «Wenn mehr so wären wie er, hätten wir schon gewonnen und unser Volk gerettet.»

Die Schweizer Fremdenhasser sind bewaffnet, gewaltbereit und stehen im Gegensatz zu Islamisten nicht im Fokus der Behörden. Mehr noch: Dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist es gesetzlich verboten, rechte Extremisten zu überwachen.

Der Grund dafür ist eine Schweizer Eigenheit: Der Bund trennt strikt zwischen terroristischen und gewaltextremistischen Aktivitäten. Eine Unterscheidung, die andere Länder nicht machen.

Nachrichtendienst darf Nazis nicht überwachen

In der Praxis heisst das: Bei ­einem bewaffneten Islamisten, der auf Facebook für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schwärmt, darf der NDB das Telefon anzapfen, die Post öffnen oder den Computer ausspähen. Die Handlungen des Islamisten werden als terroristisch eingestuft.

Einen Neonazi mit Hakenkreuz-Tattoo, der mit Maschinengewehr posiert und für den Utoya-Attentäter Anders Breivik schwärmt, darf der NDB hingegen nicht überwachen. Er wird als Gewaltextremist eingestuft.

Im Klartext: Für den Bund kann ein Rechtsextremer kein Terrorist sein. Dass diese Annahme ein fataler Irrtum ist, wurde nicht erst durch das Christ­church-Massaker klar.

Nicht nur die gesetzlichen Grundlagen verhindern eine ausreichende Kontrolle der rechts-extremen Szene, sondern auch die Tatsache, dass der NDB einseitig auf Islamisten ausgerichtet ist. Radikale Muslime wurden in den vergangenen Jahren vom Schweizer Geheimdienst systematisch beobachtet und regis­triert. Zur Terrorismus-­Prävention führt der NDB etwa eine Liste mit sogenannten Risikopersonen, in den ­sozialen Medien führt er ein umfassendes Dschihad-Monitoring durch.

Keine Angaben zu rechtsextremen Gewalttätern

Die Anzahl bearbeiteter Fälle kommuniziert der Nachrichtendienst jeweils von sich aus. Im letzten ­November sprach der NDB von 80 Risikopersonen und durchleuchtete die Posts von 606 potenziellen Dschihadisten in den sozialen Medien.
Auf Nachfrage von BLICK, wie viele rechtsextreme Gewalttäter entsprechend beobachtet werden, blockt der NDB ab. Laut Sprecherin Carolina Bohren findet zwar auch ein Monitoring von Neonazis statt. Wie viele Personen man da auf dem Radar hat, sagt sie allerdings nicht.

Bohren verweist auf den letzten Sicherheitsbericht. Dort steht: «In der Szene sind vielfach Sammlungen funk­tionstüchtiger Waffen vorhanden.»

Es ist zu befürchten, dass auch in der Schweiz irgendwann ein rechtsextremer Internethetzer seine Tastatur gegen ein Sturmgewehr eintauscht.

*Namen der Redaktion bekannt