Rütli-Skinhead war SVP-Sekretär

SonntagsZeitung

Rechtsradikale pflegen immer häufiger enge Kontakte zur etablierten Politik – vorallem zur SVP

Altdorf/Zürich – «Die Mitglieder der SVP sind sauber», hatte der ZürcherSVP-Nationalrat und Auns-Geschäftsführer Hans Fehr vor einem Jahr derSonntagsZeitung zu Protokoll gegeben. Dies als Reaktion auf die Forderung vonBundesrat Adolf Ogi, die Mitgliederlisten der SVP seien systematisch nachRassisten und Neonazis zu durchforsten. Diese Aussage wird nun – einmal mehr -widerlegt. Wie die «Urner Zeitung» am Freitag aufdeckte, gehört der Sekretär derSVP-Ortspartei Silenen UR dem rechtsextremen Lager an: Roland Traxel, 20, istSkinhead und stapfte am 1. August zusammen mit 150 Gleichgesinnten auf dieRütliwiese. Seit einiger Zeit baut Traxel in Silenen gar eine rechtsradikaleGruppierung auf. Gestern hat er auf Druck der Parteileitung seinen sofortigen Austritterklärt.

Erstmals wird damit ein Skinhead als Mitglied einer etablierten Partei entlarvt.Zusätzliche Brisanz erhält der Fall durch die Aussage des 39-jährigen RogerWüthrich aus Worblaufen BE, Wortführer der völkisch-heidnischenAvalon-Gemeinschaft, die sich als geistige Elite der extremen Rechten betrachtetund Kontakte zu gewaltbereiten Skinheads pflegt: «Unter unseren 120 Mitgliedernbefinden sich SVPler, Mitglieder der Schweizer Demokraten und der Auns.»

Kaum erstaunt über die neusten Enthüllungen zu den Kontakten zwischen deretablierten Politik und Rechtsradikalen zeigt sich der Vorsitzende derEidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Georg Kreis. Das zeige nur, wiefliessend diese Übergänge sind: «Man könnte ein Fliessdiagramm erstellen,angefangen bei einem Menschen verachtenden Vokabular übernationalistisch-fremdenfeindliche Ideologien bis hin zu rechtsextremenGruppierungen», sagt Kreis.

Kontakte von SVP-Mitgliedern zur rechtsextremen Szene wurden in derVergangenheit von der Parteileitung immer als unerwünschte, aber leiderunvermeidbare Einzelfälle dargestellt. Doch die Einzelfälle häufen sich.

So teilte der Vizepräsident der St. Galler Jung-SVP, Lukas Reimann, dem BaslerHolocaust-Leugner Ernst Indlekofer unlängst in einem Brief seine Freude darübermit, «dass Sie viele Neuabonnenten für Ihre Zeitschrift gewinnen konnten».Indlekofers Blatt «Recht und Freiheit» behandelt revisionistische Themen. DerHerausgeber war bis 1995 selbst SVP-Mitglied. Kurz vor den Nationalratswahlen gabIndlekofer den Austritt, weil die Partei gegen ihn ein Ausschlussverfahren eröffnethatte.

Weiterhin SVP-Mitglied ist indes der wegen Zuwiderhandlung gegen dieRassismus-Strafnorm verurteilte Rimuss-Produzent Emil Rahm aus Hallau SH(siehe Kasten). Auf die Frage, weshalb Rahm in der Partei bleiben dürfe, erklärtePräsident Ueli Maurer am 19. September 1999: «Er ist seit Jahren in derSchaffhauser Partei verankert, sowohl als Geschäftsmann wie auch als Person.»Auch der letzten Herbst wegen Kontakten zu rechtsextremen Kreisen in dieSchlagzeilen geratene Ex-Parteisekretär der SVP Genf, Pascal Junod, blieb bis vorwenigen Wochen aktiv.

Maurer behauptet, Rechtsextreme gebe es auch in der FDP und der CVP
Vor den Nationalratswahlen 1999 machten mehrere Fälle Schlagzeilen: Im Aargaukandidierte ein Jung-SVPler, der Verständnis für Hitlers Rassenpolitik geäusserthatte. Im Tessin wollte ein Möchtegern-Bankdirektor SVP-Nationalrat werden, dersich und seine Ehefrau ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS als «Gleichgesinnte»angepriesen hatte. Im Kanton Jura kandidierte ein SVP-Parlamentarier, der wegenZuwiderhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm rechtskräftig verurteilt wordenwar.

Konfrontiert mit dem Fall Traxel, verweigert SVP-Präsident Ueli Maurer eineStellungnahme: «Ich bin nicht bereit, dieses Thema wieder hoch zu stilisieren. DieSVP hat 1500 Ortssektionen. Die Parteileitung tut, was zu tun ist. Sie finden solcheLeute auch in der FDP und der CVP.» Eine Behauptung, die von FDP-Präsident FranzSteinegger als «hilflose Ausrede» taxiert wird. Tatsächlich kam wegen Kontakten zurrechtsextremen Szene auch die FDP schon in die Schlagzeilen, vor allem aber dieFreiheitspartei und die Schweizer Demokraten (SD).

Im Zusammenhang mit Roger Wüthrichs Avalon-Gemeinschaft taucht auch derName von SD-Nationalrat Bernhard Hess auf. Hess bestätigt zwar, Wüthrich undseinen Wegbegleiter, den 73-jährigen Berner Holocaust-Leugner und – nacheigenen Angaben – Auns-Mitglied Ahmed Huber, zu kennen, streitet aber jeglichenKontakt zu Avalon ab: «Mit diesen Chaoten habe ich nichts zu tun. Ich binRealpolitiker und lehne deren Wirken strikte ab. Da wird mir etwas angedichtet.»

Die Forderung, die etablierten Parteien mögen ihre Mitgliederkarteien durchforsten,wie sie Bundesrat Adolf Ogi vor Jahresfrist erhob, bleibt damit äusserst aktuell. DerVorsitzende der Rassismus-Kommission, Georg Kreis, hält davon indessen nichtviel: «Es könnte sein, dass eine Partei die ertappten Rechtsextremen zwarausmistet, die Ideologie aber weiter pflegt.»


«Es stimmt, dass es bei einzelnen SVP-Ausschlussverfahren harzt»

SVP-Generalsekretär Jean-Blaise Defago will punkto Rechtsextreme in seinerPartei kompromisslos durchgreifen

SonntagsZeitung: Ihre Urner Kantonalpartei hat den Silener Skinhead Roland Traxelungewöhnlich schnell zum Parteiaustritt gezwungen. In anderen Fällen hat die SVPgar nicht reagiert.
Defago: Solche Fälle werden durch die Kantonalparteien erledigt. Es stimmt, dasses bei einzelnen Ausschlussverfahren harzt. Die betroffenen Kantonalparteiensollten sich ein Beispiel an Uri nehmen.

Neonazi-Wortführer Roger Wüthrich behauptet, bei seiner Avalon-Gemeinschaftseien auch SVP-Leute dabei.
Defago: Davon weiss ich nichts. Wüthrichs Behauptung könnte auch ein Trick sein.Er versuchte bereits, mit einzelnen SVP-Exponenten Kontakt aufzunehmen. SeinePost landete aber im Papierkorb. Ich bin sehr erstaunt darüber, dass Urs vonDäniken, Chef der Bundespolizei, Wüthrich am Donnerstag empfangen hat.

Der Vizepräsident der St. Galler Jung-SVP sympathisierte in einem Brief mitHolocaust-Leugner Ernst Indlekofer.
Defago: Sofern das zutrifft, ist es inakzeptabel. Das zu klären, ist Sache der St. GallerSVP und der Jung-SVP.

Die SVP sprach bisher in Bezug auf rechtsextreme Parteimitglieder immer vonEinzelfällen. Das können Sie jetzt nicht mehr behaupten.
Defago: Wir haben 80 000 Mitglieder. Ein paar Leute schaden dem Image derganzen Partei. Da müssen wir jetzt kompromisslos durchgreifen.

Hart durchgreifen wollte die SVP bereits beim rechtsextremen Genfer Anwalt PascalJunod. Trotz Ausschluss-Ankündigung war er weiterhin aktiv.
Defago: Genf versicherte uns, Herr Junod sei ausgetreten. Der leitende Ausschusswird sich dem annehmen. Am 27. September werden wir das besprechen. DieGenfer müssen sich verantworten.

Zudem nimmt Parteipräsident Ueli Maurer den wegen Verletzung derRassismus-Strafnorm verurteilten Schaumwein-Produzenten Emil Rahm in Schutz.Von einem Ausschluss will er nichts wissen.
Defago: Das ist die persönliche Meinung von Herrn Maurer. Ich weiss, dass er nichtgerade erfreut darüber ist, dass Herr Rahm Parteimitglied ist.

Werden Sie die Mitgliederlisten durchforsten, wie es Bundesrat Adolf Ogi vor einemJahr forderte?
Defago: Das wird wohl an der Sitzung vom 27. September ein Diskussionspunktsein. Wir müssen neben dem Fall Genf das Thema auch genereller diskutieren.Interview: Markus Steudler