Roggwil Probelokal für Band entpuppt sich als Treffpunkt für Neonazis aus dem Mittelland

Solothurner Zeitung

Die Rechtsextremen haben in Roggwil einen neuen Treffpunkt gefunden. Eine alte Fabrikhalle an der Gemeindegrenze zu Langenthal dient der Nazi-Rockband «Indiziert» als Probelokal. Im selben Gebäude ist auch ein türkisches Kulturlokal untergebracht – eine explosive Mischung.

Christian Liechti

In Hindelbank waren sie unerwünscht, und auch in Burgdorf wurden sie durch die Vermieter auf die Strasse gestellt. Nun haben die Rechtsextremen aus den Kantonen Bern, Aargau, Luzern und Solothurn in Roggwil einen neuen Treffpunkt gefunden. Unter dem Vorwand, auf der Suche nach einem Probelokal für eine Rockband zu sein, erhielten sie vom 83-jährigen Liegenschaftsbesitzer H.G.* einen Mietvertrag (wir berichteten). Wer hinter der Band «Indiziert» steckt, wusste der Hausbesitzer nicht. Der Mietzins für das ehemalige Gewerbelokal beträgt monatlich 1750 Franken.

Vom Oberaargau ins Ausland

Der Mietvertrag wurde vom Langenthaler M.K.* unterzeichnet. Er ist in der Szene kein Unbekannter. Das Amtstatthalteramt Willisau verurteilte ihn wegen Landesfriedensbruchs zu einem Monat Gefängnis bedingt und einer Busse von 500 Franken. Auch die Bandmitglieder Alex und Cédric Rohrbach (Gitarre/ Schlagzeug) sowie Dominic Marc Lüthard (Gesang) und Benjamin Lingg (Bass) gehören dem braunen Sumpf an.

Die Lieder, die «Indiziert» in Roggwil einstudiert und probt, trägt die Band vor grossem Publikum in der Schweiz und in Deutschland vor. So zum Beispiel an einer NPD-Wahlveranstaltung vor 200 Personen in Bayern oder am «Fest der Völker» vor 1000 Personen in Jena.

Nachdem die Gemeinde Wind vom neuen Neonazi-Treffpunkt bekommen hat, liess sie die Situation unverzüglich abklären. Der Gemeinderat, das Regierungsstatthalteramt Aarwangen und die Kantonspolizei Bern wurden aktiv. Sie klären ab, wofür die Fabrikhalle genutzt wird, ob dabei die Vorschriften der Bau- oder Gastwirtschaftsgesetzgebung eingehalten werden. Regierungsstatthalter Martin Lerch bestätigt auf Anfrage, dass der Betrieb unter die Lupe genommen wird, darf aber wegen des laufenden Verfahrens keine weiteren Angaben machen.

Amtsschimmel auf Trab

Während der regionale Amtsschimmel noch am Traben ist, sind die Behörden in Deutschland bereits einen Schritt weiter. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat die CD «Eidgenössischer Widerstand» der Nazi-Rockband «Indiziert» geprüft. Ende Oktober wird das Urteil in Deutschland publiziert. Die Bundesprüfstelle kommt darin zum Schluss, dass die in Roggwil geprobten Lieder und Texte an die nationalsozialistische Rassenlehre anknüpfen und darin zum Kampf gegen «Rassenvermischung» aufgerufen wird. «Andere» ethnische Gruppen, Nationen oder Glaubensgemeinschaften würden herabgesetzt. Dabei gehe die hetzerische Tendenz über eine blosse Ablehnung hinaus. Weiter schreibt die Behörde: «In den Liedtexten findet sich die während des Nationalsozialismus vertretene Rassenlehre wieder.»

Für «Indiziert» wird dies Folgen haben. Die Band darf ab November nicht mehr für die CD in Deutschland werben oder diese über Internet im Nachbarland vertreiben. Wer die CD im Geschäft kaufen will, muss danach fragen. Der Entscheid der Bundesprüfstelle kann auch Einfluss auf die Auftritte haben. Bürgermeister haben nun eine Handhabe, den Auftritt der Schweizer zu untersagen.

Explosive Mischung

Trotz allem: Der Roggwiler Liegenschaftsbesitzer H.G.* sieht keinen Grund, den Rechtsextremen den Mietvertrag zu künden. «Wieso soll ich eine goldene Henne rupfen, die niemanden stört.» Ihm seien die jungen Männer und Frauen gar sympathisch.

H.G.* hat seine Liegenschaft nicht nur an die Rechtsextremen vermietet, sondern auch an ausländische Staatsangehörige. In der Musikbar Riviera treffen sich gleich um die Ecke türkische Familien. Dieses Wochenende findet eine Hochzeit mit rund 200 Gästen statt. «Der Gemeinderat», sagt dessen Präsident Erhard Grütter, «ist sich der explosiven Mischung bewusst.»

Es wäre nicht das erste Mal, dass es in Roggwil zu Konflikten zwischen Rechtsextremen und Türken kommt. 2004 wurde die Fensterscheibe eines Bistros im Dorf gleich zweimal eingeschlagen. Der türkische Betreiber hatte sein Geschäft erst kürzlich eröffnet gehabt. In einem Fall wurden Kleber mit patriotischem Inhalt angebracht.

Privater Rahmen

«Wir sorgen dafür, dass nichts passiert», sagt Mieter M.K.*. Die Proben fänden in privatem Rahmen vor einigen Zuhörern statt. Wie viele das sind, kann er nicht beziffern. «Wir suchen den Konflikt mit unseren Nachbarn nicht.» Angesprochen auf das Urteil der deutschen Bundesbehörde, meint er: «Wer die Musik hören will, soll dies tun, die anderen es lassen.»

*Namen der Redaktion bekannt.