Eine der aktuell aktivsten, sehr öffentlich agierenden Gruppierungen der rechten Szene in der welschen Schweiz ist die Résistance Helvétique (RH). Die Gruppierung wurde 2014, von den damals noch Jugendlichen Samuel Klay und Julien Udressy, unter dem Namen Renaissance Helvétique im Kanton Wallis gegründet. Mittlerweile fungiert die RH als Sammelbecken für unzufriedene Mitglieder der Parti nationaliste Suisse (PNS – die welsche Sektion der PNOS) und unorganisierte Neonazis. Seit 2015 ist die Gruppe – als Verein organisiert – unter dem Namen Résistance Helvétique in der Romandie aktiv. Gegliedert ist die RH in drei Sektionen: Wallis, Waadt und Genf. Die Gruppierung, deren 33-Punkte-Programm sich unter anderem auf die Schriften des rechtsextremen Freiburger Intellektuellen Gonzaque de Reynold (1880-1970) stützt, ist äusserst umtriebig sowie national und international gut vernetzt. Sie bezeichnen sich selbst als metapolitische Bewegung, eine Bewegung, welche – Zitat – ins Leben gerufen wurde, um Menschen zusammenzubringen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, friedlich zusammenzuarbeiten, die althergebrachten Werte der Schweiz zu bewahren und ihre ursprünglichen Menschen zu schützen: «La Résistance Helvétique […] est un mouvement métapolitique romand né en 2014 dans le but de regrouper des individus soucieux d’oeuvrer ensembles, pacifiquement, à la préservation des valeurs ancestrales helvétiques ainsi qu’à la protection de son peuple originel.»
Umtriebige Neonazis in der Romandie
Ihre Aktivitäten reichen von kleineren und grösseren Flyeraktionen über Informationsveranstaltungen bis zu regionalen Kundgebungen und Konferenzen mit internationalem Teilnehmer_innenfeld. So organisierte die Résistance Helvétique am 31. März 2018 im Viersternhotel Starling, beim Flughafen Genf-Cointrin, eine Konferenz mit dem Titel «L’Europe nationaliste». Auf dem Flyer, der in den Sozialen Medien kursierte, waren Vertreter der Neonazi-Organisationen Casa Pound (I), Bastion Social (F) und Mouvement NATION (B) angekündigt. Obwohl der Anlass als öffentlich deklariert wurde, war der Veranstaltungsort nur per E-Mail zu erfahren. Neben dem Mediensprecher der RH, David Rouiller, ehemaliger PNS-Vorstand, traten drei Redner aus Italien, Frankreich und Belgien vor rund 50 illustren Gästen auf: Andrea Bonazza, langjähriger Ultra und Betreiber des rechten Szene-Treffs «Bar 8» in Bolzano. Er sitzt für die neofaschistische Organisation Casa Pound im lokalen Stadtparlament. Steven Bissuel aus Lyon steht der Bewegung Bastion Social vor, einer französischen Kopie von Casa Pound. Hervé Van Laethem ist der Gründer und Präsident der Gruppierung Mouvement NATION und seit Jahrzehnten einer der führenden Köpfe der extremen Rechten in Belgien. Allen beteiligten Organisationen gemein ist, dass sie ein europaweites Netzwerk der extremen Rechten schaffen wollen.
Eigene Lokale dienen als Treffpunkte
Die Résistance Helvétique betreibt eigenen Angaben zufolge zwei Lokale im Welschland. Diese sollen, ähnlich wie die von Bastion Social betriebenen Räume in französischen Städten, der regionalen Szene als Treffpunkt dienen und Möglichkeiten zur Vernetzung bieten. Das erste Lokal soll am 13. Januar 2018 in der Stadt Genf eröffnet worden sein. Bis heute gab es jedoch keine Anzeichen, dass das Lokal tatsächlich existiert. Im zweiten Lokal, welches unter dem Namen l’Aquila am 5. Mai 2018 am Chemin du Château 27 in Aigle (VD) eröffnet wurde, finden hingegen regelmässig Veranstaltungen statt. Im Keller des unscheinbar wirkenden Hauses in der Altstadt von Aigle werden Pizzaabende, Informationsveranstaltungen oder Konferenzen organisiert. So beherbergte das l’Aquila am 19. Mai 2018 zum Beispiel die Konferenz zum Thema Vollgeld-Initiative, an welcher auch einer der Initianten derselben, der Ökonom François De Siebenthal, vor einem überschaubaren Publikum zum Thema referierte.
International bestens vernetzt
Neben den regen nationalen Kontakten zur PNOS/PNS, den welschen Hammerskins und lokalen Gruppen wie der Kalvingrad Patriote ist die Résistance Helvétique auch international bestens vernetzt. So werden gute Kontakte zu rechtsextremen und nationalistischen Gruppen und Parteien wie Casa Pound in Italien, der Bastion Social, dem GUD (mittlerweile aufgelöst) oder der Civitas in Frankreich gepflegt. Regelmässig werden gegenseitige Besuche von Veranstaltungen organisiert. So war die Résistance Helvétique am 24. März 2018 von der Civitas an deren «2e Fête du Pays Réel» in Rungis in der Nähe von Paris eingeladen. Die katholisch-konservative, nationalistisch und rechtsextreme Partei Civitas ermöglichte es der Résistance Helvétique an einem Stand ihr Land und ihre Gruppe zu präsentieren. Betrieben wurde der Stand von der Genferin Vanessa Inzaghi. Inzaghi ist in der rechten Szene der Romandie kein unbeschriebenes Blatt. Sie ist die Ex-Freundin des ehemaligen «Blood&Honour – Combat 18 France (B&H/C18)» Mitglieds Lucas Tersen, welcher in Frankreich mittlerweile in Abwesenheit für die Mitgliedschaft in der militanten Neonazistruktur zu 6 Monaten Haft verurteilt wurde. Er war es auch, der 2012 in Genf am Festival «Fête de la Musique» einen Antifaschisten mit einem Messer angriff und verletzte.
Militante Helvetier
Obwohl sich die RH gegen aussen stets als pazifistische helvetische Bewegung zu verkaufen versucht, wird bei genauem Hinschauen deutlich, dass sie Teil der militanten Rechten ist. Ihre Veranstaltungen werden von prominenten Neonazis aus der Region beworben und besucht. So bewarb beispielsweise die Walliserin Fanny Mazard den Vortrag vom 9. Juni 2018 über den Gründer der faschistischen Falange Bewegung in Spanien. Selbst war sie 2015 noch Gründungsmitglied der RH, heute aber in den internationalen B&H/C18– Strukturen organisiert. Sowohl auf der Konferenz vom 31. März 2018 in Genf, wie auch am Vortragsabend vom 9. Juni 2018 befanden sich unter den Gästen Mitglieder des militanten Hammerskin-Netzwerks der Romandie: Joël «Pouppi» Moret und Simon Tornay. Auch der ehemalige Kopf der Hammerskins Romandie, Christophe Gruy, liess sich die Events nicht entgehen.
Die politische Strategie der RH ist stark von Casa Pound und Bastion Social geprägt. Ein fixer Raum dient als Treffpunkt für die lokale rechte Szene. Der Treffpunkt soll diese vernetzen und gegen aussen ansprechbar machen. Diese territoriale Strategie erwies sich gerade für Casa Pound als sehr erfolgreich. Mittels Sporträumen, Bars und sozialen Projekten nur für Italiener_innen konnten sie sich festsetzen und Rückhalt sichern. Ähnliches schwebt auch der RH vor. So werden im Dunstkreis der RH auch Kampfsport-Gyms aufgebaut. Gerade die Vernetzung ist ihnen bis jetzt gut gelungen; Mitglieder der PNOS, der Hammerskins, der Alternative-Nationale und B&H/C18 treffen sich und finden den Raum, sich auszutauschen. Entsprechend leistet die RH bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Infrastruktur der extremen Rechten in der Romandie.
Die Mitglieder der RH sind Gewalt nicht so abgeneigt, wie sie dies gerne proklamieren. Sie nehmen an Kampfsport- und Schiesstrainings befreundeter Gruppen aus dem In- und Ausland teil – häufig unter dem Motto «Defend Europe». Das im Training Erlernte sollte dann sogleich auch in der Praxis angewendet werden: Die RH lancierte Anfang 2018 eine Bürgerwehr, welche in Genf patrouillierte. Die Patrouillen sollten auf das gesamte Einzugsgebiet der RH ausgedehnt werden, wurden dann jedoch – wohl aus taktischen Gründen – nicht durchgeführt: Bereits die Ankündigung der Patrouillen in Lausanne führte im Stadtparlament zu einer dringlichen Interpellation der SP. Die Stadt Lausanne stellte sofort klar, dass allfällige Patrouillen der RH in Lausanne von der Polizei unterbunden würden. Daraufhin wurden die Inititant_innen auf der Facebook-Seite der Waadtländer-Sektion nicht nur beleidigt, sondern auch mit dem Tod bedroht, wogegen die Betroffenen nun Klage eingereicht haben.
Die RH ist die aktuell grösste von mehreren Gruppierungen in der Westschweiz, welche sich vom klassischen Neonazi-Auftreten löst und stärker den Anschluss an die Gesellschaft sucht. Neben der RH sind auch die Alternative-Nationale in Vevey oder Kalvingrad Patriote in Genf zu nennen.