Rechtsrock im Hallenstadion

Der Landbote vom 05.05.2012

Zürich. Die Südtiroler Band «Frei.Wild» kommt im Herbst ins Hallenstadion. Die aufstrebenden Deutschrocker machen nicht nur mit Charterfolgen von sich reden, sondern auch mit nationalistischen Liedtexten und mit der Neonazi-Vergangenheit ihres Frontmannes.

Anna Wepfer

Es ist bereits das achte Album, das die Band «Frei.Wild» im Herbst veröffentlichen wird. «Feinde deiner Feinde» heisst der Silberling und auf der dazugehörigen Tournee machen die Südtiroler auch halt im Hallenstadion. «Frei.Wild» gehören zu den Aufsteigern im deutschen Musikgeschäft. Ihr aktuelles Album «Gegengift» schaffte es auf Platz 2 der Charts, letztes Jahr waren sie für den Musikpreis Echo nominiert.

Diese Erfolge lassen etwas vergessen, dass «Frei.Wild» alles andere als eine unumstrittene Band sind. Seit ihrer Gründung haftet ihnen das Image einer sogenannt rechtsoffenen Gruppe an – einer Gruppe also, die sich im Dunstkreis des Rechtsextremismus bewegt. Die Band rund um Frontmann Philipp Burger wehrt sich gegen dieses Image. In Interviews hat sie sich schon mehrfach von nationalsozialistischen Ideologien distanziert. Und in ihren Liedern macht sie sich über Extremismus lustig, ob er nun rechts- oder linksgerichtet sei.

«Neonazi-Popkultur»

So einfach, wie es die vier Männer glauben machen wollen, ist die Sache aber nicht. Wohl gehören sie nicht zu jenen Bands, die mit verhetzenden, antisemitischen und rassistischen Liedern auftreten. Für Thomas Kuban sind sie aber dennoch Teil der «Neonazi-Popkultur», wie er kürzlich in der «Süddeutschen Zeitung» schrieb. Kuban – der Name ist ein Pseudonym – hat zehn Jahre verdeckt in der Neonazi-Szene recherchiert. Der Film «Blut muss fliessen» mit seinen heimlich gemachten Bildern hatte an der Berlinale letzten Februar Premiere.

Für Kuban ist klar: «Frei.Wild» geben sich zwar oberflächlich unpolitisch. Unterschwellig aber propagieren sie ein Gedankengut, das der nationalsozialistischen «Blut und Boden»-Ideologie gefährlich nahe kommt. «Identitätsrock» nennt sich dieses Patriotismus-Genre, bekannt ist es aus der rechtsextremen Szene. In der Heimat-Hymne «Südtirol» singt Burger etwa: «Südtirol, wir tragen deine Fahne, denn du bist das schönste Land der Welt.» Weiter ist vom «heiligen Land» die Rede, auf das schon «unsere Väter mächtig stolz waren». Zentrales Element der Texte ist das Wir-Gefühl einer Minderheit, die sich gegen eine feindlich gesinnte Welt zusammenrottet: «Südtirol, in der Hölle sollen deine Feinde schmorn.» In der Abgrenzung ge­gen­über Italien und der Suche nach Nähe zu deutschsprachig-patriotischen Strömungen ortet Szenekenner Kuban eindeutig nationalistische und völkische Tendenzen.

Zum zwielichtigen Image der Band beigetragen hat vor allem Frontmann Burger. Bevor er 2001 «Frei.Wild» mitbegründete, war er Sänger der als Neonazi-Band bekannten Gruppe «Kaiserjäger». Burger beteuert zwar, dieses Kapitel sei Vergangenheit, signalisiert aber weiterhin Toleranz ge­gen­über Skinheads: Sofern sie sich zu benehmen wüssten, seien sie an Konzerten willkommen, sagte er in einem Interview. 2008 wurde zudem bekannt, dass sich Burger – obwohl angeblich unpolitisch – in der rechtspopulistischen Partei «Die Freiheitlichen» engagierte. Obschon er danach aus der Partei austrat, trennte sich das Management von Asphalt Records von der Band.

Schärfere Eingangskontrollen

Für das Konzert im Hallenstadion zeichnet die Basler Act Entertainment AG verantwortlich. Die Frage, ob die politische Haltung der Band geprüft worden sei, lässt deren Pressesprecherin unbeantwortet. «Frei.Wild» hätten bereits zweimal in der Schweiz gespielt, neonazistische Gruppierungen habe man im Publikum jeweils nicht ausmachen können. Laut Hallenstadion-Direktor Felix Frei sind grundsätzlich alle Veranstaltungen willkommen, die sich an die Schweizer Gesetzgebung halten. Er kündigt für das «Frei.Wild»-Konzert aber schärfere Eingangskontrollen inklusive Abtasten an, damit keine verbotenen Gegenstände ins Stadion gelangen.

So oder so ist am Konzert mit Skinheads zu rechnen. Denn die Band ist in jenen Kreisen durchaus beliebt. Dass sie sich von allzu rechtem Gedankengut distanziert, wird ihr zwar bisweilen als Opportunismus ausgelegt. Andere sehen darin aber auch einen Vorteil: «Wir können doch froh sein, dass es solche Bands gibt, die dadurch sehr viele Leute ansprechen und patriotisches Gedankengut vermitteln, ohne dass sie sofort an Hitler oder das Dritte Reich erinnert werden», heisst es in einem einschlägigen Forum. Und weiter: «So erreicht man im Endeffekt mehr als mit der Nazi-Keule.»