«Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein»

Bund

Adrian Amstutz hat das weitaus beste Wahlresultat aller Berner National- räte erzielt. Jetzt ist er als Parteipräsident und Regierungsrat im Gespräch, hat sich aber noch nicht entschieden. Den SVP-Erfolg im Kanton Bern erklärt er damit, dass die «schweizerische Politik» gegriffen habe.

Interview: Rudolf Burger

«Bund»:

Herr Amstutz, der Posten des Präsidenten der SVP wird frei ? haben Sie Interesse?

Adrian Amstutz: Die Parteileitung wird einen Auftrag mit Zielsetzung formulieren. Daraus resultiert ein Anforderungsprofil. Man wird sehen, ob das passt.

Sie sagen also nicht Nein.

Nein, aber die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Ich habe ein Geschäft, das kann ich nicht fluchtartig verlassen. Ich kann nur sagen: Wenn die Anfrage käme, würde ich das aber ernsthaft prüfen.

Ein schlechter Kandidat wären Sie nicht, Sie sind mit 25000 Stimmen Vorsprung bestgewählter bernischer Nationalrat. Haben Sie eine Erklärung für dieses Ergebnis?

Nein, ausser dass offenbar eine klare Sprache und eine gradlinige Haltung honoriert werden.

«Klare Sprache» ? Sie haben einmal erklärt, man müsse manchmal mit der Motorsäge politisieren.

Dazu stehe ich, das ist ein Markenzeichen, mit dem ich gut lebe.

Wie viel haben Sie für persönliche Werbung ausgegeben?

35000 Franken. 19000 Franken für Inserate, der Rest waren Plakate, Karten und solche Dinge. Damit gehöre ich garantiert zu denen mit eher bescheidenen Wahlausgaben.

Sie hätten einen Haufen Geld sparen können und wären trotzdem wiedergewählt worden.

Das glaube ich nicht. In der Politik muss man sich in Erinnerung rufen, damit die Leute wissen, dass man zur Verfügung steht.

Das Aussehen spiele eine gewisse Rolle, sagt man. Sie werden auch als «Alpen-Kennedy» bezeichnet.

Das ist mir eigentlich wurscht. Mir gefällt das mit der Motorsäge wesentlich besser.

Im Wahlkampf haben die Schäfchen-Plakate der SVP Furore gemacht. Es gab Berner SVP-Kandidaten, die sich davon distanziert haben. Wie standen Sie dazu?

Ich bin Kopräsident der Ausschaffungsinitiative. Ich habe das Plakat mitgestaltet und stehe voll hinter ihm. 80 Prozent der Vorwürfe gegen das Plakat sind unhaltbar. Aber Politologen und Professoren scheuen nicht davor zurück, falsche Behauptungen in die Welt zu setzen. Was soll am Plakat respektive der Initiative rassistisch sein? Seit wann sind Kriminelle, Vergewaltiger, Drogenhändler eine neue Rasse? Wenn dem so wäre, hätte ich tatsächlich etwas gegen sie.

Es geht natürlich um die Hautfarbe: schwarzes Schaf gleich Schwarze.

Das ist Mumpitz. Eine linke Kampagne wollte das so, aber den Begriff «schwarzes Schaf» gibt es in allen Landessprachen, und er wird nie mit einer Rasse oder Hautfarbe in Zusammenhang gebracht. Die Kampagne hat uns trotz Medien, Professoren und links-grünem Aufstand geholfen. Die Leute haben gemerkt, was wir mit dem «schwarzen Schaf» sagen wollten.

Über Schäfchen kann man streiten, aber die Spiele der SVP im Internet ? die gingen zu weit.

Die haben provoziert, standen aber für eine gewisse Wahrheit. Ich scheue mich nicht, Gerichte zu kritisieren. Wir leben in einer Demokratie. Man muss alle Institutionen kritisieren können.

In einem dieser Spiele wurden Grüne abgeschossen.

Ich habe das Spiel nie angeschaut, habe aber davon gehört. Man kann daraus ein Theater machen, wenn man will. Aber es heisst ja «Wahlkampf» nicht «Wahlschmeicheleien».

Auch das Wort«fair» gehört zum Wahlkampf. Hat die SVP wirklich einen fairen Wahlkampf geführt?

Ja, wir haben einen ehrlichen Wahlkampf geführt und die brennenden Probleme auf den Tisch gebracht. Es muss in einer Demokratie möglich sein, mit dem politischen Gegner hart umzugehen.

Was macht die SVP besser als andere Parteien?

Ganz einfach: Wir arbeiten mehr. Ich bin auf schweizerischer Ebene in der Parteileitung tätig. Wir haben eine Strategie und sind dabei geblieben, auch wenn es Gegenwind gab.

Und Sie haben für Werbung etwa fünfmal so viel Geld ausgegeben wie alle andern Parteien.

Wenn man die ganze Presse gegen sich hat, muss man etwas tun. Denken Sie an die GPK-Affäre, da hat man mit Hurrageschrei über die erste Pressekonferenz von Frau Meier-Schatz, einer Blocher-Hasserin, berichtet. Wir hatten Glück, dass am nächsten Tag die Wahrheit und die Unterlagen auf dem Tisch lagen. Wenn nicht, hätten wir ein echtes Problem gehabt, Bundesrat Blocher gäbe es nicht mehr, und der Schwindel wäre, wie von Meier-Schatz geplant, erst nach den Wahlen ans Tageslicht gekommen.

Die SVP hat die ganze Presse gegen sich? Das stimmt doch nicht.

Natürlich gibt es einzelne Journalisten und eine «Weltwoche», die uns gut gesinnt sind, aber die ganze Ringier-Presse schiesst seit Jahren aus allen Rohren und ist auch nicht immer fair. Wir mussten Gegenmassnahmen ergreifen. Sie glauben aber doch nicht im Traum daran, dass man das Schweizervolk bei Wahlen kaufen kann? Das ist billig, das müssen Sie vergessen.

Gekauft haben Sie das Volk nicht, aber die zwei gewonnenen Prozent könnten auf die massive Werbung zurückzuführen sein.

Das glaube ich nicht. Massiv geholfen haben uns die himmeltraurige GPK-Affäre und die Krawalle in Bern. Das ist zwar traurig, hat aber eine links-grüne Stadtregierung in ihrer Unfähigkeit so entlarvt, dass sich viele Leute gesagt haben, so könne es nicht weitergehen.

Der verantwortliche Polizeidirektor der Stadt Bern ist freisinnig.

Ich nehme ihn nicht in Schutz, er hat grosse Fehler gemacht: Von einer Seite verlangt man alle Bewilligungen mit Papierkrieg und Sitzungen, der andern gibt man öffentlich bekannt, man toleriere ihre unbewilligte Gegendemonstration. Herr Hügli hat in einer Exekutive nichts mehr zu suchen.

Die SVP hat Rechtsextreme in ihren Reihen toleriert.

Es gab offenbar leider einzelne. Wir wollen diese Leute nicht, und wir haben sie nicht toleriert. Hätte einer irgendein rechtsextremistisches Handzeichen gemacht oder eine solche Flagge gezeigt, dann wären diese ungebetenen Leute weggeräumt worden. Das ist genau das, was die Linken nicht machen.

Sie hätten die Leute heimschicken können.

Es gab keine Zugangskontrolle, und wir haben sie ja nicht gekannt, sie haben niemandem ein Haar gekrümmt, es war unsererseits überhaupt eine total friedliche Demonstration.

Vielleicht hätte die SVP nicht provozieren sollen.

Das ist mehr als billig. Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht gehören zu den höchsten Gütern. Wenn man sie nicht mehr ausüben darf, obwohl Bewilligungen vorlagen, frage ich mich, vor wem wir kapitulieren ? vor den Chaoten, die in Bern alles zusammenschlagen? Vor einer links-grünen Regierung, die ihren Laden nicht im Griff hat? Das kann doch nicht sein.

Welche Konsequenzen ziehen Sie politisch aus dem SVP-Wahlsieg?

Die Wähler haben uns einen Auftrag gegeben, sie goutieren unsere Politik. Wir müssen so weitermachen und dürfen nicht einfach klein beigeben, nur weil der Wind einmal von der andern Seite weht.

Ueli Maurer hat am Wahlabend die Idee aufgenommen, drei Bundesräte, Leuenberger, Schmid und Couchepin, zu ersetzen.

Bitte vollständig: Er hat eine Idee von Fulvio Pelli aufgenommen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die SVP auf die sehr schlecht geführten Departemente Couchepin und Leuenberger Einfluss nehmen möchte. Aber uns allen ist klar, dass Bundesräte dann zurücktreten, wenn es ihnen passt.

Stehen Sie hinter Bundesrat Schmid?

Das ist von mir nie anders kommuniziert worden. Wenn gewisse Zeitungen etwas anderes schreiben, muss ich damit leben.

Aber über Frau Calmy-Rey haben Sie gesagt, man sollte sie durch eine verlässlichere Person ersetzen.

Dazu stehe ich nach wie vor. Aber ich befürworte, wie die Fraktion und die Delegiertenversammlung, die Konkordanz. Klar ist aber auch, dass wir, wenn Schmid oder Blocher nicht gewählt werden, in die Opposition gehen.

Wählen Sie Frau Calmy-Rey?

Wir werden die Kandidaten der SP wählen. Ich akzeptiere die Spielregeln der Konkordanz.

Sie gelten als einer der Statthalter des Blocher-Kurses im Staate Bern. Zu Recht?

Nein, ich bin Amstutz, das war ich schon im Gemeinderat, im Grossen Rat und jetzt im Nationalrat. Wenn sich das, was ich seit Jahren mache, mit der Politik von Blocher deckt, ist mir das nur recht. Blocher ist der beste Bundesrat, deshalb wollen ihn SP und Grüne abschiessen.

Da gibt es auch andere Einschätzungen, und einen gewissen Gegensatz zwischen der Berner und Zürcher SVP gibt es auch.

Das ist Mumpitz. Es war einmal gang und gäbe, dass man in der SVP Bern das Gegenteil von dem behauptet hat, was die SVP Zürich sagte. Mit diesem Kurs sind wir in diesem Kanton gnadenlos abgestürzt.

Und wieso hatten Sie jetzt Erfolg?

Weil die schweizerische Politik im Kanton Bern gegriffen hat.

Sie waren langjähriger Präsident des Verbandes bernischer Gemeinden. Wie steht es um den Stadt-Land-Gegensatz im Kanton Bern?

Es gibt ihn vor allem in der Umsetzung von Gesetzen. Insbesondere in den Land- und Bergregionen werden wir immer mehr majorisiert. Gesetze, zum Beispiel im Naturschutz, werden statt mit Vernunft mit schikanöser Bürokratie umgesetzt. Nehmen wir das Thema Moorschutz. Irgendwann ist das Fuder überladen. Das geht nicht mehr lange so weiter, sonst werden demnächst Leute aus den Randregionen in Bern demonstrieren.

Hat der Stadt-Land-Gegensatz auch damit zu tun, dass viele Städte rot-grün regiert sind?

Das ist ganz klar. Da kommt eine Arroganz zum Ausdruck. Wenn die bürgerliche Mehrheit in diesem Kanton oder auf nationaler Ebene jemals so regiert hätte,wäre der soziale Frieden schon lange dahin.

Das Geld wird in den Städten verdient, das Land lebt von der Stadt.

In diesem Krieg gibt es nur Verlierer. Wir brauchen eine starke Wirtschaft. Die grosse Wertschöpfung findet in den Zentren und Agglomerationen statt. Aber gegenseitig braucht es Verständnis und Akzeptanz. Die Land- und Bergbevölkerung braucht ebenfalls wirtschaftliche Möglichkeiten. Wir sind nicht die Indianer des Kantons. Man kann nicht die Bergbevölkerung so plagen, bis sie in die Stadt zieht und dort zu Sozialfällen wird.

Für Berggebiete ist die Lex Koller, die den Wohnungsbesitz von Ausländern einschränkt, besonders wichtig. Sind Sie für die Aufhebung?

Würde ich nur aufs Portemonnaie schauen, müsste ich für die Aufhebung sein, ich lebe vom Bauen. Aber das wäre verantwortungslos. Wenn kein griffiger Gegenvorschlag des Parlaments kommt, bin ich dagegen. Hier in Sigriswil dürfen keine reinen Ferienhäuser mehr gebaut werden, und das ist gut so.

Sie leben schon zu einem grossen Teil von der Politik.

Das ist so, wenn man Nationalrat ist. Ich arbeite noch etwa zu 50 Prozent für unsere Firma.

Jetzt wird ein Posten frei, bei dem Sie sich ganz der Politik widmen könnten, Regierungsrat.

Solange man mit dem Amt kein Ziel, verbunden mit einem klaren Auftrag, definiert, solange die Parteispitze das Prinzip Jekami verfolgt, hat Amstutz kein Interesse. Aber ich werde mir das übers Wochenende noch einmal überlegen. Auf nationaler Ebene haben wir Erfolg, weil Wählerinnen und Wähler genau wissen, was man von uns erwarten kann. In Bern ist man zu lieb. Politiker sind nicht dazu da, lieb zu sein, dafür gibt es andere Institutionen.

Sind Sie nicht auch zurückhaltend mit Regierungsratsambitionen, weil Sie nach Höherem streben? Wenn Bundesrat Schmid aufhört, braucht es einen Berner.

Nicht einmal zu mir selber habe ich gesagt, ich möchte Bundesrat werden. Vor einem Jahr habe ich eine Schwester verloren, mir ist klar geworden, dass man die persönliche Zukunft nicht auf Jahre hinaus planen sollte. Wenn die Gesundheit stimmt, wenn zum Zeitpunkt X mein Typ gesucht ist, würde ich mir das überlegen. Aber hören wir mit Spekulationen auf, die ich ins Reich des Blödsinns verdammen muss.

ADRIAN AMSTUTZ

Adrian Amstutz, Jahrgang 1953, ist in Schwanden ob Sigriswil geboren und aufgewachsen. Nach den Berufslehren als Maurer und Hochbauzeichner bildete er sich zum Hochbaupolier weiter. Er arbeitete selbständig als Planer und Bauleiter, gründete dann mit Partnern die heutige Firma Amstutz, Birri und Aplanalp AG. Von 1993 bis 1998 war er Gemeinderatspräsident von Sigriswil. 1998 wurde er in den Grossen Rat gewählt, 2003 in den Nationalrat. Adrian Amstutz ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er lebt in Schwanden ob Sigriswil.