Österreichs Mühen mit dem Hitler-Haus

Neue Zürcher Zeitung: Die Republik sucht seit Jahren eine neue Nutzung für das Geburtshaus des Diktators in Braunau

Adolf Hitlers Geburtshaus ist für Braunau ein schweres Erbe. Seit 40 Jahren mietet es der Staat, die Eigentümerin hintertreibt aber eine sinnvolle Nutzung. Nun droht ihr die Enteignung.

Es ist zweifellos die bekannteste Adresse im oberösterreichischen Städtchen Braunau, das unmittelbar an Deutschland grenzend am Inn liegt. Das gelb getünchte Haus an der Salzburger Vorstadt 15 wirkt heruntergekommen, immer wieder machen sich Souvenirjäger am Verputz zu schaffen. Sonst erinnert nichts an die Geschichte des Gebäudes, in dem im April 1889 Adolf Hitler zur Welt kam. Dass die Initialen «MB» im gusseisernen Zierrat über dem Eingangsportal für dessen Sekretär Martin Bormann stehen, muss man wissen. Immerhin steht seit 25 Jahren auf dem Trottoir vor dem Haus ein Stein aus dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen mit einer Inschrift, die an die Millionen von Toten erinnert. Der Name des Diktators oder warum gerade hier der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird, geht aus ihr nicht hervor.

Eine Pilgerstätte für Neonazis

Dieser fast verschämte Hinweis widerspiegelt die jahrzehntelangen Mühen der Republik Österreich im Umgang mit der belasteten Geschichte dieses Orts, zu denen die Eigentümerin des Hauses wesentlich beiträgt. So verhinderte sie 1983 gerichtlich, dass an der Fassade eine Gedenktafel angebracht wird. Dass das Gebäude seit 2011 leer steht, ist ebenfalls auf ihre Starrsinnigkeit zurückzuführen. Zuvor war darin viele Jahre lang die Behindertenorganisation «Lebenshilfe» untergebracht. Doch für deren Verbleib wären Umbauarbeiten und die Sanierung des baufälligen Innern notwendig gewesen, was die Eigentümerin verweigerte.

Hitler verbrachte nur seine ersten drei Lebensjahre in Braunau, danach zogen seine Eltern nach Passau. Obwohl Oberösterreich nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 als «Heimatgau des Führers» eine besondere Stellung erhielt, schien dieser keine spezielle Bindung zu seinem Geburtsort zu verspüren. Vielmehr schätzte er die gut hundert Kilometer östlich gelegene Stadt Linz, wo er seine Jugend verbracht hatte und das als eine von insgesamt sechs «Führerstädten» zum «deutschen Budapest» werden sollte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Geburtshaus für Neonazis und Hitler-Nostalgiker eine Pilgerstätte ist. Insbesondere am Geburtstag des Diktators im April besuchen sie die Stadt, im vergangenen Jahr wurde an diesem Tag der Gedenkstein beschmiert und ein Deutscher angezeigt, der die Hand ausgestreckt und «Heil Hitler!» gerufen hatte.

Aus diesem Grund mietet die Republik das Haus, das seit 1912 im Besitz der Familie Pommer ist. Obwohl die nationalsozialistische Partei in Österreich verboten war, betrieb diese in den dreissiger Jahren einen Hitler-Kult in den Räumlichkeiten, wie das Magazin «Profil» kürzlich berichtete. Das Gasthaus, das die Pommers führten, wurde früh zu einem Treffpunkt von Nationalsozialisten, und 1936 wurde das Geburtszimmer des Diktators zu einem kleinen Museum umgewandelt. Nach der Machtübernahme der Nazis in Österreich kaufte Martin Bormann das Haus im Auftrag der NSDAP zu Propagandazwecken und zahlte dafür einen massiv überhöhten Preis. Es wurde zu einem Kulturzentrum umgebaut. Nach dem Krieg fiel das Haus kurzzeitig an die Gemeinde, doch die Witwe Pommer – die Grossmutter der jetzigen Eigentümerin – klagte erfolgreich auf Rücküberstellung. Sie führte ins Feld, die Familie habe nie mit den Nazis sympathisiert und diese hätten den Kauf erzwungen. Dass sie das Haus für eine im Vergleich zum erhaltenen Kaufpreis geringe Zahlung 1954 zurückerhielt, erscheint fragwürdig, wie das «Profil» schreibt.

Zunächst mietete die Gemeinde Braunau die Räumlichkeiten und brachte darin Schulklassen, dann eine Bibliothek und eine Bank unter. Hartnäckig hielten sich jedoch Gerüchte, Nazi-Nostalgiker könnten das Haus erwerben, worauf Österreichs Innenministerium 1972 die Hauptmiete übernahm. Schon damals hätten sich die Verhandlungen mit der Familie Pommer schwierig gestaltet, zitiert das «Profil» aus einem Gerichtsentscheid.

Unpraktikable Ideen

Mit der «Lebenshilfe» konnte noch in den siebziger Jahren eine für alle zufriedenstellende Lösung für die Untermiete gefunden werden, doch nun herrscht seit bald vier Jahren Ratlosigkeit in Wien. 4800 Euro überweist der Staat monatlich an Pommer, die nicht nur grössere Umbauarbeiten, sondern auch Konzepte mit historischem Bezug untersagt. Aus diesem Grund lehnt sie das seit Jahren vorliegende Projekt eines Historikers ab, der ein «Haus der Verantwortung» als Begegnungsstätte für junge Menschen vorschlägt. 2012 gab der Bürgermeister Braunaus den Plan bekannt, das Haus als Wohngebäude zu nutzen. Sofort wurden im In- und Ausland jedoch Zweifel an der Gesinnung möglicher Mieter laut. Nicht umsetzbar war auch die wenig später geäusserte Idee eines russischen Politikers, das Haus zu kaufen und abreissen zu lassen – schon deshalb, weil das aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäudeensemble an zentraler Lage unter Denkmalschutz steht. Vor zwei Jahren zeichnete sich eine Lösung mit der Organisation «Volkshilfe» und der Volkshochschule ab, doch im Herbst scheiterte auch diese am Renovationsbedarf.

Das letzte Mittel

Nun scheint die Republik die Geduld zu verlieren. Wie die Zeitung «Kurier» letzte Woche berichtete, legte das Innenministerium der Eigentümerin im Dezember erneut ein Kaufangebot vor, nachdem die Räumlichkeiten erfolglos allen anderen Ressorts, der Gemeinde und dem Bundesland Oberösterreich zur Nutzung angeboten worden waren. Allerdings will der Staat das Haus nur zum Verkehrswert übernehmen, was Pommer in der Vergangenheit wenig überraschend ablehnte, profitiert sie doch erheblich vom bestehenden Mietverhältnis. Sollte die 65-Jährige, die die Öffentlichkeit scheut und selbst an ihrem Wohnort Braunau kaum bekannt ist, nicht einwilligen, steht sogar eine Enteignung im Raum. Das Innenministerium hat den Verfassungsdienst mit entsprechenden juristischen Abklärungen betraut, wie ein Sprecher dem «Kurier» sagte. Es sei das letzte Mittel, erklärte er weiter. Das Gutachten soll Ende Monat vorliegen.