Interview mit Helen Stehli Pfister, Produzentin der DOK – Reihe «Kriminalfälle – Schweizer Verbrechen im Visier».

 20 Minuten


Wie genau werden die Fälle nachgestellt? 

Die Filme werden zum grössten Teil neu gedreht, wir verwenden neues Interviewmaterial mit 

Betroffenen – Angehörigen der Opfer, Ermittlern, Anwälten der Täter. Die Verbrechen werden 

nicht mit Schauspielern fiktional nachgestellt. Wir arbeiten mit Symbolbildern und verwenden 

Archivmaterial. Am wichtigsten ist uns, nicht reisserisch an die Themen heranzugehen. 

Menschen, die in so tragische Verbrechen involviert waren, würden nicht bei einem Filmprojekt 

mitmachen, wenn sie kein Vertrauen zu den Journalisten hätten. Das bedingt von Seiten der 

Dokumentarfilmerinnen und –filmer sehr genaue Recherchen, grösste Vorsicht, Feingefühl und 

Diskretion. In der ganzen Serie greift zudem Strafrechtsprofessor Christian Schwarzenegger 

juristische Fragen auf, die von allgemeinem Interesse sind. 

 

Warum serviert das Schweizer Fernsehen dem Publikum im Sommer so schwere Kost? Es ist bereits 

das vierte Mal, dass das Schweizer Fernsehen (SF DOK) im Sommerprogramm eine Serie über 

Kriminalfälle im Programm hat. 

Am Anfang stand die Überzeugung der Redaktion, dass Dokumentarfilme über Schweizer 

Verbrechen ein breites Publikum ansprechen dürften. Die guten Einschaltquoten und die – trotz 

der aufwühlenden Themen – positiven Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer haben 

uns recht gegeben. 

Nach welchen Kriterien wurden die verfilmten Fälle ausgewählt? 

Wir haben Verbrechen gewählt, die es ermöglichen, den Zuschauern die verschiedenen 

Elemente, Facetten und Fragen eines Kriminalfalles zu vermitteln, um ihm entweder eine eigene 

Beurteilung zu ermöglichen oder ihn mit einem Fragezeichen zurückzulassen. Ziel ist es, eine 

Einsicht zu gewähren, die über den einzelnen Fall hinaus geht; die Frage zu beantworten, was 

einen Menschen in die Situation bringt, ein auf den ersten Blick so unerklärliches Verbrechen zu 

begehen. Beispielsweise beim «Todespfleger aus der Innerschweiz» stellt sich die Frage, 

welche Rolle die gesellschaftlichen Umstände oder die Situation in den Pflegeheimen da 

gespielt haben. Oder beim Auftaktfilm über den Mord in Unterseen («Die Rache der arischen 

Ritter») fragt der Autor, wie vier junge Menschen im idyllischen Berner Oberländer Bödeli für 

rechtsextremes Gedankengut empfänglich werden konnten. Und wie diese rechte Gesinnung 

schliesslich zum Mord an einem Kollegen führen konnte. 

Gibt es keine Proteste von Angehörigen gegen die Verfilmung der Fälle? 

Nein, im Gegenteil. Das zeigt auch die Tatsache, wie viele Verwandte und enge Freunde von 

Opfern in den DOK-Filmen Auskunft geben. Einige von ihnen haben vorher nach gar nie mit den 

Medien geredet. Für mich ist das ganz klar ein Beweis dafür, dass die Filmerinnen und Filmer 

sensibel und verantwortungsbewusst an die heiklen Themen herangehen. Nur so kann ein 

Vertrauensverhältnis zwischen den Journalisten und den Betroffenen entstehen. Ohne wären 

unsere Filme gar nicht möglich.