Norient goes Death Metal

Der Bund vom 13.01.2013

Wie es dazu kam, dass im hohen Norden in den 90ern plötzlich so viele Kirchen brannten, zeigt eine Doku des Norient Musikfilm Festival im Kino der Reitschule.

Von Gisela Feuz (publiziert am Sat, 12 Jan 2013 09:05:16 +0000)

«Die chöme aui viu z’guet wäg», grummelte gestern der Fachmann zur Rechten am Ende des Films. Die Rede war von den Protagonisten in «Until the Light takes us», eine Dokumentation des amerikanischen Regisseuren-Teams Aaron Aites und Audrey Ewell, die sich mit der Black-Metal-Szene der 90er Jahre in Norwegen auseinandersetzt und wie es dazu kam, dass im hohen Norden plötzlich so viele Kirchen brannten. Gezeigt wurde dieses einigermassen erschütternde und verstörende Portrait gestern im Rahmen des Norient Musikfilm Festival im Kino der Reitschule.

Ja, sie hätten in ihrem Film explizit nicht Stellung beziehen wollen, erklärte das Regisseuren-Team im Anschluss an den Film, sondern die zum Teil ungeheuerlichen und hanebüchenen Aussagen für sich sprechen lassen wollen. Das tun sie. Wenn Varg «Count Grishnackh» Vikernes (Sänger von Burzum, bekennender Rassist, wegen Mord und Brandstiftung zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt) ein rechtsextrem ausgelegtes Neuheidentum propagiert und mit stoischer Gleichgültigkeit schildert, wie er einen anderen Exponenten der Black-Metal-Szene tötete, dann braucht man tatsächlich keinen Fingerzeig um zu realisieren, dass da etwas sehr fest verkehrt ist. «Until the Light takes us» zeigt, wie es unter der Oberfläche einer friedlichen, zvilisierten und gut funktionierenden Wohlfahrtsgesellschaft brodelt. Der norwegische Death Metal der 90er-Jahre kreierte bewusst eine Ästhetik des Trostlosen und Brutalen, um dem empfundenen Terror, welcher die Eintönigkeit und Glattheit des Alltages auszulösen vermochte, einen klanglichen Terror entgegenzusetzen. Zudem zeigt die Dokumentation, dass Death Metal als einheitliches Gebilde nicht existiert, sondern dass sich innerhalb dieses Sammelbeckens Menschen mit unterschiedlichsten Auffassungen und Einstellungen finden. Gemeinsam war den norwegischen Death Metallern der 90er-Jahre höchsten das Bedürfnis bzw. die Dringlichkeit, ihrer gesellschaftlichen Entfremdung einen musikalischen Ausdruck zu verleihen. Ein Unterfangen, dem man durchaus Sympathie zollen mag. Die Heiliggeistkirche hat man dann aber auf dem Heimweg trotzdem nicht abgefackelt. «Until the Light takes us» wird heute Nachmittag um 16h noch einmal gezeigt. Weiter sind im Rahmen von Norient heute um 20h Little-Big  von Yassen Grigorov und um 22:30h ein Portrait über die «Sissy-Bounce-Queen» Big Freedia zu sehen. Alle Filme werden im Kino der Reitschule gezeigt.