Neue Details zur Amokfahrt des Schweizer Neonazis am Lago Maggiore. Schweizer machte regelrecht Jagd auf Autofahrer.

Blick. Am frühen Samstagabend verbreitet ein 31-Jähriger bei Arona (I) Angst und Schrecken. Wie von Sinnen lenkte er sein Fahrzeug gegen andere Autos, richtete das geladene Gewehr auf Menschen. Wer ist der irre Amokfahrer? Blick ging der Frage nach.

Der Einsatz sei verdammt gefährlich gewesen, sagt Giorgio Santacroce (54), «glücklicherweise ging er glimpflich aus». Auch dank der Besonnenheit seiner Patrouille. «Denn», so sagte der Oberstleutnant der Carabinieri von Verbania (I), zu Blick: «Es hätte auch Tote geben können.»

Der Spuk beginnt am frühen Samstagabend. Es ist kurz nach 18 Uhr nahe Arona (I). Ein schwarzer VW mit Schweizer Kennzeichen rast über die Seeuferstrasse. Am Steuer sitzt Günther S.* (31). Er ist kein Tourist, der das Wochenende am Lago Maggiore geniessen will. Der Mann hat anderes vor.

Der Thurgauer verfolgt ahnungslose Autofahrer auf der Strasse. Er fährt ihnen ans Heck auf, versucht, sie mit seinem PKW von der Fahrbahn zu drängen. Immer wieder touchiert er die Autos. 15 Fahrzeuge werden beschädigt. Vier Personen erleiden während der mörderischen Karambolage leichte Verletzungen. «Der Mann hat gezielt Jagd auf Autofahrer gemacht», sagt Santacroce.

Günther S. bedroht auch die Carabinieri mit dem Gewehr

Bei Meina (I) lenkt Günther S. den Golf auf eine Tankstelle. Er zieht sich das T-Shirt aus, greift nach dem Karabiner der Marke Schmidt Rubin K31, steckt dem alten Schweizer Militärgewehr ein Bajonett auf. Die Überwachungskamera zeichnet auf, wie der Mann das Gewehr auf Autofahrer und Passanten hält. Dann rast er weiter – bis er bei Baveno (I) die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und es gegen eine Leitplanke setzt.

«Als unsere Beamten den Schweizer festnehmen wollten, bedrohte er sie mit der geladenen Waffe», erzählt Giorgio Santacroce weiter. Auch die Carabinieri richten ihre Pistolen gegen den Amokfahrer. Die Situation wird brenzlig. Schliesslich wirft Günther S. das Gewehr zu Boden, fällt auf die Knie. Es ist etwa 20 Uhr, als der Mann verhaftet wird. Offenbar stand Günther S. unter starkem Drogeneinfluss.

Im Auto finden die Polizisten ein Banner mit Reichsadler und Hakenkreuz, 45 Patronen des Kalibers 223 und weitere Nummernschilder mit Schweizer Kennzeichen. Schnell ist klar: Der Neonazi ist bei den Schweizer Behörden aktenkundig und mehrfach vorbestraft. Das Fahrzeug gehört ihm nicht, die Kennzeichen wurden als gestohlen gemeldet. Die Italiener informieren die Thurgauer Kollegen.

«Günther galt schon immer als Kummerkind»

Die Thurgauer Polizei nimmt sofort die Ermittlungen auf. «Aufgrund der Informationen aus Italien hat die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen ein Strafverfahren gegen den 31-jährigen Schweizer eingeleitet», heisst es auf Anfrage von Blick. «Dazu können wir auch den Zusammenhang zwischen dem Fall und den Polizeieinsätzen im Kanton Thurgau zwischen Samstag und Montag bestätigen.»

Am Montagnachmittag fanden Hausdurchsuchungen statt. «Wir erhoffen uns, an den Orten Hinweise darauf zu finden, was sich am Samstag in Italien zugetragen hat. Es gilt jetzt vor allem, die Herkunft der Waffen und der Munition zu klären. Ebenfalls untersuchen wir die Herkunft der mutmasslich gestohlenen Kontrollschilder. Wir wollen natürlich auch herausfinden, was der Plan des 31-jährigen Schweizers war», so der stellvertretende Oberstaatsanwalt Patrick Müller.

Die Nachricht vom Lago Maggiore erreicht auch die Nachbarn des durchgedrehten Thurgauers. «Günther galt schon immer als Kummerkind. Seine Grossmutter machte sich Sorgen um ihn und schickte ihn in psychologische Behandlung», sagt eine Anwohnerin zu Blick. Von der rechtsextremistischen Gesinnung habe sie aber nichts gewusst.

*Name geändert