Nazi-Rockband spielte unter «Courage»-Flaggen

BernerRundschau

Nazi-Rockband spielte unter «Courage»-Flaggen

Burgdorf «Indiziert» hält ein bewilligtes Konzert mitten in der Stadt ab, was zu unwirschen Reaktionen führt

Am Samstag hat die Nazi-Rockband Indiziert mitten in Burgdorf gespielt. Dass es sich um Rechtsextreme handelt, will man beim Spiel- und Freizeitclub Graben nicht gewusst haben.

Beat Waldmeier

Es mutet für einige Burgdorfer wie ein Hohn an, dass praktisch unter den Flaggen von «Courage», der Aktion gegen Gewalt, die Nazi-Rockband Indiziert ein Konzert abhalten konnte. Am Samstagabend spielte die Band, deren erste CD «Eidgenössischer Widerstand» in Deutschland nicht verkauft oder beworben werden darf, im Grabenkeller, den sie vom Spiel- und Freizeitclub Grabenkeller gemietet hatte. Mit bei der Band, die vor einem Monat in Roggwil ein unbewilligtes Konzert in ihrem damaligen Probelokal gegeben hatte, sind die beiden Burgdorfer Gebrüder Rohrbach.

Dabei ist im Vorfeld alles legal abgelaufen: Der Spiel- und Freizeitclub Grabenkeller ersuchte am Mittwochnachmittag um eine Bewilligung für ein Konzert, ohne anzugeben, wer aufzutreten gedenkt. Das Regierungsstatthalteramt genehmigte auf Antrag der Polizeiverwaltung den Anlass.

Anonyme Hinweise

Am späteren Samstagnachmittag allerdings erfuhren die Burgdorfer Stadtbehörden die Details. Und zwar gründlich: Anonyme Anrufer aus der linken Szene informierten. «Dauernd anonyme Telefone, sogar Drohungen waren darunter», beklagt sich Stadtpräsident Franz Haldimann (SVP). Burgdorfs Polizeichef Paul Moser war ebenfalls Adressat. «Es sei Zeit, Courage zu beweisen», habe ihm der Anrufer gesagt. Auch bei Johanna Wälti, Grossrätin und Präsidentin der GFL, läutete das Telefon. Sie informierte Gemeinderat Peter Urech (FDP) und wurde auch sonst aktiv. «Ich habe mich erfolgreich eingesetzt, dass die Gegner dieses Konzerts nicht nach Burgdorf kommen.»

Ein Plakat am Eingang zum Konzertlokal wies Wälti und Urech auf den Gratisanlass hin. Der Gang zur Stadtpolizei brachte an den Tag, dass der Anlass bewilligt war. In der Folge sprachen Urech (als Vertreter des Gemeinderates), Moser und ein Polizist mit Widmer und wiesen ihn darauf hin, dass man keine Unannehmlichkeiten wolle. Den Anlass verbieten sei weder für Moser noch für Urech ein Thema gewesen, da bereits alles organisiert worden sei. So habe der Anlass seinen Lauf genommen und sei auch friedlich verlaufen. «Wir haben keine Notenblätter verlangt», erklärt Moser zum Inhalt der «Indiziert»-Lieder, aber die Polizei angewiesen, vermehrt zu patrouillieren.

«Friedlich und super»

Der Organisator fiel aus allen Wolken, weil er keine Ahnung gehabt habe, wer da in seinem Lokal ein Konzert veranstalten wollte. «Wenn ich es vorher gewusst hätte, hätte ich kaum zugesagt», sagt er. Es sei ihm mulmig geworden, als er davon erfuhr. Im Nachhinein ist ihm aber einiges wohler. «Der Anlass verlief absolut friedlich und super», berichtet Widmer, der selber Musiker ist. Die etwa 30 bis 50 Gäste seien nicht in Springerstiefeln oder anderer rechtsextremer Aufmachung aufgetreten, und Sprüche seien keine gemacht worden. Das Konzert «mit guter Musik» sei um 24 Uhr fertig gewesen. Laut Widmer sind noch andere Musiker da gewesen, man habe eine Jam-Session gemacht, wie das im Lokal ab und zu passiere. Der Spiel- und Freizeitclub mit seinen 50 Mitgliedern organisiere verschiedentlich Konzerte. «Die politische Einstellung der Musiker interessiert mich nicht», erklärt er.

Praxis ändern?

Etwas zerknirscht gibt man sich bei der Stadt. Vielleicht müsse man die Bewilligungspraxis ändern, meint Moser. Auf der anderen Seite wolle man nicht zu bürokratisch sein. Von der liberalen Bewilligungspraxis hätten am Samstag vor einer Woche auch Junge profitiert, die mit einem Demonstrationsumzug mehr Jugendraum gefordert hatten und die um ihre Bewilligung erst am Freitagnachmittag nachsuchten. Man gehe von der positiven Annahme aus, wolle aber daraus lernen. Beispielsweise mit einer Abänderung des Bewilligungsformulars.

Als «sehr naiv» bezeichnet Wälti das Verhalten der Stadtbehörden gerade so kurz vor der Solätte. Die Solätte war in der Vergangenheit mehr als einmal Schauplatz von tätlichen Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen mit Fortsetzung vor Gericht, was ebenfalls Grund zur Aktion «Courage» gegen Gewalt war.