Nach Schwarzem gesucht: Polizei wehrt sich gegen Kritik nach Attacke am St.Galler Weihnachtsmarkt

St.Galler Tagblatt.

Hat die St.Galler Kantonspolizei nach dem Angriff auf einen 84-Jährigen am Weihnachtsmarkt rassistische Ressentiments geschürt und Vorurteile bedient? Die Polizei winkt ab – und erklärt, weshalb sie die Hautfarbe von Gesuchten in gewissen Fällen erwähnt.

Der Vorfall schlug hohe Wellen: Am 23. Dezember wurde ein 84-jähriger Mann beim St.Galler Weihnachtsmarkt brutal angegriffen. Ein Unbekannter stiess den Senior zu Boden, hob ihn wieder hoch und liess ihn erneut zu Boden fallen. Das Opfer trug schwere Kopfverletzungen davon, der Angreifer flüchtete.

Nun sieht sich die St.Galler Kantonspolizei mit Kritik konfrontiert: Sie hatte in ihrer ersten Meldung zum Vorfall mit Verweis auf Zeugen geschrieben, der Gesuchte sei ein «schwarzhäutiger Mann mit kurzen, schwarzen Haaren».

Tage nach der Aggression stellte sich der mutmassliche Angreifer dann – es war ein 46-jähriger Schweizer, wie die Polizei bekanntgab. Prompt folgten in Leserbriefspalten und in den Sozialen Medien Vorwürfe an die Adresse der Polizei: Mit der Nennung der schwarzen Hautfarbe in der ersten Meldung habe man Schwarze unter Generalverdacht gestellt. «Hauptsache hetzen!», hiess es in einem Kommentar beispielsweise.

«Auch ein Schweizer kann schwarzhäutig sein»

Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der St.Galler Kantonspolizei, weist die Kritik an der Nennung der Hautfarbe des Angreifers zurück. Die Beschreibung von Augenzeugen habe sich letztlich als korrekt erwiesen, betont er und fügt an:

«Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, in der auch ein hiesiger Staatsbürger schwarzhäutig sein kann.»

Nicht nachvollziehen kann er auch den Vorwurf, die Nennung der Hautfarbe habe rassistische Ressentiments geschürt sowie das Vorurteil bedient, beim Gesuchten handle es sich sicherlich um einen Asylbewerber. «Insbesondere in den sozialen Medien ergeben sich teilweise die wildesten Diskussionen – darauf haben wir allerdings keinen Einfluss», sagt Rezzoli. Die Polizei könne immer nur das kommunizieren, was sie zum jeweiligen Zeitpunkt wisse. Dass der Angreifer Schweizer sei, habe sie erst mitteilen können, als sich der Mann Tage nach der Tat gestellt habe.

Tattoo, Brille – oder die dunkle Hautfarbe

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Hautfarbe von Menschen Eingang in Polizeicommuniqués findet? «Zeugenaufrufe ergeben dann einen Sinn, wenn wir genügend Hinweise zu einer gesuchten Person haben», antwortet Gian Andrea Rezzoli. Eine rote Hose, die jemand zum Tatzeitpunkt getragen habe, könne ein entsprechendes Merkmal sein, genauso ein Tattoo oder ein Bart – oder eben auch die dunkle Hautfarbe, die Augenzeugen auffallen könne.

Rassismus sieht Rezzoli darin nicht. Es sei durchaus denkbar, dass in gewissen Fällen auch die Erwähnung «helle Hautfarbe» Eingang in eine Polizeimeldung finden könne, hält er fest.

«Alle Ermittlungsansätze möglichst ausschöpfen»

Wie gehen andere Polizeikorps aus der Ostschweiz mit der Hautfarbe von Gesuchten um? Mario Christen, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau, hält fest, es gehe darum, alle Ermittlungsansätze möglichst auszuschöpfen, um den Täterkreis einzuengen. Auch er nennt Merkmale wie Tattoos, Brillen oder eben die Hautfarbe als Punkte, die Eingang in eine Polizeimeldung finden können. Trägt jemand keinen Bart beziehungsweise hat er kein Tattoo, findet dies hingegen keinen Eingang ins Polizeicommuniqué – genauso wenig wie die Erwähnung, dass jemand von weisser Hautfarbe ist. Christen begründet dies wie folgt:

«Es ist eine Tatsache, dass in unseren Breitengraden die Mehrheit der Bevölkerung hellhäutig ist. Eine dunkle Hautfarbe kann deshalb bei Fahndungen als besonders sichtbares Erkennungsmerkmal genannt werden.»

Es gehe hierbei um eine Spezifizierung, so Christen.

Die Ausserrhoder Kantonspolizei hat laut Sprecher Anton Sonderegger noch nie auf die Hautfarbe eines Gesuchten verwiesen. «Wir könnten uns dies aber vorstellen – bei schweren Delikten, die von öffentlichem Interesse sind, beziehungsweise einer entsprechenden Fallrelevanz», so Sonderegger. Die Ausserrhoder Kantonspolizei sei sich allerdings der Gefahren solcher Erwähnungen bewusst, da sofort gewisse Dinge damit assoziiert würden.

Grünes Licht von der Rassismus-Kommission

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus sieht keinen Anlass, sich zum konkreten Fall in St.Gallen zu äussern, wie sie auf Anfrage erklärt. Grundsätzlich hält sie fest, dass die Nennung von äusseren Merkmalen wie beispielsweise der Hautfarbe notwendig sei, wenn nach einer verdächtigen Person gefahndet werde.

Anders beurteilt die Kommission die systematische Nennung von Nationalitäten in Polizeimeldungen, die keinen Fahndungsaufruf beinhalten. Dies deshalb, weil so Vorurteile gegenüber gewissen Gruppen geschürt und vertieft werden könnten. Es gebe aber natürlich Fälle, in denen die Nationalität des Täters oder der Täterin eine Rolle spiele und für das Verständnis der Straftat wichtig sei. «In diesen Einzelfällen kann eine Kommunikation der Nationalität gerechtfertigt sein», schreibt die Kommission.

In der Ostschweiz geben die Polizeikorps die Nationalität von in Straftaten oder Verkehrsdelikte involvierten Personen grundsätzlich bekannt, insbesondere bei schweren Vergehen.