Munition von Jungschützen

Der Bund

BERN / Die Munition, mit der von Rechtsextremen auf die Liegenschaft Solter-Polter geschossen wurde, hat ein Jungschütze beschafft.

sbü. Nicht bloss einer, sondern zwei Männer haben am 10. Juli mit Sturmgewehren und Kriegsmunition auf die von Linksaktivisten genutzte Liegenschaft «Solter-Polter» geschossen. Ein dritter, 19-jähriger Mann, hatte die beiden an den Tatort gefahren. Als Mitglied eines Jungschützenvereins hatte er Zugang zu Munition und Waffen: Er war es, der eines der Sturmgewehre und die Munition beschaffte – dies ergaben die polizeilichen Ermittlungen. Die drei Männer hatten Kontakte zur rechtsextremen Szene und befinden sich zurzeit in Untersuchungshaft. Sie sind geständig. Als Tatmotiv geben sie «Abneigung gegen Linke» an. Seit den Schüssen auf Solter-Polter gab es in Bern weitere Auseinandersetzungen zwischen Linksaktivisten und Rechtsextremen.


Rechtsextremer Jungschütze beschaffte die Munition

«SOLTER-POLTER» / Zwei Männer haben geschossen, einer agierte als Fahrer: Die Ermittlungen zur Schiesserei vom 10. Juli auf das Gebäude «Solter-Polter» in Bern sind weitgehend abgeschlossen. Dabei hat sich ergeben, dass aus zwei Sturmgewehren gefeuert wurde – und dass ein 19-Jähriger, der als Mitglied eines Jungschützenvereins Zugang zu Waffen und Munition hatte, die Munition beschaffte. Als Motiv geben die geständigen Männer ihre «Abneigung gegen Linke» an. Sie verkehrten in rechtsextremen Kreisen.

sbü. Mehrere Salven, über hundert Schüsse, haben die Täter am frühen Morgen des 10. Juli auf das Gebäude «Solter-Polter» abgefeuert. Das Haus wird von Linksaktivisten genutzt – und es grenzt an ein Wunder, dass niemand der sechs Personen, die damals dort übernachteten, verletzt wurde: Die aus Sturmgewehren abgegebene Kriegsmunition durchschlug das Tor, das Mauerwerk wies mehrere Dutzend Einschläge auf (der «Bund» berichtete).

Doch nun, bereits einen knappen Monat nach dem Anschlag, sind die Ermittlungen weitgehend abgeschlossen – drei Männer sitzen in Untersuchungshaft. «Die drei Berner sind geständig, die Tat verübt zu haben respektive daran beteiligt gewesen zu sein», schreiben Stadtpolizei und Untersuchungsrichteramt in einer Pressemitteilung. Inzwischen ist klar, dass der 22-jährige Mann, der noch am Tag der Schiesserei in Ittigen verhaftet wurde, und ein 20-Jähriger, dessen die Polizei am 13. Juli im Wallis habhaft wurde, mit zwei Sturmgewehren geschossen hatten. An der Tat beteiligt war weiter ein 19-Jähriger: Dieser fuhr die beiden Schützen mit dem Auto an den Tatort. «Zudem hatte er als Mitglied eines Jungschützenvereins Zugang zu Waffen und Munition und beschaffte sich unbefugt die Munition sowie eines der Gewehre, welches bei der Tat verwendet wurde», schreiben die Untersuchungsbehörden. Und weiter: «Die drei Männer, die sich im Umfeld der rechtsextremen Szene bewegen, geben an, ihre Tat aus Abneigung gegen Linke verübt zu haben.»
Wie Polizeisprecher Rolf Spycher gegenüber dem «Bund» präzisiert, seien die Männer «nicht einer Gruppierung zuzuordnen» – sie gehörten weder den Hammer-Skins noch sonst einer solchen Gruppe an. «Von der Überzeugung her identifizieren sie sich aber mit dem rechtsextremen Gedankengut», so Spycher, da seien sie «voll dabei».

Jungschützen sind erstaunt
Welchem Jungschützenverein der Munitionslieferant angehört, wollte die Polizei gestern nicht sagen. Klar ist aber, dass er dank seiner Mitgliedschaft in einem Schützenverein an die Kriegsmunition gekommen ist. Dies ist für Roland Zürcher, Jungschützen-Kreisleiter der Vereinigten Schützengesellschaften Bern (VSGB), schlicht «unerklärlich»: «Aus einem Jungschützenkurs Munition mitzunehmen ist bei uns fast nicht möglich» – da müsste ein Jungschützenleiter ein «rechter Laueri» sein. Denn nur die Jungschützenleiter hätten Zugang zur Munition und gäben sie bei jedem Schiessen den Jungschützen ab – maximal 24 Schuss aufs Mal. Zudem werde nach jedem Schiessen überprüft, ob die Jungschützen ihre Munition verschossen hätten, und über alles werde im Detail Buch geführt, so Zürcher: Zwischen der Zahl herausgegebener und verschossener Munition habe er «nie Differenzen gesehen».
Dass ein Jungschütze nun als Rechtsextremer Schlagzeilen macht, das will nicht recht ins Bild passen, das Zürcher von Jungschützen im Allgemeinen hat: Seines Wissens habe es im Umfeld der Jungschützen bisher nie Probleme mit Rechtsextremismus gegeben. Jungschützen seien Leute, «die Kontakt und Geselligkeit suchen; einige bereiten sich aufs Militär vor». Ja selbst politische Diskussionen, zum Beispiel beim Zusammensitzen in der Schützenstube, habe er «nicht festgestellt». Was die Munition betrifft, meint auch Hans Jost von der Schützengesellschaft Ostermundigen, es sei praktisch nicht möglich, «dass ein Jungschütze Munition kaufen kann». Möglich ist es hingegen für die erwachsenen Schützen: Sie können via Schützengesellschaft Munition kaufen, so viel sie wollen, «wie in einem Waffengeschäft». Was an einem Schiessanlass nicht gebraucht werde, könne nach Hause mitgenommen werden: «So viel Vertrauen haben wir zu unseren Schützen», sagt Jost.

Neue Zwischenfälle
sbü. Seit über einem Jahr berichtet der «Bund» regelmässig über die Zunahme von Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Linksaktivisten. Höhepunkt war die Schiesserei auf Solter-Polter. Doch seither ist es schon wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, wie Polizeisprecher Rolf Spycher bestätigt: Dabei handle es sich aber nicht um grössere «Keilereien» von Gruppen, sondern um Wortgefechte und Handgreiflichkeiten zwischen Einzelpersonen – «so etwas kommt ab und zu vor», so Spycher. Zudem habe der Polizei letztes Wochenende die Meldung vorgelegen, es seien «Skins» in der Stadt: «Obschon wir spezielles Augenmerk darauf gerichtet haben, konnten wir nichts feststellen.» Teilweise seien Auseinandersetzungen der Polizei nicht bekannt, «weil das die Leute untereinander regeln».