Minarett-Gegner unterliegen

OltenerTagblatt

Bundesgericht «Kritik am Verfahren vor Verwaltungsgericht ist unbegründet»

Der türkisch-kulturelle Verein kann auf seiner Liegenschaft in Wangen ein Minarett bauen. Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde zweier Anwohner abgewiesen, wie gestern bekannt wurde. Ihre Kritik am Verfahren sei unbegründet. Die baurechtliche Zulässigkeit des Aufbaus hat das höchste Schweizer Gericht gar nicht beurteilt.

Das Solothurner Verwaltungsgericht hatte im November 2006 dem Bau eines Minaretts von maximal 6 Metern Höhe auf dem Dach des türkischen Gemeinschaftszentrums in Wangen zugestimmt. Vor der letzten kantonalen Instanz waren die Zulässigkeit des Minarettaufbaus in der Gewerbezone, Bestimmungen über Gebäudehöhe, Eingliederung in die Umgebung (Ästhetik) und Einhaltung der Parkplatzvorschriften umstritten. Als die beiden Anwohner der Liegenschaft beim Bahnhof den Entscheid vor Bundesgericht weiterzogen, bemängelten sie nur noch verwaltungsgerichtliche Verfahren.

Neue Beweismittel?

In der Begründung seines Urteils, welches diese Zeitung gestern vom Anwalt der Beschwerdeführer erhielt, weist das Bundesgericht darauf hin, dass es im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde nur die geltend gemachten Rügen überprüfen dürfe. Und die Beschwerdeführer hätten keine materielle Verfassungsverletzung hinsichtlich der Anwendung des kantonalen Bau- und Planungsrechts behauptet: Anders gesagt: Das Bundesgericht hat die baurechtliche Zulässigkeit des Aufbaus selbst gar nicht beurteilt.

Konkret haben sich die beiden Anwohner darüber beschwert, dass das Verwaltungsgericht die Gerichtsverhandlung nicht verschob, obwohl die Gemeinde Wangen kurz zuvor noch neue Beweismittel zum Umfeld des türkisch-kulturellen Vereins eingereicht hatte (Stichwort Graue Wölfe). Ihnen sei daher nur knapp ein Werktag und ein Wochenende verblieben, um die neuen Unterlagen zu prüfen. Weiter beanstandeten sie, das kantonale Gericht habe trotz ihrer entsprechenden Anträge kein Gutachten zur religiösen Bedeutung des Minaretts eingeholt und keine Erhebungen zur Besucherfrequenz des Gemeinschaftszentrums durchgeführt.

Das Bundesgericht ist am 4. Juli zum Schluss gekommen, dass die Kritik der Beschwerdeführer am Vorgehen des Verwaltungsgerichts unbegründet sei. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt worden: «Soweit reine Sachverhaltsfragen zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellung der kantonalen Instanzen willkürlich sind.» Im Übrigen seien die Unterlagen der Einwohnergemeinde für die zu entscheidenden baurechtlichen Fragen nicht relevant gewesen. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde denn auch abgewiesen.

«Sachverhalt hinreichend erhoben»

Offen lässt das Bundesgericht, ob das kantonale Gericht die Frage der Zonenkonformität korrekt beurteilt hat. Es vermerkt aber, dass das Verwaltungsgericht gemäss Akten seinen Entscheid mit Blick auf die zu beurteilenden baurechtlichen Fragen «aufgrund eines hinreichend erhobenen Sachverhalts und einer materiellen Prüfung der umstrittenen Punkte» gefällt habe.

Fakt ist: Der Realisierung des umstrittenen Aufbaus steht nun nichts mehr im Wege. Ein Hintertürchen bleibt den Gegnern des symbolischen Minaretts ohne Aussenbegehung und Beschallung: «Sollte dieses wider Erwarten zu massiv höheren Besucherfrequenzen der Gebetsräume führen, wäre es Sache der kommunalen Baubehörde, erneut zu prüfen, ob die vorhandenen Parkplätze genügen», teilt das Bundesgericht die Sicht des kantonalen Gerichts.

hin und her Im Januar 2005 reichte der türkisch-kulturelle Verein ein Gesuch für den Bau eines Minaretts von 5 bis 6 Metern Höhe auf dem Liftaufbau des Gebäudes Industriestrasse 2 ein. Das Minarett sollte aus einem runden Turm mit kreiskegelförmigem Dach und interner Treppe für Unterhaltsarbeiten bestehen. Einen ersten ablehnenden Entscheid der Wangner Baukommission hob das kantonale Baudepartement im Juni 2005 auf, weil kein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt worden sei. Im Februar 2006 verweigerte die kommunale Kommission nach Durchführung des Verfahrens die Bewilligung erneut. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hiess das Baudepartement im Juli 2006 gut. Es bejahte die Zonenkonformität des Minaretts als äusseres Symbol für die bereits früher bewilligte Nutzung von Gebetsräumen, zumal die Zonenbestimmungen sogar «mässig störende Dienstleistungsbetriebe» ausdrücklich zuliessen. Und erteilte die Baubewilligung für die Errichtung des Minaretts im Rohbau; später sei ein ergänzendes Baugesuch einzureichen. Zudem dürfe das Minarett nur zu Unterhaltszwecken begangen werden und Gebetsrufe sowie eine künstliche Beschallung seien verboten. Im November 2006 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden der Einwohnergemeinde und zweier Anwohner ab. Die Parkplatzvorschriften, Bestimmungen über Gebäudehöhen und das Eingliederungsgebot (Ästhetikvorschriften) würden nicht verletzt. Im Januar 2007 erhoben die beiden Nachbarn staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne. (aa)

Genügt das geltende Baurecht?

«Natürlich bin ich mit dem Bundesgerichtsentscheid nicht zufrieden», formuliert es Roland Bühler, Anwalt der beschwerdeführenden Anwohner, gegenüber dem OT. «Aber er ist aus juristischer Sicht vertretbar.» Bereits beim Weiterziehen des Verwaltungsgerichtsentscheides sei ihm klar gewesen, dass er nicht die Anwendung des Baurechtes einklagen könne. Man könne nicht sagen, der vorinstanzliche Entscheid sei schlechterdings unvertretbar und damit willkürlich gewesen – «was nicht heisst, dass er nicht falsch ist». Deshalb sei es vor Bundesgericht ausschliesslich um Verfahrensfragen gegangen, so Bühler. Welche Quintessenz zieht Roland Bühler aus dem Verfahren, das alle Instanzen bis zum höchsten Schweizer Gericht durchlaufen hat? «Das geltende Baurecht ist unklar formuliert und schützt die Anwohner gegen ideelle Immissionen zu wenig. Es darf doch nicht sein, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Stützpunkt der Grauen Wölfe errichtet werden kann – gemäss schweizerischem Staatsschutz eine rechtsextreme und gewaltbereite Organisiation.» Bühlers Forderung: «Das Baurecht muss im nachbarrechtlichen Zusammenhang verbessert werden.»

Erfreut über den Bundesgerichtsentscheid zeigt sich Benno Mattarell, Anwalt des türkisch-kulturellen Vereins. Dieser sei insofern nicht erstaunlich, als die Hürde bei einer staatsrechtlichen Beschwerde sehr hoch sei. Mattarell übernahm das Mandat, als die Wangner Baukommission auf das Baugesuch für das Minarett gar nicht eintreten wollte. Trotzdem mag er nicht von einem juristischen Sieg über die Gemeinde sprechen: Offensichtlich hätten sich die Wangner Behörden aus politischen Gründen so verhalten. Und im Übrigen habe das Baudepartement ja insofern eine Konzession an die Kritiker gemacht, als es für die Aussengestaltung des Minaretts nochmals eine Bewilligung fordere. Anders als Bühler empfindet er das Baurecht nicht als revisionsbedürftig. Und: «Es darf kein Gesinnungsbaurecht geben.» Im Übrigen herrsche in der Schweiz Glaubens- und Gewissensfreiheit; auch unter diesem Aspekt sei es zu begrüssen, dass das Minarett an dieser Lage gebaut werden könne. Mattarell vermerkt, dass das Gebiet durch Bahn- und Strassenverkehr – in unmittelbarer Nähe soll die Rampe der Entlastung Region Olten vorbeiführen – bereits stark geprägt sei. (aa)

«Über Verfassung verhindern»

Das Initiativkomitee gegen den Bau von Minaretten um SVP-Nationalrat Walter Wobmann (Gretzenbach) bedauert die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde im Fall der Baubewilligung für das Minarett in Wangen – und wirbt flugs für die Unterschriftensammlung.

Der türkisch-kulturelle Verein sei gemäss Bundesamt für Polizei ein direkter Ableger der rechtsextremen Grauen Wölfe, heisst es in einem Communiqué. «Das Minarett-Baugesuch wurde also vom örtlichen Ableger einer extremistischen, schwer gewalttätigen Organisation gestellt. Der Gebetsraum kann deshalb als extremistischer Stützpunkt gelten.» Gegen solche Vorgänge in unmittelbarer Nachbarschaft könnten sich nach diesem Bundesgerichtsentscheid die Anwohner kaum noch zur Wehr setzen. «Sie müssen neben dem muslimischen Gebetsraum weiterleben, obwohl der Inlandgeheimdienst den Extremismus der Grauen Wölfe bestätigt hat.» Indirekt heisse dies, dass kultureller Glaubensmissbrauch zugunsten des politischen Aktivismus geduldet werde.

Minarette könnten offensichtlich nicht aus baurechtlichen Erwägungen abgelehnt werden, so die Schlussfolgerung des Communiqués. «Sie sind vielmehr zu verhindern, weil sie Symbole religiös-politischer Machtansprüche sind, die den religiösen Frieden in unserem Land bedrohen.» Die einzige sichere Möglichkeit, Minarette zu verhindern, bleibe somit die laufende Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten. Sie will das Minarett-Verbot in der Bundesverfassung verankern.