Mehr «Shalom» und «Grüazi» sollen Probleme lösen helfen

Südostschweiz. Ein Plakat in einem Aroser Hotel sorgt in jüdischen Kreisen weltweit für Empörung. Die offizielle jüdische Schweiz bleibt gelassen. Trotzdem sollen sich Einheimische und jüdische Gäste näherkommen.

Für israelische Medien ist der Fall klar. Und auch die stellvertretende Aussenministerin Tzipi Hotovely hat sich schon zu Wort gemeldet. Hotovely spricht auf der Internetseite der Zeitung «Jerusalem Post» von einem «hässlichen Ausdruck von Antisemitismus». Das Internetportal «israellycool.com» schreibt von «eklatantem Antisemitismus».

Auslöser der mittlerweile weltweiten Empörung war ein Schild im Hallenbad des Aroser Aparthotels «Paradies». «An unsere jüdischen Gäste», steht da zu lesen. «Bitte duschen Sie vor und nach dem Schwimmen. Wenn Sie die Regeln nicht einhalten, müssen wir das Hallenbad für Sie schliessen.» Eine jüdische Familie, die im «Paradies» zu Gast war, hat die Notiz – und weitere Ermahnungen an jüdische Gäste – publik gemacht.

Kritik, aber auch Verständnis

Für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) ist der Aushang «völlig inakzeptabel», wie Generalsekretär Jonathan Kreutner betont. «Da der Text ausschliesslich an Juden adressiert ist, diskriminiert er diese.» Der SIG überlege sich deshalb derzeit weitere Schritte. Die Hauswartin des Aparthotels «Paradies» hat sich mittlerweile für ihre Wortwahl entschuldigt.

Für Marcel Levin handelt es sich bei dem Aushang im Hallenbad um eine Gedankenlosigkeit. «Die Verwalterin des ‘Paradies’ ist bei jüdischen Gästen sonst sehr beliebt», sagt Levin, dessen Familie in Arosa seit bald 90 Jahren das koschere Hotel «Metropol» betreibt. Levin stört sich an der Medienaufmerksamkeit, die das Thema erhält. «Das ist schlecht für den Tourismus in Arosa.»

Nicht auf Juden eingerichtet

Allerdings ortet Levin in Arosa auch Nachholbedarf, wenn es um die Bedürfnisse der jüdischen Gäste geht. Probleme hätten diese nämlich in all den Jahren nie gemacht. «Trotzdem werden sie gelegentlich immer noch misstrauisch angesehen.» Und auf Juden, besonders auf orthodoxe jüdische Gäste, sei der Ort schlecht eingestellt – ganz anders als Davos, wo Levins Familie das Hotel «Derby» führt.

Weiter sei es sehr bedauerlich, dass von den drei Bergbahnen, die Arosa im Sommer habe, die Urdenbahn bereits stillgelegt worden sei. Dies, zumal Arosa sonst wenig Attraktionen biete: «Keine Sommer-Schlittelbahn, kein ausgebauter Kinderspielplatz auf der Mittelstation, kein Kurkonzert und dergleichen. Dies, obwohl immer zu dieser Jahreszeit die jüdischen Gäste kommen.»

Tatsächlich ist die Schweiz und damit auch Graubünden bei den jüdischen Gästen sehr beliebt. Das habe verschiedene Gründe, glaubt Yves Kugelmann, Chefredaktor des jüdischen Nachrichtenportals «tachles.ch». «Viele Familien haben noch aus Kriegszeiten eine enge emotionale Bindung an die Schweiz.» Ausserdem liege die Schweiz für die Gäste – die ausser aus Israel häufig aus Grossbritannien und Belgien stammen – sehr zentral.

Dazu kommt noch, dass die jüdischen Gäste laut Kugelmann sehr gerne in die Alpen fahren. Das hat Tradition. Im Jahr 2009 widmete das Jüdische Museum Hohenems dem Thema gar eine Ausstellung samt Publikation. Bekannte Kurorte verdankten ihren Aufschwung jüdischen Gästen.

Mehr Verständnis soll helfen

Das Miteinander von Schweizer Touristikern und jüdischen Gästen funktioniere in der Regel unproblematisch, hält auch SIG-Generalsekretär Kreutner in seiner Reaktion auf den Aroser Vorfall fest. «Tachles»-Chefredaktor Kugelmann spricht von «bedauerlichen Einzelfällen», welche das Verhältnis trüben würden. Sowohl Kugelmann wie Kreutner glauben, dass hinter Reibereien meist fehlendes gegenseitiges Verständnis steckt.

Kreutner verweist auf ein Sensibilisierungsprogramm, das der Gemeindebund kürzlich lanciert hat. «Wir gehen auf Touristiker zu und erklären ihnen, welche besonderen Bedürfnisse vor allem die orthodoxen jüdischen Gäste haben.» Umgekehrt wolle man die Gäste über die Schweizer Kultur aufklären. «Das soll helfen, dass mehr gegenseitiges Verständnis entsteht.»

Verständnis zu wecken, ist für «Tachles»-Chef Kugelmann ein guter Ansatz. Wenn Kulturen aufeinanderträfen, sei das immer für beide Seiten schwierig, sagt er. «Das gilt nicht nur für die jüdischen Gäste, sondern auch für die indischen und arabischen.»