Mehr als zwei Jahre nach Hetzrede klopft Behörde Neonazi auf die Finger

20 Minuten.

Die Kundgebung der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) vom November 2018 in Basel bleibt vor allem wegen der massiven Gegendemonstration in Erinnerung. Nun gibt es eine erste Sanktion gegen den damaligen Basler Pnos-Chef.

Der Basler Neonazi und ehemalige Sektionschef der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) Tobias Steiger wurde von der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt wegen mehrfacher Rassendiskriminerung verurteilt. Dies berichtet der «Tages-Anzeiger». Laut der Zeitung wurde Steiger eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 80 Franken sowie eine Busse von 2200 Franken auferlegt. Hinzu kommen Verfahrenskosten von rund 6000 Franken. Der Strafbefehl, der 20 Minuten vorliegt, ist noch nicht rechtskräftig. Ob Steiger ihn anficht und den Fall von einem Gericht beurteilen lässt, ist noch unbekannt.

Steiger hatte an einer Kundgebung am 24. November 2018 in Basel eine Rede gehalten und sie auf Youtube hochgeladen. Dabei sprach der heute 46-Jährige über eine angebliche jüdische Weltverschwörung, deren Ziel es sei, mit Hilfe der USA die Herrschaft über den Planeten an sich zu reissen. 20 Minuten verzichtet an dieser Stelle darauf, genauer auf die von Steiger verbreiteten Verschwörungstheorien einzugehen.

Hass gegen Juden, Verharmlosung des Holocaust

«Mit seinen Aussagen rief der Beschuldigte öffentlich zu Hass gegen Juden auf und verbreitete hetzerische, antisemitische Ideologien, welche auf die systematische Herabsetzung von Juden gerichtet waren», schreibt die Staatsanwaltschaft. Mit seinen Aussagen habe Steiger «teilweise den Holocaust in grober Weise verharmlost». Mit der Verbreitung des Materials im Internet habe er darauf abgezielt, möglichst viele Personen mit dem Gedankengut zu beeinflussen.

Ebenfalls legt die Staatsanwaltschaft Steiger eine Reihe von Facebook-Posts zur Last. In ihnen soll er etwa behauptet haben, der Islamische Staat kämpfe für Israel oder der Holocaust, in dem das Nazi-Regime Millionen von Menschen – davon rund sechs Millionen Juden – tötete, sei ein Witz. Hier erkennt die Anklage Verstösse gegen die Menschenwürde und öffentliche Anstachelung zu Judenhass.

«Im falschen Beruf»

Die Pnos-Kundgebung gegen den UN-Migrationspakt begann am Nachmittag des 24. November 2018. Die Rechtsextremisten sahen sich schnell mit einem grossen Aufmarsch einer nicht bewilligten Gegendemonstration konfrontiert. Die Polizei schirmte die Pnos ab, die dann ihre Kundgebung in einem Hinterhof – und nicht wie geplant auf dem Messeplatz – abhalten konnte. Währenddessen kam es zu Scharmützeln zwischen einer Gruppe von Gegendemonstrierenden und der Polizeiblockade. Es wurden Tränengas und Gummischrot eingesetzt, Steine und Bierdosen geworfen, Personen verletzt.

Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eröffnete in der Folge dutzende Verfahren gegen Teilnehmende der Gegendemonstration. Teilweise wurden sie vom Strafgericht wegen ihrer blossen Anwesenheit an der Demonstration verurteilt, teilweise zu Freiheitsstrafen. Dies brachte der Justiz Kritik ein. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) äusserte sein Unverständnis darüber, dass das Verfahren gegen Steiger so lange dauerte.

Noch deutlicher drückte sich der emeritierte Strafrechtsprofessor Mark Pieth aus: «Wenn man länger als eine Woche hat für eine Anklageerhebung in so einer Sache, dann ist man im falschen Beruf». Die Staatsanwaltschaft wies den Vorwurf, man dürfe in Basel ungestraft gegen Juden hetzen, als «absolut haltlos» zurück und führte Corona-bedingte Kapazitätsengpässe und Priorisierung nach Schwere der Straftat als Gründe für die Verzögerung an.

«Wir sind erleichtert»

Der SIG, der schon am 18. Dezember 2018 Anzeige gegen Steiger erstattet hatte, zeigt gemischte Gefühle. «Wir sind erleichtert und zufrieden, dass die Staatsanwaltschaft für diesen Fall nun offenbar doch Zeit gefunden hat», so Generalsekretär Jonathan Kreutner auf Anfrage von 20 Minuten. Zur Höhe des Strafmasses möchte er sich nicht äussern. «Es ist aber in erster Linie wichtig, dass ein solches Vergehen nicht straflos bleibt», sagt er.