Lösung der Ausländerfrage: Markieren, sammeln, ausschaffen

20 Minuten Online vom 06.10.2010

Die «Organisation zur Lösung der Ausländerfrage» von Alois B. Stocher vertritt eine radikale Linie. Die Fan-Gemeinde wächst: Die einen glauben an Satire, die anderen an die Ideen.

Amir Mustedanagic

Links Toni Bortoluzzi, rechts Ulrich Schlüer und in der Mitte ein glücklicher Alois B. Stocher. Der Geschäftsführer der «Organisation zur Lösung der Ausländerfrage» (OLAF) hat eine neue Trophäe. Als bekennender Fan der SVP und der beiden Nationalräte schmückt er sich gerne mit dem Foto auf seinem Facebook-Profil. 554 Freunde hat der 47-Jährige inzwischen: Caspar Baader, Christa Markwalder, Christian Lüscher, Felix Gutzwiller oder auch Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer gehören dazu. Sie alle haben das Projekt von Olaf und Stocher kennengelernt: «Jeder Ausländer in der Schweiz ist ein Ausländer zu viel», steht beispielsweise unter dem Punkt «Worum geht es?» auf der Olaf-Webseite Volksbefreiung.ch. Der Lösungsansatz ist in drei Phasen unterteilt: 1. Markierung, 2. Sammlung und 3. Ausschaffung.

Für seine radikalen Ideen hat Alois B. Stocher bereits Wochen vor der Abstimmung über die SVP-Ausschaffungsinitiative und den direkten Gegenvorschlag zu werben begonnen, denn all die SVP-Ideen gehen ihm zu wenig weit. Studiert man die Seite etwas genauer, wird schnell klar – das ist Satire. Schon alleine der Name des Geschäftsführers ist ein Wink mit dem Zaunpfahl: Alois B. Stocher erinnert nicht zufällig an Christoph W. Blocher. Die Webseite Volkbefreiung.ch ist ein Abklatsch der SVP-Seite Volksbefragung.ch, nur eben mit den Ideen von Olaf und Stocher.

Nicht alle haben die Ideen als Denkanstoss verstanden

Trotz der offensichtlichen Satire muss man nicht in den Tiefen des Internets graben, um Befürworter der Aktion hervorzukramen. Längst nicht alle haben die Aktion als Denkanstoss verstanden, wie ein Blick auf das Facebook-Profil von Alois B. Stocher verrät. «Ausmisten! Endlich wird es auf der Strasse wieder sauberer», schreibt beispielsweise ein junger Mann auf Mundart. Und als ihm einige versuchen zu sagen, dass der Herr Stocher nicht existiere, lässt er sich nicht beirren. «Von mir aus kann der Herr sich auch Aladin aus dem Araberland nennen, solange die Gruppe etwas taugt, ist mir das wurst.»

Schaut man noch etwas genauer hin, findet man schon die eine oder andere Person, bei der die Frage offen bleibt: Tatsächlich Fan der Ironie oder doch der Ideen? Zumindest bei Pnos-Mitglied Dominic Lüthard darf man diese Frage durchaus im Raum stehen lassen. Der Mann ist nicht nur Sänger der rechtsextremen Band «Indiziert», sondern auch vorbestraft wegen Rassendiskriminierung. In seinen Liedtexten geht es um «Rassenschande» und «Mulattenflut». Doch wer steckt im immer gleichen, schlecht sitzenden Anzug von Alois B. Stocher und vor allem was bezweckt er mit der Gratwanderung?

Der Mann mit Schnauz und ordentlichem Seitenscheitel tritt nicht zum ersten Mal in den Weiten des Internets auf. Alois B. Stocher hat bereits zur Waffensammelaktion auf dem Zürcher Helvetiaplatz aufgerufen. «Spenden Sie Ihre Waffen für Bedürftige und Kinder in Drittweltländern», forderte er damals als Präsident der «Kriegsentwicklungshilfe» während des Abstimmungskampfes um Kriegsmaterialexporte. Prompt hatte er eine Anzeige am Hals: Ein Zürcher Autor war der Meinung, dass die Aktion rassistisch und volksverhetzerisch sei. Ein Coup für Alois B. Stocher – oder auch für den klagenden Schriftsteller, denn sämtliche Internetseiten, die Stocher betreibt, führen an die Adresse des Autors im Zürcher Kreis 4.

Stocher will zur SVP-Vollversammlung

Alois B. Stocher wohnt natürlich nicht dort, wird einem am Telefon mitgeteilt. Doch Olaf und Stocher kennt man nur zu gut und ist ob dem Anruf gar nicht überrascht. Warum alle Anhaltspunkte an die Adresse des Zürcher Autors führen, ist für den Schriftsteller am anderen Ende der Leitung klar: «Der für die Kampagne verantwortliche Grafiker wohnt hier, aber selbstverständlich existiert Alois Stocher.» Der Grafiker ist nicht zu sprechen, will aber viel lieber nicht zuhause sein, was zu einem absurden Gespräch führt. «Er sagt, er sei nicht zuhause», sagt der Autor. «Wenn er sagt, er sei nicht zuhause, ist er doch da?» «Das stimmt: Ich frage nochmals nach.» (Pause, Stimmen, Geschepper) «Er sagt, er müsse jetzt gleich dringend in eine Sitzung.» Natürlich rückt der Grafiker letztlich weder seinen Namen noch die richtige Adresse von Alois B. Stocher heraus, aber den Mann gebe es – «ganz klar», lässt er erneut ausrichten.

Das Hin-und-Her geht einige Zeit und man einigt sich darauf, dass Ironie und Satire nur funktioniert, wenn sie nicht blinkend angeschrieben ist. «Was man mit so einer Kampagne bezwecken könnte, wenn es denn eine Kunstaktion wäre, liegt auf der Hand», erbarmt sich der Künstler dann doch noch zu einer Erklärung. Das Ziel sei zu zeigen, wie klein die Unterschiede seien zwischen den Stimmen auf Olaf und denjenigen auf der SVP-Seite und in anderen Foren zur Ausschaffungsinitiative. «Es ist eine Gratwanderung und die Parallelen sind erschreckend.» Natürlich gehe es auch darum Stimmung zu machen, aber hauptsächlich auch darum, Argumente zu parodieren. «Ein Argument, das auf der Olaf-Seite erscheint, kann kaum noch in der Stimmungsmache verwendet werden: Heute sind es die kriminellen Ausländer, morgen alle.»

Alois B. Stocher wäre es lieber heute als morgen. Er lässt sich jedenfalls nicht beirren von Gerüchten, dass eine linke Gruppierung dahinter stecke und es nur Satire sei. «Die Leute sind ja nicht dumm», sagte er der Wochenzeitung, «jeder Besucher unserer Website wird merken, dass wir alles andere als links sind – sonst verstehe ich die Welt nicht mehr.» Stocher jedenfalls freut sich, wie er auf seinem Facebook-Profil schreibt, über den tollen Vorschlag von Toni [Bortoluzzi], «OLAF Schweiz an der nächsten SVP-Vollversammlung einen 45-minütigen Redeblock zur Verfügung zu stellen, damit auch die Basis ins Bild gesetzt wird über unsere Fortschritte und Erfolge in der Ausländerpolitik». Da ist sie wieder, die Satire, denn natürlich kennt Toni Bortoluzzi weder Olaf, noch weiss er, wer Alois B. Stocher ist. Dabei ist Stocher so ein grosser Fan des Zürchers.