Liechtensteiner Neonazis sind gut integrierte Leute

St. Galler Tagblatt vom 3.11.2009

Die rechtsextreme Szene Liechtensteins ist klein, aber selbstbewusst. Eine Studie versucht die Hintergründe des Rechtsextremismus zu beleuchten.

Günther Meier

Gewaltvorfälle wie beim Oktoberfest 2008 in Mauren, als sich Rechtsextreme eine Schlacht mit türkischen Jugendlichen lieferten, haben Liechtenstein zu verstehen gegeben, dass unverändert eine rechtsextreme Szene besteht. Die Polizei stellt gar eine Tendenz zur Erstarkung der rechten Szene fest. Anzeichen dafür sind nach Auskunft von Jules Hoch, Chef der Kriminalpolizei, das selbstbewusstere Auftreten bei Dorffesten und Jahrmärkten. Die Polizei geht von einem harten Kern der rechtsextremen Szene von 30 bis 40 Mitgliedern aus, die namentlich bekannt sind. Der Kreis der Sympathisanten ist laut Jules Hoch schwer einzuschätzen, dürfte aber ein Mehrfaches der Kerngruppe betragen.

Starkes Heimatgefühl

Die Vorfälle mit Rechtsextremen sowie die Anregung des UNO-Ausschusses zur Verhinderung von Rassendiskriminierung (CERD), sich mit den Hintergründen des Rechtsextremismus zu befassen, bildeten den Anlass für die Regierung, eine Studie bei der Fachhochschule Nordwestschweiz in Auftrag zu geben. Die Studie gibt einen Einblick in die Beweggründe der jungen Menschen, sich der rechtsextremen Szene anzuschliessen. Als wesentliche Motive für die rechtsextremistischen Haltungen eruierte die Studie ein starkes Heimatgefühl, verbunden mit der Angst, dass die nationale Identität durch Einwanderung und Überfremdung verloren gehen könnte. Im Unterschied zu Rechtsextremen im Ausland, stellt Kripochef Jules Hoch fest, hätten die liechtensteinischen Mitglieder der rechten Szene keine Erfahrungen mit sozialer Benachteiligung, vielmehr seien sie sozial und beruflich meist gut integriert.

Rechte Szene weiter präsent

Die Studie gelangt zum Schluss, dass Rechtsextremismus in Liechtenstein derzeit weniger massiv und sichtbar als vor einigen Jahren in Erscheinung trete. Weil es aber in unregelmässigen Abständen zu Vorfällen mit Gewaltanwendung komme, könne davon ausgegangen werden, dass die rechte Szene keineswegs verschwinde. Generell wird eine sensible Wahrnehmung in Liechtenstein festgestellt, was den Rechtsextremismus betreffe, doch solange der Rechtsextremismus nicht in Gewalt münde, sehe die Bevölkerung wenig Präventions- und Interventionsbedarf.

Die Gewaltschutzkommission der Regierung, die den Auftrag erhalten hat, einen Massnahmenkatalog zur Bekämpfung der rechten Szene auszuarbeiten, wird sich auch mit Vorsorgemassnahmen auseinandersetzen müssen. Konkret wurde bereits erwähnt, dass Aussteigehilfen unabhängig von Anlässen angeboten werden könnten.