Lieb‘ Bündner Vaterland, kannst eigentlich ruhig sein

Südostschweiz

Die Kantonspolizei überwacht auch in Graubünden potenziell extremistische Milieus. Anlass zur Besorgnis besteht laut den Verantwortlichen aber nicht. Am grössten ist im Kanton die rechtsextreme Szene.

Von Olivier Berger

Chur. – Bei der Präsentation des diesjährigen Berichts zur Inneren Sicherheit Ende Mai liess eine Aussage von Jean-Luc Vez aufhorchen. Zwar hätten bisher keine konkreten Vorbereitungshandlungen von islamistischen Kreisen für einen Anschlag in der Schweiz nachgewiesen werden können, sagte der Direktor des Bundesamts für Polizei (Fedpol) an der Medienorientierung in Bern. «Aber es ist zu vermuten, dass ein Anschlag geplant wurde.»

Die mögliche Bedrohung durch islamistische Extremisten ist nur ein Thema, dem sich der jährlich erscheinende, fast 100 Seiten starke Bericht widmet. Von politischem Radikalismus über Jugendgewalt bis hin zu Geldwäscherei und Wirtschaftskriminalität trägt das Papier Informationen zu allen möglichen Gefahren für die Innere Sicherheit des Landes zusammen. Erarbeitet werden die Grundlagen vom Bund gemeinsam mit den kantonalen Polizeikorps, welche vom Gesetz dazu verpflichtet sind, auf dem eigenen Gebiet allfällig extremistische Tendenzen zu beobachten.

«Gefährdung ist gering»

Auch die Kantonspolizei Graubünden sammelt im Auftrag des Bundes regelmässig Informationen, beobachtet einschlägig verdächtige Gruppierungen und kontrolliert Personen und Anlässe, wie Sandro Pensa bestätigt. Pensa, bei der Kantonspolizei zuständig für Extremismus in jeder Form, beruhigt aber. «Die Gefährdungslage in Graubünden ist im nationalen Vergleich eher gering.»

Das soll allerdings nicht heissen, dass in Graubünden keinerlei Beobachtungen im Zusammenhang mit möglicherweise extremistischen Personen und Gruppierungen gemacht werden. «Es gibt immer wieder Meldungen über Vorfälle», bestätigt Pensa. Teilweise würden in Graubünden Beobachtungen gemacht und an andere Kantone gemeldet, «in anderen Fällen erhalten wir aus anderen Regionen Hinweise auf Personen, die in Graubünden wohnhaft sind». Offenbar liegen gelegentlich auch Hinweise im Zusammenhang mit potenziell radikal islamistischen Gruppierungen vor. Aus polizeitaktischen Gründen will Pensa diese Tatsache weder bestätigen noch dementieren.

Während der Fedpol-Bericht national für das vergangene Jahr eine markante Zunahme der linksextrem motivierten Delikte verzeichnet, ist Linksextremismus in Graubünden laut Pensa «kein Thema». Zwar werde man im Zusammenhang mit dem World Economic Forum (WEF) in Davos mit auswärtigen Personen und Gruppierungen konfrontiert. «In den vergangenen Jahren hat sich die Lage aber stetig beruhigt.» Eine einheimische gewaltbereite linksextreme Szene existiert laut Pensa ohnehin nicht. «Jene Gruppierungen, welche dem globalisierungskritischen Umfeld zuzurechnen sind, sind in Graubünden im Gegenteil ausgesprochen pazifistisch eingestellt.»

Kaum «braune» Auftritte

Anders sieht es am anderen Ende des politischen Spektrums aus, wie Pensa bestätigt. Seit geraumer Zeit wird von einer rechtsextremen Szene mit einigen Dutzend Mitgliedern ausgegangen. Belegt ist unter anderem die Existenz einer Gruppierung im Raum Landquart, die unter wechselndem Namen in Erscheinung tritt. Im Kanton traten die Neonazis allerdings bisher kaum je geschlossen öffentlich in Erscheinung. Die Mehrzahl der Meldungen über Bündner Rechtsextreme stamme aus anderen Kantonen, so Pensa. Allerdings verschweigt Pensa nicht, dass in Graubünden mehrere «vorbestrafte Neonazis» leben. Die Palette der Straftaten reiche von Tätlichkeiten und Sachbeschädigung bis zu Verstössen gegen das Waffengesetz.

In den meisten Fällen von politisch motivierten Straftaten informiere die Kantonspolizei die Öffentlichkeit nicht über die Hintergründe, erklärt Pensa. «Wir wollen den Tätern die von ihnen angestrebte Plattform nicht bieten.» Man könne die Sache zwar nicht verharmlosen, findet Pensa, von einer Bedrohung der Inneren Sicherheit Graubündens durch Rechtsextreme zu sprechen, wäre seiner Meinung nach verfehlt. «Wir haben zwar im Kanton rechtsgesinnte Personen», sagt er, «aber kein eigentliches Neonazi-Problem.»