Kestenholz SO – wird in diesen Tagen

AP

verschickt: 1000 Franken für Saalmiete undPutzkosten verrechnen die Behörden denOrganisatoren einer angeblichenGeburtstagsparty in der lokalenMehrzweckhalle.
Die Kestenholzer Fete vor drei Wochenentpuppte sich als eines der grösstenNeonazi-Treffen in der Schweiz in denvergangenen Jahren. 200 Skinheads reistenzum Saufgelage an und grölten bis tief in dieNacht hinein. «90 Prozent kamen aus Deutschland», sagt Gemeindepräsident Viktor Bürgi.Ein Dutzend Glatzköpfe fuhr gar im VW-Bus mit deutschen Kennzeichen vor. Was die Polizei bis heute verschwiegen hat: Am gleichen Abend wurden an verschiedenenGrenzübergängen 300 weitere Skinheads abgewiesen – mehrheitlich Deutsche, die ebenfallsnach Kestenholz wollten.

«Skinheads aus Deutschland weichen zunehmend in die Schweiz aus, weil derDruck auf sie in ihrer Heimat stärker geworden ist», erklärt Jürg Bühler, Vizechef derBundespolizei. Eine Einschätzung, die von Hans-Jürgen Memel geteilt wird. Memel wurdeals Polizeidirektor von Kempten im deutschen Allgäu zum Grenzbeauftragten für dieNachbarländer Österreich, Schweiz und Liechtenstein ernannt – um den Kampf gegen denbraunen Mob zu verstärken. «Wir stellen eine Zunahme der länderübergreifenden Kontaktezwischen Skinheads fest», sagt Memel.
Die Glatzen kommen! Ihr Réduit ist die Schweiz. Unser Land wird zur Drehscheibe fürSkinheads aus Deutschland. Laut Bupo-Vize Jürg Bühler werden die Grenzkontrollen andiesem und am kommenden Wochenende verstärkt. Mit gutem Grund: Rund um denGeburtstag von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess am 17. August werden rechte Aufmärscheund Konzerte erwartet. «Diese Kreise sehen die Schweiz als politisches Rekrutierungsfeldan», warnt Jürg Bühler.

So versucht die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) seitMonaten, mit einem Ableger in der Schweiz Fuss zu fassen. DasDamokles-Schwert eines Verbots über dem eigenen Kopf, verstärkt die NPD hektisch ihreAktivitäten in den Nachbarländern – nicht nur in der Schweiz, auch in Österreich.Einreisesperren wie gegen ihren Schweizer Sonderbeauftragten Stephan Göbeke-Teichert(SonntagsBlick berichtete) lassen die NPD-Spitze kalt: «Da finden wir schnell andere Mittelund Möglichkeiten», sagt Pressesprecher Andreas Storr. Dass der verurteilte Neonazi Pascal Lobsiger – letzte Woche von SonntagsBlick als Anführerder Pöbel-Skins auf dem Rütli entlarvt – die Rolle von Göbeke-Teichert übernehmen soll,dementiert die NPD nicht. Und Göbeke-Teichert bleibt bei dieser Frage nur eine Antwort: Erhängt das Telefon auf. Lobsiger selbst stellte sich in der «Rundschau» von SF DRS bereitsals Jungpolitiker dar: «Die NPD imponiert mir sehr.» Aus welchem Holz ihre Mitgliedergeschnitzt sind, zeigte sich vergangene Woche: Nach einem Sprengstoffanschlag auf einenKebab-Stand im thüringischen Eisenach wurde ein NPD-Anführer unter dringendemTatverdacht festgenommen. Doch auch die deutschen «Republikaner» und die Deutsche Volksunion (DVU) zeigenplötzlich ein auffälliges Interesse an der Schweiz: «Wir denken an überregionaleZusammenschlüsse, vor allem im Bodenseeraum», meint Michael Paulwitz von den Repsund faselt von einem «geistigen Kampf, der nicht an der Grenze aufhört».Grenzüberschreitende Kontake schweben auch der DVU vor. Ihr Landesvorsitzender inBaden-Württemberg, Peter Jürgensen: «Wir lassen uns gerne von Schweizer Ideenbefruchten.»

Im Internet hat die Zusammenarbeit längst begonnen: Deutsche Rechtsextremestellten ihre fremdenfeindlichen Internet-Seiten bei Schweizer Providern ins weltweite Netz.Erst vor zwei Wochen wurde ein Portal von 13 Neonazi-Gruppierungen bei derCablecom-Tochter Swissonline geschlossen. Doch längst sind die Nazi-Seiten aufamerikanischen Providern wieder abrufbar. Und in den Gästebüchern häufen sich in diesenTagen die Durchhalteparolen: «Gebt nicht auf, Kameraden!»

Die Schweiz als Ausweichbasis für deutsche Neonazis: Jetzt ist dieZusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und dem Deutschen Verfassungschutzintensiviert worden. «Unsere Arbeitskontakte sind sehr gut», sagt Susanne Karbowsky vomDeutschen Verfassungsschutz. Seltsam ruhig ist es dagegen auf politischer Ebene in der Schweiz. «Wir habenSommerpause», entschuldigt sich Professor Georg Kreis, Präsident der EidgenössischenKommission gegen Rassismus. An der nächsten Sitzung kommende Woche stehen diejüngsten rassistischen Übergriffe und die Pöbeleien auf dem Rütli nicht einmal auf derTraktandenliste. Sigi Feigel, der Ehrenpräsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich,kann da nur den Kopf schütteln: «Die Schweiz muss endlich aufwachen.»