Kein Schweigen zu rechter Gewalt

Liechtensteiner Vaterland vom 26.11.2009

In beiden Landeszeitungen ist der Regierung und den Parteien in Kommentaren vorgeworfen worden, dass sie zu aktuellen rassistisch motivierten Vorkommnissen schweige. Dies sei erschreckend und bedeute, dass sie sich aus der Verantwortung zu stehlen versuche.

Interview: Heribert Beck

Herr Regierungsrat Quaderer, was sagen Sie zu den Vorwürfen an die Adresse der Regierung und der Politik?

Innenminister Hugo Quaderer: Vor drei Wochen konnten wir zusammen mit der Gewaltschutzkommission die Ergebnisse der Studie «Rechtsextremismus in Liechtenstein» präsentierten. Bereits bei dieser Gelegenheit habe ich meine Meinung gegenüber ausländerfeindlichem und allgemein rassistischem Gedankengut deutlich formuliert: Ich lehne jede Form von Gewalt aufs Schärfste ab. Auf der Basis der Studienergebnisse ist die Gewaltschutzkommission von der Regierung beauftragt worden, nun einen konkreten Massnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus zu erarbeiten. Die Regierung stiehlt sich nicht etwa aus der Verantwortung. Sie muss aber nicht bei jedem einzelnen Anlassfall unverzüglich die Öffentlichkeit suchen, um das Geschehene jeweils sofort zu verurteilen und hartes Durchgreifen anzukündigen. Wir verfügen über bestens funktionierende staatliche Apparate. Alle Vorkommnisse werden mit grösster Aufmerksamkeit untersucht und die Regierung wird laufend und umfassend über die Erkenntnisse informiert. Jedes Mal vorauseilend die Stimme zu erheben, ist nicht zielführend. Zudem verdient die rechte Szene nicht noch mehr mediale Beachtung. Bisweilen besteht auch die Möglichkeit, dass gar keine rassistischen Motive hinter dem einen oder anderen Vorkommnis stecken.

Gibt es Informationen zum aktuellen Stand der Ermittlungen?

Im Sinne eines besonnenen Vorgehens war im Falle des Flugblatts zunächst die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft abzuwarten. Da diese dann festgestellt hat, dass kein strafrechtlicher Tatbestand vorliegt, handelte es sich um eine freie, nicht strafbare Meinungsäusserung. Bezüglich der geworfenen Molotowcocktails stelle ich fest, dass die Ermittlungen noch laufen und eine Vorverurteilung eines bestimmten Personenkreises für die Regierung nicht in Frage kommt. Unsere Pflicht ist es, auch hier die Regeln des Rechtsstaates anzuwenden.

Herr Regierungsrat Quaderer, eine letzte Frage: Haben Gewalt und Übergriffe eine Zukunft in Liechtenstein?

Die Regierung bekennt sich vollumfänglich zu Toleranz und Offenheit gegenüber allen Einwohnerinnen und Einwohnern unseres Landes. Sie weiss auch, dass eine grosse Mehrheit der Bevölkerung diese Haltung mit ihr teilt. Deshalb ermutige ich die Menschen in diesem Land, nicht wegzuschauen, sondern Beobachtungen vertrauensvoll der Landespolizei zu melden. In Bezug auf die konkreten Fälle ist festzuhalten, dass die Landespolizei an den Tatorten Spuren sicherstellen konnte, welche möglicherweise Rückschlüsse auf die Täterschaft liefern. Sofern es sich tatsächlich um gezielte Anschläge mit rassistischem Motiv handelt, verurteile ich diese aufs Schärfste. Da die Ermittlungen noch laufen, kann jedoch noch nichts Abschliessendes gesagt werden. Egal, ob es sich um körperliche Gewalt, Flugblätter oder Beschmierungen handelt, ich lehne rechtsextreme Phänomene und Übergriffe vollumfänglich ab.