«Irgendwie müssen wir ja alle in diesem

Der Bund

Dorf leben»

Rechtsextreme / Immer wieder taucht Münchenbuchsee in denMedien als Hort für Rechtsextreme auf. Doch während sich andereGemeinden klar von ihren Skinheads distanzieren, bleibt Buchsimeist still. Gemeindepräsident Walter Bandi (svp) undSozialvorsteher Walter Züst (sp) erklären im «Bund»-Interviewerstmals ausführlich die Buchser Innensicht aufsRechtsradikalenproblem.

INTERVIEW: Renate Bühler

«BUND»:Wie fühlt man sich als Präsident einer Gemeinde, die immerwieder als Hort für Rechtsextreme in der Presse auftaucht?

Walter Bandi: Es ist wirklich unangenehm. Ich werde überall auf dasProblem angesprochen und muss immer wieder sagen, dass wir selbernichts davon feststellen, dass alles enorm übertrieben ist.

Ist Buchsis Rechtsextremismusproblem demnach ein reinesMedienphänomen?

Walter Züst: Nicht ganz. Vom gedankenlosen Witzeerzählen bis zumso genannten Alltagsfaschismus ist es hier bei uns, wie wohl auch inandern Landesteilen, oft nur ein kleiner Schritt.

Die Auftritte von Rechtsextremen sind aber jenseits desAlltagsfaschismus zu sehen. Wie werden die in Buchsiwahrgenommen?

Bandi: Die unbeteiligte Dorfbevölkerung merkt im Allgemeinen nichtsvon den Rechtsextremen. Wir können nichts unternehmen, solangeuns keine Vorfälle bekannt sind. Wir wissen, dass wir hier eine GruppeJugendlicher haben, die sich im Pub «Red Rock» trifft, aber vonÜbergriffen ist uns nichts bekannt. Vermutlich ist in Buchsi in dieserHinsicht auch nicht mehr los als in andern Agglomerationsgemeinden.

Und dennoch ist es immer wieder Buchsi, das im Zusammenhang mitden Skins genannt wird.

Bandi: Man behauptet, dass sie sich hier im «Red Rock» treffen. Aberwenn ich dort vorbeigehe – es liegt an meinem Arbeitsweg – fällt mirnichts auf. Es gab gewisse Vorfälle an den beiden letztenBuchsi-Märitfesten. Vor dem diesjährigen Fest war uns bekannt, dasswieder etwas geplant wird. Darum haben wir mit den BetroffenenGespräche geführt. Als es dann tatsächlich zu einem Übergriff kam,waren wir an Ort und Stelle und konnten eine direkte Konfrontationverhindern. Erst wenn eine Straftat angezeigt wird, können wir vonder Behörde her einschreiten. Seit unserem Aufruf sind zwei Anzeigeneingegangen – die sich beide gegen auswärtige Rechtsextremerichten.

Wie viele Leute gehören zur Münchenbuchser Skin-Gruppe?

Züst: Es sind rund ein Dutzend Jugendliche und junge Erwachsene -eigentlich eine recht kleine Gruppe, die nicht sprunghaft wächst.Übrigens sind nicht nur Männer dabei!

In Malters etwa hat die Bevölkerung mit Demos deutlich gemacht,dass sie Rechtsextremismus nicht toleriert. Warum schweigen dieBuchser?

Bandi: Wahrscheinlich ist es hier still, weil die Sache von der Mehrheitder Buchser nicht als Problem wahrgenommen wird, weil man ja alsUnbeteiligter nichts sieht. In den letzten eineinhalb Jahren habe ichselber beim «Red Rock» einmal wegen Nachtruhestörung interveniert- sonst fällt auch mir nichts auf. Die Kantonspolizei teilt meineWahrnehmung.

Warum trägt das offizielle Münchenbuchsee diese Wahrnehmung nichtnach aussen? Durch die ständige negative Publizität muss derGemeinde doch ein Imageschaden erwachsen.

Züst: Es ist ja immer der erste Beitrag, der hängen bleibt.Gegendarstellungen werden kaum je ernst genommen, und was sollein nachträglicher Leserbrief ausrichten gegen einen ganzseitigenBeitrag – auch wenn dieser schlecht recherchiert war?

Bandi: Ich frage mich auch, was es bringt, gegen einen bereitspublizierten Artikel zu protestieren. Die Wohnbevölkerung hierbekommt von der ganzen Sache sehr wenig mit – und unsereGemeinde hat sich in den letzten Jahren erfreulich entwickelt. Waswir jetzt aber brauchen könnten, wäre eine Beruhigung. Mit dereinheimischen Rechtsgruppierung führten wir eine Zeit lang sehr guteGespräche. Ich denke, es ist zugunsten der Sache, wenn wir uns mitihnen aussprechen können.

Was hindert Sie daran, offensiv und öffentlich gegen rechte Umtriebezu protestieren und trotzdem weiterhin mit den Leuten im Gesprächzu bleiben?

Züst: Damit wir mit den Skins in Kontakt bleiben können, ist esnotwendig, dass sie uns vertrauen – was nicht einfach ist: Wir habenabgemacht, dass vom Inhalt unserer Gespräche nichts an die Pressegeht. Nach den jüngsten Zeitungsberichten glaubten sie nun, wirseien ihnen in den Rücken gefallen. Dies nur, weil derGemeindepräsident erwähnt hatte, dass wir mit ihnen im Kontaktstehen.

Und inwiefern helfen diese Gespräche weiter?

Züst: Irgendwie müssen wir ja alle in diesem Dorf leben können, undzwar ohne ständige Spannungen!

Bei den Buchser Rechtsextremen handelt es sich um erwachsene undhalberwachsene Personen. Warum reagiert Buchsi mit einemGewaltprojekt an der Schule?

Bandi: Wir wollen präventiv wirken, damit gerade die Schulpflichtigenund Schulabgänger über Rechtsextremismus informiert sind. Davonerhoffen wir uns, dass sie die geschichtlichen Zusammenhängeerkennen, damit diese Gruppierungen möglichst wenig wachsen!

Züst: Man muss aber wissen, dass an unserer Schule – und nicht nurdort – im Rahmen der Prävention immer wieder Veranstaltungen zuThemen wie Rauchen oder eben Gewalt durchgeführt werden undwurden. Das hängt nicht unbedingt direkt mit dem Rechtsextremismuszusammen.

Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Leute von ihrer Gesinnungabzubringen?

Züst: Wohl kaum. Schliesslich haben wir Meinungsfreiheit. Wer keineGesetze verletzt und gewisse Regeln des Zusammenlebens beachtet,soll hier bleiben dürfen.

Neben den Skins gibt es in Münchenbuchsee auch eine Gruppierung,die sich als links definiert. Wie gehen die miteinander um?

Züst: Beide Gruppen lassen sich schnell von der anderen provozierenund neigen dann dazu, sich als Opfer zu sehen – es sind immer dieandern, die eine Konfrontation zu verantworten haben.

Bandi: Dank dem, dass sie sich gegenseitig persönlich kennen unddank den beidseitig guten Kontakten zu den Jugendarbeitern ist ihreKoexistenz meist friedlich – wenigstens so lange keine Auswärtigenhinzukommen.

Die grüne Parlamentarierin Patrizia Vökt verlangt per Motion, dassMünchenbuchsee wegen der Skins externe Fachleute beizieht. Wirddiese Forderung umgesetzt?

Bandi: Im Moment machen wir das nicht, weil wir selber den Draht zubeiden Gruppierungen gefunden haben. Seit Monaten ist die Lage inBuchsi in dieser Angelegenheit erfreulicherweise völlig ruhig.

Züst: Die Jugendarbeit spielt sicher eine wichtige Rolle, und auch dieJugendkommission befasst sich mit der rechtsextremen Gruppe. Fallsdie Jugendarbeit Unterstützung durch Spezialisten fordert, werden wirdas natürlich besprechen. Im Moment scheint das allerdings nichtnötig zu sein. Und noch weniger nötig scheint uns heute eineöffentliche Veranstaltung zu diesem Thema, wie dies auch schonangeregt wurde. Das bringt nichts und ist unter Umständen sogarkontraproduktiv.


Harte Hand gegen harten Kern – dargebotene Hand für Mitläufer

Stadt Bern / Die Polizei warnte schon vor über einem Jahr vorrechtsextremer Gewalt auch in der Stadt Bern, die Politik aberschwieg. Jetzt, erwacht nach Sturmgewehrsalven undBombenbasteleien, wird die Regierung aktiv – mit einem «sehrgescheiten Ansatz», ähnlich wie in der Drogenpolitik: Mit einerMischung aus Härte und Herz, Polizeirepression und Sozialarbeit solleinerseits der harte Kern der Szene verfolgt werden, undandererseits soll das Mitläuferumfeld vor weiterem Abgleiten in dieSzene bewahrt werden.rudolf gafner

Jahre vergingen, bis Kurt Wasserfallen und Ursula Begert in derDrogenpolitik endlich einigermassen zueinander fanden – der alsHardliner bekannte Polizeidirektor und die eher herzlicheFürsorgedirektorin gerieten sich allenthalben ins Gehege. Jetzt aber,im Kampf gegen zunehmende rechtsextreme Umtriebe in derBundesstadt, ziehen Wasserfallen und Begert von Anfang an amgleichen Strick. Wasserfallens Polizei kümmert sich um die Repression,diese jedoch «ist Teil des Ganzen, Repression allein führt nicht zumZiel», wie Wasserfallen gestern auf Anfrage erklärte. Deshalb wolltendie Stadtbehörden das Phänomen rechtsextremer jugendlicherSubkulturen «auch von einer anderen, von einer sozialen Seite herangehen» – «ein sehr gescheiter Ansatz», findet der Polizeidirektor.

Szene die Mitläufer abgrabenDer harte Kern der rechtsextremen Szene, die politisierten Militanten,hätten sich auf ein wachsames, geschärftes Auge der Polizeieinzustellen – und «ist einer überhaupt nicht einsichtig, ist dieAntwort, wo dies möglich ist, Repression», sagt Wasserfallen. Nichtso jedoch, was das Umfeld des gefestigten harten Kerns, unpolitischeund oft blutjunge Mitläufer, anbelange. Diese sollen möglichst früherfasst und aus der Szene herausgebracht werden. «Es geht darum,dem harten Kern die Mitläufer abzugraben», sagt Wasserfallen.Aufsuchende Sozialarbeit heisse hier das Motto: Die Betroffenen,allenfalls ihre Familien direkt angehen.

Wie Wasserfallen bestätigt, hat die Stadtregierung sich vorletzteWoche mit dem Thema Rechtsextremismus befasst und sich einerseitsfür eine bessere Vernetzung und engere Zusammenarbeit mitkantonalen Partnern und Gemeinden in der Region ausgesprochen.

Polizei, Sozialprojekte, Schule
Anderseits hat Fürsorgedirektorin Begert im Gemeinderat die Initiativeergriffen, um im Herbst eine besondere städtischeKoordinationsgruppe einzusetzen: Polizei-, Fürsorge- undSchuldirektion sollen vereint und gezielt Mass-nahmen in denBereichen Prävention, Aufklärung, Aussteigerhilfe und Repressionerarbeiten.

Marianne Siegfried, Chefin des Jugendamts, ist derzeit daran, aus derSchweiz und aus Deutschland Informationen zusammenzutragen. «Wirstudieren verschiedene Modelle, entschieden hat der Gemeinderatnoch nicht», sagt Siegfried und führt aus, «dass in Bern schon heuteeiniges läuft» an Fürsorge- und Schulprojekten zur Gewaltpräventionim Allgemeinen.

Nicht bloss in der Region, auch in der Stadt Bern registriert die Polizeiseit über einem Jahr verstärkte rechtsextreme Aktivitäten. 1999 wardie linke Wohngemeinschaft Solterpolter noch Ziel eines Überfalls mitBaseballschlägern, heuer wurde bereits mit einem Sturmgewehrgefeuert. Im Mai hob die Polizei bei zwei Skinheads in der Region einWaffenlager aus, in dem sie gar 23 selbstgebastelte Splitterbombenfand. Anfang dieses Monats verhinderte Wasserfallens Gewerbepolizeieine Plakataktion der «Nationalen Partei Schweiz».