«In unserer Gruppe ging es nicht primär um Gewalt»

Südostschweiz

Rechte Gewalt im Glarnerland: Ein ehemaliges aktives Mitglied der rechtsextremen Szene erzählt von seinen Erfahrungen und gibt eine Einschätzung zur aktuellen Lage im Glarnerland. Er sagt, dass seine Einstellung nicht geändert habe.

Von Stefan Tschudi

Max Mustermann* will keine Namen nennen. Weder von Gruppen noch von Beteiligten. Auch über den genauen Zeitraum möchte er sich nicht äussern. Selbst wenn die rechtsextreme Szene vielleicht kleiner ist als vor ein paar Jahren – sie hat immer noch soviel Einfluss, dass selbst ein früherer Insider vorsichtig bleibt.

In der Schule hat es angefangen

Seine rechte Gesinnung habe sich über die Jahre gefestigt, meint Mustermann. «In der Oberstufe hat es angefangen. Auf dem Pausenplatz gab es oft Pöbeleien und Prügeleien zwischen gewaltbereiten Ausländern und Schweizern», wie er erklärt. Wenn jemand ein falsches Wort zu einem Ausländer gesagt habe, hätte er sich danach vor allen Ausländern fürchten müssen. Als er einmal dazwischengehen wollte, sei er auch unter die Räder gekommen, erzählt er. Dass man sich darüber aufgeregt habe, sei ja klar. Seiner Meinung nach sah die Schulleitung zu oft weg, als es krachte. Während der Schulzeit seien er und seine Kollegen noch nicht aktiv bei der rechtsextremen Szene dabei gewesen, sagt Mustermann. «Das kam in der Lehre. Als wir das Geld hatten, kauften wir uns Markenkleider, die von Rechten getragen werden.» Auch die Musik war ein Zeichen der Zugehörigkeit. «In unserer Gruppe – wir waren um die zehn Leute aus dem ganzen Glarnerland – ging es nicht primär um Gewalt. Unsere Einstellung war klar rechtsextrem, aber unser Verhalten war nicht unbedingt militant», sagt er.

Extrem bewegt – gemässigt nicht

Dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit begegnet er sachlich. Er habe auch Ausländer als Kollegen, aber nur solche, die sich anpassen würden und anständig seien. Sie hätten auch Leute aus der ganzen Schweiz kennengelernt, welche ihre Ansichten teilten. «Die Szene hatte noch einen gewissen Organisationsgrad», sagt er.

Müsste er sich einer Partei zuordnen, wäre das eher noch die PnoS (Partei national orientierter Schweizer) als die SVP. Denn die PnoS fordere bewusst immer mehr, als sie jemals bekommen könne. Deshalb hat sie seiner Meinung nach auch mehr Potenzial, wirklich etwas zu bewegen, als die gemässigten Parteien. Und deshalb bezeichnete er sich selbst als rechtsextrem. Als zentrale Werte oder Einstellungen, die sie in der Gruppe geteilt haben respektive immer noch teilen, gibt er Vaterlandsliebe, Freundschaft und die geteilte Unzufriedenheit über die Schweizer Asylpolitik an.

«Manchmal kracht es eben»

Er und seine Gesinnungsgenossen hätten vor allem in der Freizeit viel zusammen unternommen. «Wir wollten – wie alle anderen auch – nur unseren Spass haben. Es hat schon gekracht manchmal im Ausgang, aber das war immer gegen die Gleichen. So wie zwei verfeindete Mannschaften, die immer wieder gegeneinander antreten», meint er. Es sei schon hart zu und her gegangen, manchmal sogar bis jemand im Spital landete. Heute sei das anders. «Man wird auch erwachsener. Sie genau so wie wir.»

Die «jungen» Rechtsextremen, die im Moment im Glarnerland aktiv sind, kann er nicht ernst nehmen: «Für die geht es nur noch um Gewalt. Sie haben keine Ahnung von der rechten Szene und der Schweizer Kultur.»

Er glaubt, dass für die meisten gewaltbereiten Glarner Jugendlichen Rechtsextremismus nur ein Vorwand ist, um ziellos Leute zu verprügeln. Die jungen Rechtsextremen beschränken sich seiner Meinung nach nur auf die Klischees, die eben falsch seien. Dadurch würden sie nur sich selbst und dem Ruf anderer schaden.

«Eine pure Provokation»

«Rechts sein bedeutet mehr als die Haare kurz zu tragen, sich zu betrinken und danach sinnlos zu prügeln», erklärt er. Wenn es dann um etwas geht, was auch Mustermann vertreten könnte, kneiften die jungen Rechten. Als Beispiel führt er die Ausschreitungen im Volksgarten auf. «Hätte diese Gegen-rechts-Kundgebung der Juso in unserer Zeit stattgefunden, wir wären sicher hingegangen. Das war eine pure Provokation», sagt er. Dass es fast ausschliesslich auswärtige Rechtsextreme waren, spreche für sich. Die jungen Rechten in Glarus würden nicht mehr für diese Einstellung leben, sondern sie nur als Vorwand für ihre Fäuste benutzen. Der Organisationsgrad hat seiner Meinung nach abgenommen. Noch vor einigen Jahren habe es ihre Gruppe gegeben und ein paar Vereinzelte. Heute seien es nur noch Einzelpersonen, lautet seine Einschätzung.

«Die Einstellung bleibt»

«Wir wollen unser Land und unseren Kanton so behalten, wie es in unserer Kindheit war», meint Mustermann. Bei den Italienern habe die Integration irgendwann geklappt. Bei den Flüchtlingen aus dem Balkan sieht er wenig Bereitschaft zur Integration. Als Beispiel hierfür führt er junge Schweizer auf, die sich den Ausländern anpassen würden, in Sprache und Verhalten.

Heute ist Max Mustermann nach eigenen Angaben nicht mehr aktiv in der rechtsextremen Szene beteiligt. «Die Einstellung bleibt. Ich vertrete diese Werte aus Überzeugung – damals wie heute.» Die Gruppe von Kollegen treffe sich heute noch, aber viel seltener als zu ihren aktiven Zeiten.