Brandanschlag auf Reitschule

BernerZeitung

Das Antifa-Festival in der Reitschule musste vorzeitig abgebrochen werden. 1500 Leute feierten, bevor die Organisatoren einen Rucksack mit einem Brandsatz fanden. Wenig später ging dieser auf der Strasse in Flammen auf.

Es ist Samstag, kurz vor Mitternacht. Die schottische Band Oi Polloi heizt den Zuschauern kräftig ein, als den Veranstaltern des Antifa-Festivals Geruch von Petrol in die Nase steigt. Auf der rechten Seite neben dem Mischpult in der Grossen Halle orten sie einen verdächtigen Rucksack. Dann geht es schnell: Ein geistesgegenwärtiger Mitarbeiter packt den Camouflage-farbenen Rucksack und deponiert ihn vorsorglich ausserhalb der Reitschule auf dem Trottoir an der Schützenmattstrasse. Keine Sekunde zu früh, denn wenige Augenblicke später geht der Rucksack, in dem sich drei Flaschen mit entzündlicher Flüssigkeit (wohl Petrol) befinden, in die Luft. Nur durch Zufall gibt es keine Verletzten; es entsteht eine Stichflamme von rund drei Metern Durchmesser.

Verfahren eingeleitet

Der Brandsatz war offenbar mit einem Zeitzünder ausgestattet. Sofort eilen Helfer mit einem Feuerlöscher herbei und löschen den brennenden Rucksack. Dann wird die Polizei alarmiert. Mit rund 20 Beamten sichert die Polizei Spuren und transportiert die Überreste ab. Wohl noch selten werden die Behörden bei der Reitschule so freundlich begrüsst wie jetzt. In der Grossen Halle werden die Besucher derweil nervös, viele strömen nach draussen und wollen wissen, was los ist. Aus Angst vor weiteren Brandsätzen entschliessen sich die Organisatoren, die Halle zu evakuieren. Auf dem Vorplatz geht die Party aber weiter. Dennoch sitzt bei vielen der Schock tief. So weit sind wir also schon, sagt eine Besucherin resigniert. Auch die Veranstalter sind entsetzt. Offenbar gibt es in der Schweiz militante Nazistrukturen, die über die Fähigkeiten zur Durchführung von Anschlägen dieser Qualität verfügen, schreiben sie in einer Medienmitteilung.

Nach dem Abbruch ist das Festival kein Musik-Happening mehr, sondern ein Umschlagplatz für Spekulationen. Viele Besucher gehen von einem Zusammenhang mit dem Sprengsatz, der am 1.August auf dem Rütli gefunden wurde, aus. Weil viele Personen am Festival filmten, hoffen die Antifaschisten, die Täterschaft so ausmachen zu können. Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Anschläge auf alternative Treffpunkte in Bern gab es auch in der Vergangenheit. So wurde 1999 das besetzte Haus «Solter-Polter» im Marziliquartier mit Feuerwaffen beschossen. Die Reitschule wurde zudem wiederholt von Rechtsextremen angegriffen.

Keine weiteren Zwischenfälle

Das zweite Antifa-Festival war zuvor sehr friedlich verlaufen. Weder beim Hirschenpark, wo Festivalbesucher rund 200 Zelte aufgebaut hatten, noch rund um die Reithalle kam es zu Zwischenfällen.

Nicola Berger

Zeugenaufruf: Personen, die Angaben zum verdächtigen Rucksack machen können, werden gebeten, sich bei der Polizei, Nummer 031 3212121, zu melden.

Kommentar

Kein Bubenstreich

Wolf Röcken

Eine veraltete Halle mit gegen 1500 Personen im Dunkeln ? und mittendrin ein Brandsatz. Einer, der während der Veranstaltung in der Nacht auf Sonntag in die Luft gehen sollte. Das ist kein Bubenstreich. Wer immer den Brandsatz in der Grossen Halle der Reitschule deponiert hat: Es ging nicht nur darum, eine wohl missliebige Veranstaltung zu stören. Es hat den oder die Täter offensichtlich auch nicht gestört, unter Umständen eine Massenpanik, einen Brand, Verletzungen oder gar Schlimmeres zu provozieren.

Ein solcher Anschlag löst nicht nur Kopfschütteln aus, sondern Entsetzen darüber, wie sich gewisse Menschen gegenüber Mitmenschen verhalten ? egal, ob diese ganz anderer politischer Ansicht sind. Ob Rütli oder nun Reithalle: Wenn man bei politischen Anlässen nun Störmanöver und gar Anschläge fürchten muss, hat eine gefährliche Kultur Einzug gehalten.

Wann der Rucksack mit den Benzinflaschen abgestellt wurde, ist unklar. Fest steht, dass die Besucher des Antifa-Festivals beim Eingang nicht kontrolliert werden. Eine Einladung, Brandsätze im Publikum zu deponieren, ist das jedoch in keiner Art und Weise.