«Ich stehe nach wie vor zu dieser Aktion»: Wurstverkäufer nach Blackfacing am «Mohrenkopf»-Stand freigesprochen

St. Galler Tagblatt. Er hat mit schwarz angemaltem Gesicht und Lockenperücke «Mohrenköpfe» verkauft: Jetzt hat das Kreisgericht Rorschach den Mann vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen.

Eines machte Imbissunternehmer Markus Heim bereits auf der Treppe zum Gerichtsgebäude klar: Sollte er an diesem Nachmittag wegen Rassendiskriminierung verurteilt werden, würde er das Urteil weiterziehen. «Bis nach Lausanne, wenn nötig bis auf den Mond.»

Es war nicht nötig. Der Einzelrichter sprach Heim am Mittwoch am Kreisgericht Rorschach vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Zu beurteilen, ob die Aktion des Unternehmers geschmacklos gewesen sei oder nicht, sei nicht Aufgabe des Gerichts, sagte der Richter. Für einen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm sei sie aber zu wenig gravierend. Heim hatte im vergangenen Sommer auf einem Rorschacher Firmengelände «Mohrenköpfe» der Firma Dubler feilgeboten – schwarz angemalt, in einen goldenen Umhang gehüllt, mit einer Kraushaarperücke auf dem Kopf.

Als Mensch oder Süssigkeit verkleidet?

Vor Gericht betonte der 58-jährige Wurstverkäufer, dessen Leidenschaft nach eigenen Angaben das Schreiben erotischer Romane ist, er habe nicht aus rassistischen Motiven gehandelt. «Ich wollte mit dieser Aktion einzig und allein viele ‹Mohrenköpfe› verkaufen.» Das habe auch funktioniert. In zwei Stunden wurde Heim damals sämtliche 350 Schokoküsse los. Als er sich bei einer späteren Standaktion in Eschlikon das Gesicht weiss angemalt habe, sei er nicht so erfolgreich gewesen.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, Heim habe mit seinem Verkaufsstand und der Verkleidung, welche die Verbindung zwischen Mohr und Mohrenkopf habe zeigen sollen, damit rechnen müssen, dass er dunkelhäutige Menschen beleidige. Besonders vor dem Hintergrund der weltweiten Rassismus-Diskussion infolge der Black-Lives-Matter-Proteste in den USA. Durch Blackfacing am «Mohrenkopf»-Stand habe er People of Color mit seinem Produkt gleichgesetzt und sie auf diese Weise in ihrer menschlichen Würde herabgesetzt. Heim hatte deswegen im September einen Strafbefehl erhalten. Weil er ihn nicht akzeptierte, kam es zur Verhandlung.

Heims Verteidiger führte aus, dass die Rolle des Blackfacing in der Schweiz noch immer Gegenstand einer öffentlichen Debatte sei und nicht per se von einer durchschnittlichen Person als rassistisch wahrgenommen werde. «Bei den Sternsingern ist Blackfacing auch kein Problem. Ebenso wenig beim Schmutzli.» Sein Mandant habe sich ausserdem als Dubler-«Mohrenkopf» verkleidet gehabt, nicht als dunkelhäutige Person; der Fokus sei auf dem Produkt gelegen. Heim sagte: «Ich stehe nach wie vor zu dieser Aktion.»

Trittbrettfahrer der Rassismusdebatte

In einem Punkt waren sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft einig: Heim habe die Debatte darüber, ob die Bezeichnung «Mohrenkopf» rassistisch sei, genutzt, um daraus Profit zu schlagen. Er sei somit eine Art Trittbrettfahrer der Rassismusdiskussion. Im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste hatte die Migros im Juni die «Mohrenköpfe» der Firma Dubler aus dem Sortiment genommen, was neben einer regen Diskussion auch einen Ansturm auf besagte Süssigkeit auslöste. Der «Mohrenkopf» sei für ihn ein gutes Produkt für einen Zusatzverdienst neben dem Verkauf von Würsten, sagte Heim. An seinem ersten Buch «Harry der Sex-Coach» habe er bis jetzt noch wenig verdient.

Begriffe, die stark dem Zeitgeist unterliegen, seien eine schwierige Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung, begründete der Richter schliesslich den Freispruch. Als er ein Kind gewesen sei, habe die Katze Negerlein geheissen. «War ich deswegen ein rassistisches Kind?» Die Praxis des Bundesgerichts sei in Bezug auf die Rassismusstrafnorm sehr streng. So müsse etwa eine derartige Aktion aus der Sicht einer durchschnittlichen Person in der gegebenen Situation als für eine Gruppe klar herabsetzend beurteilt werden. Schwarz angemalt «Mohrenköpfe» zu verkaufen, möge geschmacklos sein. Für eine Verurteilung wegen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm sei es nicht genug. Eine Genugtuung, wie Heim sie in Höhe von 1000 Franken gefordert hatte, sprach ihm der Richter allerdings nicht zu.

Auf der Treppe zum Gerichtsgebäude sprach Markus Heim nach der Verhandlung in die Kameras. Er sei erleichtert über den Freispruch. «Ich hatte schon am System gezweifelt.» Ob er demnächst wieder schwarz bemalt Süssigkeiten feilbieten werde, könne er derzeit nicht sagen. Das goldene Mäntelchen und die schwarze Perücke habe er jedenfalls noch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


So lautet die Rassismusstrafnorm

Seit 1995 schütz die Strafnorm gegen Rassismus (Art. 261bis StGB) vor Diskriminierung. Demnach wird unter anderem mit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft, wer «öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, oder aus einem dieser Gründe Völ­kermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht.» Den vollständigen Gesetzesartikel finden Sie hier. Rassismus ist ein Offizialdelikt. Somit ermittelt die Staatsanwaltschaft bei Kenntnis eines Vergehens von Amtes wegen. (al)