Hartes Urteil für Holocaust-Leugner

Tages-Anzeiger

Weil er die Existenz von Gaskammern leugnete, muss der britische Autor David Irving für drei Jahre ins Gefängnis.

Von Bernhard Odehnal, Wien

«Wir sehen den Angeklagten heute in einer neuen Rolle», sagte Staatsanwalt Michael Klackl in seinem Schlussplädoyer: «Eine Rolle, die er nur für die Geschworenen und den Gerichtssaal spielt: die Rolle des reuigen Sünders.» Keine drei Stunden zuvor hatte sich der britische Hobbyhistoriker David Irving in seiner Rolle als Provokateur noch sichtlich wohl gefühlt. Kurz vor Beginn der Verhandlung im Wiener Landesgericht sonnte sich der britische Hobbyhistoriker im Gerichtssaal im medialen Scheinwerferlicht, hielt sein Buch «Hitler’s War» in die Kameras und verkündete vollmundig, dass Österreich sehr dumm wäre, ihn zu verurteilen. Mit Beginn des Prozesses änderte sich sein Auftreten schlagartig. Die Schultern fielen, die Augen wurden traurig. Er sei ein einsam gewordener, oft missbrauchter 67-jähriger Selfmademan, sagte Irvings Anwalt Elmar Kresbach: «Von ihm geht sicher keine Gefährlichkeit aus.»

Vor 17 Jahren sah die österreichische Justiz Irving durchaus als Bedrohung an. Damals tourte der Autor etlicher Bücher über Adolf Hitler und die Grössen des Dritten Reiches als Star der rechtsextremen Szene durch das Land. Am 5. November 1989 hielt er einen Vortrag in der steirischen Stadt Leoben, in dem er die Existenz von Gaskammern im Konzentrationslager Auschwitz als Lüge, die Überlebenden des Nazi-Terrors als «Fälle für die Psychiatrie» bezeichnete und behauptete, dass Hitler seine schützende Hand über die Juden gehalten habe.

Ähnliches wiederholte er in einem Interview mit einer Wiener Tageszeitung und in einer Rede vor Neonazis in Wien, zwei Tage später. Die Staatspolizei beobachtete die Treffen, zeichnete die Reden auf, schritt aber nicht ein. Und als die Justiz später Anklage wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung erhob, war Irving längst über alle Berge.

Irving glaubte sich unbeachtet

Im vergangenen November kam Irving auf Einladung einer schlagenden Burschenschaft abermals nach Österreich. Er wusste zwar vom Haftbefehl, glaubte aber, dass sich die Justiz nicht mehr für ihn interessiere. Auf der Fahrt nach Graz wurde Irving auf der Autobahn von einer Polizeistreife aufgehalten und verhaftet. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

Gleich zu Beginn der gestrigen Verhandlung bekannte sich Irving für schuldig im Sinne der Anklage. Er habe 1991 und 1992 neue Informationen erhalten, unter anderem die Tagebuchaufzeichnungen von Adolf Eichmann. Deshalb stelle er die Existenz von Gaskammern nicht mehr in Frage: «Ich habe einen Fehler gemacht.» In der anschliessenden Befragung durch Richter Peter Liebetreu wich Irving freilich immer wieder aus und versuchte sich als Opfer der Umstände darzustellen. Er habe nicht gewusst, vor wem er da spreche, er habe sich durch Gegendemonstrationen bedroht gefühlt und habe provokante Phrasen in seine Rede einfliessen lassen, «damit die Leute nicht einschlafen». Irving entschuldigte sich zwar mehrmals, aber nicht für seine Aussagen selbst, sondern nur, «dass ich meine Worte nicht auf die Goldwaage gelegt habe». Er bedauere, «wenn etwas falsch verstanden wurde». Dennoch sprach Richter Liebetreu von einem «überraschend reumütigen Geständnis».

Staatsanwalt Klackl hingegen bezeichnete Irving als «Geschichtsfälscher» und warf ihm vor, seine Reue sei ein Lippenbekenntnis aus prozesstaktischen Gründen. Irving habe noch lange nach seiner angeblichen «Läuterung» die Gaskammern öffentlich als grosse Lüge bezeichnet.

Für Irving schien ein Geständnis die einzige Möglichkeit, eine lange Haftstrafe zu vermeiden. Das Verbotsgesetz, eines der ersten, das 1945 nach dem Ende des Nazi-Regimes in der neuen Republik Österreich beschlossen wurde, sieht für den Versuch der Neugründung der NSDAP oder jegliche Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn Haftstrafen bis zu 20 Jahren vor. Für das Leugnen der Gaskammern wurde zuletzt 1992 das Strafmass auf ein bis zehn Jahre gesenkt. Im Jahr 2004 gab es 29 Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz. Nach Irving wird in ein paar Wochen der ehemalige freiheitliche Parlamentsabgeordnete John Gudenus vor Gericht kommen, weil er die Existenz von Gaskammern in Zweifel zog.

Kritik am Gesetz

Kritiker des Gesetzes kommen aus allen politischen Lagern. Sie kritisieren, dass ein eigenes Verbotsgesetz die alten und jungen Nazis nur zu Märtyrern mache und dass für die Bekämpfung von rechtsextremen Gruppen das normale Strafgesetz ausreiche. David Irving hat während seiner Untersuchungshaft nach Angaben des Richters mehrere Hundert Briefe erhalten, ausnahmslos mit Kritik am Verbotsgesetz. Auf rechtsextremen Internetseiten werden Dolchstosslegenden aufgebaut. Die befürchteten Sympathiekundgebungen im Gerichtssaal blieben allerdings aus. Zur Verhandlung waren nur einige wenige Senioren aus der rechtsextremen Szene Österreichs, Ungarns und Grossbritanniens gekommen.

Nach mehr als zwei Stunden Beratung sprachen die Geschworenen Irving schuldig. Nach einer Beratung mit den drei Berufsrichtern verurteilten sie ihn zu einer unbedingten Haft von drei Jahren. Die dreimonatige Untersuchungshaft wird Irving angerechnet. Viele Justizexperten und Gerichtsreporter hatten mit einem deutlich milderen Urteil und einer nur bedingten Haftstrafe gerechnet.