«Hart, manchmal dreckig»

Der Bund

Berns Junge SVP: Von randständiger Politprovokation zum relevanten PolitikfaktorSie bildeten die erste Frontlinie gegen Ursula Begert und haben SVP-Liberale wie Stadtrat Kurt Hirsbrunner vergrault. Letzte Woche haben sie fast die bürgerliche Koalition gekippt und SVP-Chef Hans Ulrich Gräni-cher in die Enge getrieben: die «wilden Jungen» von der JSVP.

rudolf gafner

Wo herbe Polemik, derber Ton und rüder Stil Standard sind wie bei der Jungen SVP, kommts umso extremer, wenn man sich ab und an propagandistisch Besonderes gönnt. Wie mit dem Flugblatt «Unsere lieben Ausländer?», illustriert mit Fahndungsfotos: «Kriminelle Ausländer? ? Nicht immer, aber immer öfters!» Noch nie habe man sich «so weit nach vorne gewagt», erläuterte JSVP-Kantonalpräsident André Schären, Gemeinderat in Ostermundigen. Ehedem hatte Schären Land und Leute geschockt mit der Behauptung, in Biel werde ein Tötungsdelikt an einem Schweizer verschwiegen, bloss weil die Täter Ausländer seien. Die Angabe entbehrte zwar jeder Grundlage ? aber was solls? Der Jungpolitiker wollte ja nur auf «zunehmende Kriminalität durch Asylanten» hinweisen.

So kann es nicht verwundern, wenn auch ein «Aprilscherz» entsprechend ausfällt: 2002 «forderte» die JSVP via Pressecommuniqué «taktische Nuklearwaffen» für die Armee, um mit einem «Atomringschlag» gegen die EU-Nachbarn einen «undurchdringlichen Strahlengürtel» um die Schweiz zu legen ? ein «Scherzen» (mit Millionen Toten), das Simon Glauser, seinerzeit JSVP-Schweiz-Generalsekretär, als «nicht geschmacklos» verteidigte.

Kühl kalkulierte Propaganda ?

Radaupropaganda und Verbalkrawall dieser Art entspringt weniger tumbem Rabaukentum als vielmehr kühlem PR-Kalkül eines früh abgebrühten Polit-Nachwuchses. «So ist Politik halt eben ? ein hartes, manchmal auch ein dreckiges Geschäft», sagt Glauser, der heute als stellvertretender Mediensprecher der SVP Schweiz, als Chef der JSVP Bern und als Wahlkampfleiter der SVP Stadt Bern amtiert. «Es ist bewusstes Ziel, zu provozieren. Man muss auffallen.» Und dabei dürfe man «kalkulierbare Risiken» nicht scheuen, gerade nicht als Jungpartei, die wenig Mittel habe, erklärt der 29-jährige «Vollblutpolitiker». Glauser findet übrigens das SVP-Rattensujet (im Bild) «absolut gut»; den letzte Woche vorgetragenen Protest der Könizer SVP, der grössten Sektion der Kantonalpartei, gegen das «geschmacklose und diffamierende» Motiv weist er zurück.

? die auch rechts aussen gefällt

Auch JSVP-Generalsekretär Jürg M. Stauffer (Ittigen) findet nichts dabei, «massive Provokation als effizientes Mittel einzusetzen, um möglichst grosse Aufmerksamkeit zu erreichen». Dass die rechtsbürgerliche Jungpartei damit bisweilen weiter rechts Gefallen findet als ihr und ihrer Mutterpartei lieb sein kann, ist eines der «kalkulierbaren Risiken». «Es kann schon vorkommen, dass auch Extremisten angezogen werden», räumt Glauser ein. Und auch JSVP-«Ehrenpräsident» Thomas Fuchs, Berner SVP-Gross-rat, verneint nicht «die gewisse Gefahr», dass der harte Politstil «negativ auf einen zurückfallen kann».Fuchs muss es wissen: An einem SVP-Publikumsabend letzten Oktober in Bern etwa war zu sehen, wie ein (polizei-)bekannter Berner Rechtsextremist, begleitet von jungen Glatzköpfen, kaum war er im Saal, sogleich auf Fuchs zusteuerte, um ihm (nur ihm) die Hand zu schütteln. Gewisse Nähe war eine Zeitlang zum rechtsradikalen Berner Zirkel «Avalon» auszumachen: «Avalon»-Mann Achmed Huber figurierte in der JSVP-Sympathisantenkartei, tauchte auch an Fuchs? Verabschiedung als JSVP-Chef auf und referierte im braunen Kreis allenthalben zur Lage der JSVP. Umgekehrt war Jürg M. Stauffer, damals Vizegeneralsekretär der JSVP, 1999 Gast am «Avalon»-Stamm in Worblaufen. Solches fiel übrigens auch der linksautonomen Berner Antifa auf, die just 1999 beschloss, auch die JSVP unter ihre Beobachtung zu stellen. Auch kam es zu einigen Zwischenfällen: 2001 sahen sich Fuchs und Stauffer nachts in der Altstadt «von Linksextremen» «an Leib und Leben bedroht» (die Polizei sahs weit weniger dramatisch) ? und Schären fand 2002 vor seiner Wohnung einen Sarg samt Drohbrief vor, Absender war eine «Spassguerilla gegen Rassismus» (Polizei und Feuerwehr evakuierten vorsichtshalber 15 Anwohner).

«Ehrenkodex» gegen Extremisten

Indes ist es verfehlt, der Jungen SVP rechtsextremes Gedankengut zu unterstellen ? die «wilden Jungen» stehen wohl am rechten SVP-Rand, doch auf bürgerlichem Fundament. «Wir haben einen JSVP-Ehrenkodex: Klare Distanzierung gegen rechts, und Extremisten fliegen raus», sagt Fuchs. Stauffer erläutert: Versuche extremistischer Infiltration habe es gegeben, seien aber sofort unterbunden worden ? und seine eigenen «Avalon»-Links («aus jugendlicher Neugier») seien «schon lange abgeschlossen».Simon Glauser bezeichnet sich als «modernen, urbanen Bürgerlichen», dies gelte auch für die anderen Kollegen vom harten Kern, also Stauffer, Schären und Kantonal-Vizechef Erich Hess (Jegenstorf).

Heraus aus Fuchsens Schatten…

Lange Jahre galt die JSVP als eine Art persönliche Sturmtruppe von Fuchs, und nach wie vor dient sie ihm zur Stärkung der Hausmacht: So agieren etwa Stauffer, Schären und Hess in Fuchs? SVP Bümpliz-Bethlehem ? wiewohl alle drei gar nicht in der Stadt Bern, geschweige denn in Bern West, wohnen. Jetzt aber soll der bald 40-jährige Altherr Fuchs endlich in den Hintergrund rücken. «Wir wollen uns emanzipieren, aus Fuchs? Schatten heraus treten», so Stauffer. «Eine neue Generation ist aktiv, die Generation nach Fuchs», betont auch Glauser.

?und aus SVP-Randständigkeit

Und: Die JSVP gewinnt sichtlich an Gewicht, rückt sie doch in Berns Mutterpartei zunehmend ins Zentrum, ist tonangebende, einflussreiche Kraft geworden ? nachdem sie lange ein eher randständiges Dasein gefristet hatte und oft als zu «aufmüpfig und aggressiv» (Glauser) beargwöhnt worden war. Noch letztes Jahr hatte Parteichef Hans Ulrich Gränicher die JSVP verglichen mit «Pubertierenden, die das Bedürfnis haben, sich gegen Eltern abzugrenzen». Heute ist er in der Defensive: Gränicher geriet letzten Montag arg unter Druck, als Glauser um ein Haar die Koalition mit der FDP gekippt hätte: Mit nur einer Stimme Mehrheit obsiegte in der Konsultativabstimmung Gränichers Kurs. Auch in der kantonalen Partei, deren Präsident Hermann Weyeneth die Jungen wiederholt wegen forscher Auftritte rüffelte, sehen sie sich im Kommen: «Der Stil wird immer härter. Die JSVP hat auf dem Platz Bern die Grundlagen dafür gelegt ? und jetzt zieht die kantonale Mutterpartei nach», stellt Stauffer fest.

Einer legte sich quer, half Begert

Indes, nicht alle in der JSVP Bern sind linientreue Hardliner: Rudolf Friedli, Stadtrat, hebt sich ab durch bedächtige Art, sachlichen Stil. Er mutierte gar vom Kritiker zum Anwalt von Ursula Begert: Derweil die JSVP-Kollegen Begert als «RGM-Mitläuferin», ja «Antifa-Sympathisantin» verhöhnten, erklärte Friedli, dass «sie ihre Sache gar nicht so übel gemacht» habe, es nicht angehe, «sie abzuschiessen». Friedli unterlag, Begert verlor, und Glauser verzieh Friedli. Er nehme ihm «den Ausrutscher nicht ,bös?», sagt Glauser. Friedli ist zur Zeit der einzige Parlamentarier der JSVP Bern.