Grüninger-Gedenktafel abgerissen

St. Galler Tagblatt vom 26.02.2013

Unbekannte haben die Erinnerungstafel auf der Paul-Grüninger-Brücke zwischen Diepoldsau und Hohenems abgerissen und in den Alten Rhein geworfen. Vorarlberger Grüne vermuten Rechtsextreme und haben Anzeige erhoben.

 

MARCEL ELSENER

DIEPOLDSAU. «Wer macht denn so etwas und aus welchen Motiven?», fragt Richard Amann schockiert. Der Hohenemser Bürgermeister gehörte als Redner zu den Hunderten Menschen, die im Mai 2012 die Brücke zwischen Diepoldsau und Hohenems zu Ehren Paul Grüningers benannten und eine Tafel enthüllten – auch «für die mutigen Frauen und Männer auf beiden Seiten der Grenze, die Flüchtlingen geholfen haben».

Nun ist die Gedenktafel weg: Sie wurde mit Wucht abgerissen oder gar abgesägt und in den Fluss geworfen. Ein Fussgänger entdeckte die Tafel Anfang Februar und meldete den Fund der Gemeinde. Mitarbeiter des Bauamts Diepoldsau haben sie geborgen und im Depot gelagert.

«Ein rechtsextremer Akt»

«Höchst wahrscheinlich ein rechtsextremer Akt», meinen die Vorarlberger Grünen. Sie haben gestern Anzeige erstattet. Weil die Gedenkstätte ein «starkes Zeichen» sei, könne man nicht von «Scherz oder Vandalismus» sprechen, sagt Bernd Bösch, grüner Landtagsabgeordneter und ein Initiator der Brücke. Die Tafel sei vermutlich mit einer Flex (Winkelschleifer) abgesägt worden, «auf einem gut einsehbaren Platz, das braucht einige Energie.»

Seine Partei ist letzten Freitag über die verschwundene Tafel informiert worden. «Da Grüninger zum Symbol für eine offene Asyl- und Flüchtlingspolitik geworden ist, gehen wir davon aus, dass die Tat einen rechtsextremen Hintergrund hat», meint Bösch. «Wer sollte sich sonst die Mühe machen?» Der Politiker findet dies «äusserst beunruhigend» und appelliert an die Behörden, die Tat «nicht zu bagatellisieren». Auf welcher Seite des Rheins die Täter zu suchen seien, bleibe offen. «Grüninger ist in der Schweiz umstrittener als bei uns. Andererseits ist die rechtsextreme Szene in Vorarlberg aktiv und gut organisiert.»

Tatsächlich kam es im Januar zu einem Brandanschlag von Neonazis auf ein Asylheim in Batschuns und traf sich die einschlägige Szene im November zum «Heldengedenken» in Hohenems; auch hat sich eine Nationale Aktion Vorarlberg gegründet, die auf ihrer Homepage mit «Hassgesang» um Mitglieder wirbt.

Kein Hinweis auf Rechtsextreme

Die Kantonspolizei St. Gallen weiss erst seit gestern von der «Sachbeschädigung»; eine Anzeige liegt ihr nicht vor. Laut Sprecher Gian Andrea Rezzoli gebe es keine Hinweise auf eine Tat Rechtsextremer; weder seien Schmierereien gefunden noch Internet-Einträge in diese Richtung gesichtet worden. Deshalb könnte es ein Vandalenakt sein, meint Rezzoli und verweist auf jüngst in der Region zerstochene Autopneus oder verwüstete Schrebergärten. Die St. Galler Polizei nehme Hinweise entgegen, auch wenn sie nicht wie die Hohenemser Stadtpolizei aktiv darum bittet.

Die Tafel ist bis auf einige Kratzer unbeschädigt. Wann sie wieder montiert wird, ist Sache des Strasseninspektorats; dort überlege man, wie die Tafel besser gesichert werden könne. Dies werden auch die St. Galler Grünen fordern, wie der Altstätter Kantonsrat und Mitinitiant Meinrad Gschwend sagt. Ob er seinerseits Anzeige erstatte, lässt Gschwend noch offen. «Symbolisch wäre es wichtig, aber man darf nicht erwarten, dass das etwas bringt.» So habe sein Vorarlberger Kollege Harald Walser, der nach der Mahnwache gegen Rechtsextreme 2011 in Diepoldsau attackiert und verletzt wurde, nach seiner Anzeige «nie mehr etwas gehört».