Geläuterter Kahlkopf trägt jetzt einen Pferdeschwanz

Aargauer Zeitung

Aarau Fünf (ehemalige) Skinheads wegen versuchter Brandstiftung in Gränicher Asylantenheim und anderer Delikte vor Gericht

Rosmarie Mehlin

Der Molotowcocktail, der gegen die Hauswand der Asylbewerberunterkunft in Gränichen geworfen worden war, hatte glücklicherweise nur leichten Russschaden verursacht. Das war im November 1999. Warum die fünf jungen Männer hinter dem Anschlag erst jetzt vor Bezirksgericht Aarau zur Rechenschaft gezogen wurden, ist unklar. Vermutlich wurde das Verfahren dadurch verzögert, dass drei der fünf Angeklagten nicht nur im Kanton Bern zu Hause sind, sondern dass vorab einer von ihnen auch mehrerer Delikte angeklagt war, die er im Bernbiet begangen hatte.

Mit Fäusten und Metallstange

Dieser Urs (alle Namen geändert) ist mit jetzt 28 Jahren der Älteste der fünf und war der Hauptbeschuldigte. Aber alle waren sie dasselbe: Überzeugte Skinheads. Damals jedenfalls. Heute hingegen ganz und gar nicht mehr, sagen sie unisono. Ausser beim 24-jährigen Aargauer Fabian, der die Haare noch immer sehr kurz rasiert hat, deutet äusserlich auch wirklich nichts mehr auf Skins. Besonders nicht beim Hauptangeklagten. Der trägt das lange Haar jetzt zu einem Rossschwanz gebunden und Cowboy- statt Springerstiefel. «Ich habe irgendwie den Draht gefunden zum normalen Leben. Es tut mir wahnsinnig leid, was passiert ist, und ich würde es gerne rückgängig machen, wenn ich könnte.»

Daheim im Bernbiet hatte Urs das Faustrecht für sich gepachtet gehabt: Im Juni 2000 hatte er bei einem Raufhandel einen Messerstich in den Allerwertesten kassiert; im Dezember desselben Jahres hatte er drei «Linke» zusammengeschlagen. Im April 2001 hatte er ein Auto gestoppt und den Beifahrer arg mit den Fäusten traktiert. Im Juni 2001 hatte er mit einem Metallrohr mit seinem 23-jährigen Kumpel Patrick abgerechnet. «Er hat verschiedene Leute gegen mich aufgehetzt, weil ich aus der Szene aussteigen wollte.»

Eine Anklage wegen versuchter Brandstiftung – mithin das schwerste aller ihm zur Last gelegten Delikte – hat Urs sich mit seinem Verhalten am 12. November 1999 eingehandelt. Damals war es an der Gränicher Gewerbeausstellung zu Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe junger Skinheads und Ausländern gekommen. Später hatten die Ausländer die sie verfolgenden Skins angegriffen und zweien oder dreien von ihnen kleine Verletzungen beigebracht.

Fünf Molotowcocktails gebastelt

Darob in Rage, hatten die Skins Verstärkung aus dem Bernbiet angefordert. Die Berner Urs, Patrick und Jürg (23) waren unverzüglich angerauscht. In Gränichen war dann gemeinsam beschlossen worden, Molotowcocktails gegen die Asylantenunterkunft zu werfen. Die Einheimischen Fabian und Sandro (25) schafften Konfigläser, Stofffetzen und Benzin herbei, es wurden fünf «Cocktails» gebastelt und zum Asylantenheim getragen. Sandro allerdings war mit der Ausführung des Anschlags nicht einverstanden und ging nicht mit. Vor der Unterkunft war dann eine heisse Diskussion darüber entbrannt, ob die «Molotows» nun geworfen werden sollten oder nicht. Plötzlich hatte Urs eins der Geschosse gegen die Hausmauer «gepfeffert».

Nach der Scheidung seiner Eltern war Urs in einer Pflegefamilie aufgewachsen, wo Schläge und psychische Erniedrigungen an der Tagesordnung waren. Er hat eine handwerkliche Lehre abgeschlossen, Militärdienst geleistet und war ein Skin mit Leib und Seele geworden. Vor gut drei Jahren aber hat er dieser Szene mit fliegenden Fahnen abgeschworen. Auch die anderen vier beteuern solches. Zwei wohnen noch bei der Mutter, die anderen mit der Freundin zusammen. Alle arbeiten und die einen haben es im Beruf schon recht weit gebracht. Urs hat zwei kleine Kinder, seine Partnerin bezeichnet ihn als sehr fürsorglichen, guten Vater. Er hat seit zwei Jahren ein eigenes Geschäft. «Ich verdiene zwar nicht mehr denn als Angestellter, aber ich habe den Plausch.»

Der Staatsanwalt forderte für Urs, der zwei bedingte Vorstrafen von drei Tagen respektive drei Wochen auf dem Konto hatte, eine unbedingte Zuchthausstrafe von (zusammen mit dem Widerruf) drei Jahren. Fabian, Jürg und Patrick sollten je 18 Monate, Sandro 10 Monate bedingt kassieren. Der Verteidiger von Urs forderte einen Freispruch vom Vorwurf der versuchten Brandstiftung und eine bedingte Strafe von 12 Monaten Gefängnis. Sein Mandant habe das Asylantenheim ganz klar nicht anzünden, sondern den Bewohnern nur einen Denkzettel verpassen wollen. Auch sei Urs inzwischen längst geläutert. «Im Kern ist er ein guter Mensch.»

Wandlung mit «Bedingtem» gewürdigt

Das Gericht unter Vorsitz von Thomas Müller sprach Urs zwar der versuchten Brandstiftung schuldig, würdigte den von ihm eingeschlagenen Weg aber und machte ihm das «Geschenk» einer bedingten Strafe: 18 Monate, allerdings mit der längstmöglichen Probezeit von 5 Jahren. Für Patrick hat es 10 Monate, für Fabian 8 Monate, für Jürg 7 Monate und für Sandro 1 Monat Gefängnis, alle bedingt, abgesetzt.