Geheimdienst soll Internet-Hetzer überwachen dürfen

Tages-Anzeiger.

Um Terroranschläge wie in Neuseeland zu verhindern, sollten extremistische Hetzer jeglicher Couleur stärker überwacht werden – auch in der Schweiz.

Meinung. Kurt Pelda.

Unbehelligt gelangt der Mörder über den Parkplatz vor der Moschee bis zu deren Eingang. Er filmt seine Tat – vermutlich mit einer Stirnkamera. Vor der Tür feuert er mit einem Gewehr, mutmasslich eine Schrotflinte, neun Schüsse ab, unter anderem auf einen Mann, der im Eingangsbereich steht. Danach wirft er die Waffe weg und behändigt ein umgehängtes Sturmgewehr. Damit betritt er, ständig feuernd, das Gotteshaus. Kaltblütig wechselt er dazwischen das Magazin.

In der An’Nur-Moschee und einem weiteren muslimischen Gotteshaus der neuseeländischen Stadt Christchurch kommen durch Terroranschläge mindestens 49 Menschen um. Szenen, wie man sie sonst aus dem Irak oder Syrien kennt, spielen sich in einer säkularen Demokratie ab, die Täter sind wahrscheinlich Rechtsextremisten.

Die Schweiz ist nicht bekannt für eine besondere Gewalttätigkeit, aber das kann man wohl auch nicht von Neuseeland behaupten. Trotzdem hat die Stadt Zürich im Dezember 2016 einen Anschlag auf eine Moschee erlebt, wobei drei Muslime mit einer Pistole angeschossen wurden. Danach richtete sich der Täter selbst. Was genau seine Motive waren, ist nach wie vor nicht bekannt.

Kurze Zeit später erschoss ein weisser Rassist im kanadischen Québec sechs Gläubige in einer Moschee. Seine Motive waren Angst vor Flüchtlingen und Migranten sowie Islamophobie. Er wurde zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt.

Verkappte Aufrufe zur Gewalt

Auch wenn über die genauen Hintergründe des schrecklichen Terroranschlags in Neuseeland noch nichts Genaues bekannt ist, kann man davon ausgehen, dass muslim- und migrantenfeindliche Hetze in den sozialen Medien solche Schandtaten begünstigen.

Wer Muslime und Flüchtlinge online als «Ziegenficker und Zecken» verunglimpft und davon schwadroniert, wir müssten unsere Werte und Heimat vor den fremden, von den Juden bezahlten «Invasoren» verteidigen, muss sich nicht wundern, wenn der eine oder andere auf diese verkappten Aufrufe zur Gewalt mit dem Sturmgewehr reagiert. Zumal sich Nachahmungstäter durch das brutale Video des Mörders von Christchurch veranlasst fühlen könnten, selbst zur Tat zu schreiten.

Während die Sicherheit der wenigen Synagogen in der Schweiz ein Thema für die Politik ist, spricht man kaum über die schätzungsweise 270 muslimischen Gotteshäuser, die oft an der Peripherie und in Industriezonen ihr Dasein fristen. Geld für Sicherheit und Videoüberwachung ist in den meisten Moscheen nicht vorhanden. Die Vorstellung, dass Christchurch auch in der Schweiz passieren könnte, ist noch zu wenig verbreitet.

Fokus auf Hintermänner der Radikalisierung

Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, doch ist eines der wirksamsten Mittel zur Vorbeugung solcher Bluttaten die Überwachung potenzieller Täter. Diese ist in der Schweiz aber nur erlaubt, wenn der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) einer Person oder Organisation einen Gewaltbezug nachweisen kann, zum Beispiel bei der Neonazi-Gruppe Blood & Honour.

Das reicht aber bei weitem nicht aus. Der NDB müsste auch Identitäre, Reichsbürger und rechtsnationale Verschwörungstheoretiker beobachten können, wenn diese – auch ohne klaren Gewaltbezug – im Internet und an Veranstaltungen gegen Andersgläubige, Andersdenkende und Andersaussehende hetzen.

Jene also, die andere zu blinder Gewalt anstiften, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Ungeachtet ihrer religiösen oder politischen Überzeugungen sollte stärker auf solche Extremisten, auf die Hintermänner und -frauen jeglicher Radikalisierung fokussiert werden. Denn egal ob sich einer an einem Konzert in die Luft sprengt oder mit einem Sturmgewehr auf Betende schiesst: Der Staat sollte alles tun, um solche Schandtaten zu verhindern.