Friedliche Bundesfeier auf dem Rütli

Südostschweiz

Friedliche Bundesfeier auf dem Rütli

Ein massives Polizeiaufgebot hat gestern einen Aufmarsch von Rechtsextremen auf dem Rütli verhindert. Zu Störungen kam es bei der Rede von Bundesrat Samuel Schmid in Lenzburg.

Von Daniel Foppa

Rütli. – Mehrere hundert Polizisten aus der ganzen Schweiz riegelten die Zugänge zur Rütliwiese ab und liessen nur Personen mit einem zuvor bestellten Ticket passieren. Via einen von der Armee eigens gebauten Bootssteg gelangten die 1200 Besucher von Brunnen aus mit dem Schiff aufs Rütli. Als Festredner setzte sich der frühere Swisscom-Verwaltungsratspräsident Markus Rauh für ein Nein zur Asylabstimmung, ein höheres Rentenalter und den EU-Beitritt der Schweiz ein. Seine Rede blieb wie die ganze Feier ungestört, obwohl es etwa 25 Rechtsextreme trotz aller Kontrollen aufs Rütli geschafft hatten.

Zufriedene Veranstalter

Polizei und Veranstalter zeigten sich im Anschluss sehr zufrieden über den Ablauf der Feier. «Endlich darf man auf dem Rütli wieder alles sagen», erklärte Judith Stamm, Präsidentin der Rütlikommission. Die Behörden rechtfertigten das immense Polizeiaufgebot mit dem Hinweis auf mehrere abgewehrte Versuche von Personen,
unerlaubterweise aufs Rütli zu gelangen. Insgesamt wies die Polizei gegen 150 Personen weg und nahm 40 in Gewahrsam. Unter ihnen befanden sich auch Linksextreme, die gegen die Präsenz der Rechten demonstrieren wollten.

Störversuch in Lenzburg

Bundesrat Samuel Schmid bezeichnete an seiner Rede gestern in Lenzburg jede Form von Extremismus als «unschweizerisch». Er reagierte damit auf den Versuch von 150 bis 200 Rechtsextremen, das Schloss Lenzburg zu stürmen und seine Rede zu stören. Die Polizei hatte die Aktion verhindert. Nicht gestört wurde Bundesrat Christoph Blochers Rede in Kerns (Obwalden).

Kommentar

Ein teuer erkaufter Erfolg

Von Daniel Foppa

Es herrschten WEF-Zustände am Vierwaldstättersee. Wer zur Bundesfeier aufs Rütli wollte, musste Viehgatter passieren und sich durchsuchen lassen. Über der Szenerie kreiste ein Armeehelikopter, Polizeigrenadiere aus der ganzen Schweiz standen in Bereitschaft. Die Übung kostet einen Millionenbetrag, und die Tourismusbranche im hermetisch abgeriegelten Brunnen beklagt happige Verluste.

Man mag ob des betriebenen Sicherheitsaufwands den Kopf schütteln. Vor allem, wenn die Situation ruhig bleibt wie gestern. Eine Alternative dazu gibt es jedoch kaum. Denn will man Zustände wie letztes Jahr verhindern, bleiben nur zwei Varianten. Entweder wird die Feier abgesagt und das Rütli grossräumig abgesperrt, damit es die Rechtsextremen nicht okkupieren. Da dies jedoch nicht wesentlich billiger als der jetzt betriebene Grossaufwand wäre, muss wohl oder übel an der gestrigen Praxis festgehalten werden. Auch wenn die Gefahr von Ausweichaktionen besteht, wie die versuchte Störung der Rede von Bundesrat Samuel Schmid zeigt. Doch auch in Lenzburg hat die Polizei konsequent und ohne falsch verstandene Toleranz reagiert. Schmid, der letztes Jahr auf dem Rütli von den Rechten verhöhnt wurde, wird besonders dankbar sein.

Auch wenn es nachdenklich stimmt, dass wegen ein paar hundert fehlgeleiteter Wirrköpfe ein solcher Aufwand nötig ist, gilt festzuhalten: Die Rechtsextremen haben eine empfindliche Niederlage erlitten. Aus dem grossspurig angekündigten Marsch aufs Rütli ist nichts geworden, der «heilige Boden» wurde der braunen Brut entrissen. Wer letztes Jahr noch überforderten Behörden auf der Nase herumtrampeln konnte, sah sich gestern eines Besseren belehrt. Damit konnte zum ersten Mal seit langem wieder eine würdige Bundesfeier abgehalten werden. Doch trotz des teuer erkauften Erfolgs besteht das Problem weiterhin. Öffentlichkeit und Politik müssen sich intensiver mit den Gründen für das Anwachsen der Rechten-Szene befassen. Denn dass fortan am 1. August auf dem Rütli Belagerungszustand herrscht, ist vor allem auf etwas zurückzuführen – auf das jahrelange Ignorieren der Rechtsextremen-Problematik in diesem Land.