Fragwürdige Detektive

St. Galler Tagblatt: Die Antifa Bern klärte als erste über das Neonazi-Treffen in Unterwasser auf, hat aber selber ein Gewaltproblem.

Im Zusammenhang mit dem Neonazi-Konzert vom letzten Wochenende in Unterwasser profiliert sich die Antifa Bern derzeit als Verteidigerin des demokratischen Rechtsstaates. Die Organisation hat als erste über die Dimensionen des Anlasses im Toggenburg informiert und jetzt auch aufgedeckt, dass schon morgen in Rapperswil ein weiteres Rechtsrock-Konzert stattfinden soll. Sie scheint besser informiert zu sein als Polizei und Geheimdienst und lässt die Behörden ziemlich alt aussehen. Der «Tages-Anzeiger» machte diese Woche die Antifa Bern gar zum Vorbild für die Zivilgesellschaft, wie diese gegen Neonazis vorgehen soll.

Dabei hat die Antifa Bern selber ein Gewaltproblem. Seit vielen Jahren agiert die schwer fassbare Gruppierung im Umfeld des autonomen Berner Kulturzentrums Reitschule und kommuniziert anonym über Internetplattformen und Twitter. In der Bundesstadt wird Antifa vor allem mit gewalttätigen Ausschreitungen und Vandalenakten vor Polizeiwachen in Verbindung gebracht. Unschön in Erinnerung geblieben sind die «Antifaschistischen Abendspaziergänge», an denen teilweise Molotow-Cocktails gegen Polizisten flogen. Oder der Saubannerzug linksextremer Chaoten gegen eine SVP-Veranstaltung.

Wie nahe sich «Strassen-Antifas» und «Recherche-Antifas» stehen, ist kaum eruierbar. Die Antifa Bern selber will keine Auskunft geben. Über das Neonazi-Treffen in Unterwasser hat sie diese Woche zweifellos wichtige Informationen geliefert. «Sie unterwandert die rechtsextreme Szene mit falschen Identitäten im Internet und recherchiert verdeckt an deren Treffen», sagt Samuel Althof, Leiter der Fachstelle für Extremismus- und Gewaltprävention. Dabei nähmen die Aktivisten auch ein persönliches Risiko in Kauf.

Der Szenekenner will die Arbeit der Antifa aber trotzdem nicht loben. «Die Antifa Bern ist Teil des Problems», sagt Samuel Althof, «ihr Gewaltpotenzial darf nicht unterschätzt werden.» Mit diesem Vorwurf konfrontiert, reagiert die Antifa gereizt: «Für uns ist es zermürbend, wenn mit dem Hinweis auf linksextreme Gewalt das Treiben und die Ideologie der Neonazis verharmlost und Menschen, die sich für eine freiere und gerechtere Welt engagieren, mit menschenfeindlichen Gewalttätern gleichgesetzt werden», teilt sie schriftlich auf Anfrage mit.

Althof stellt aber auch die Verlässlichkeit der Antifa als Informationsquelle in Frage. Die Informationen seien nicht überprüfbar, und niemand stehe persönlich dafür gerade. Oft stelle die Antifa pauschal Personen an den Pranger, von denen sie im Einzelfall gar nicht wisse, ob sie zur rechtsextremen Szene gehörten. Links- und rechtsextreme Gruppierungen leiteten ihre Berechtigung zudem von der Existenz des anderen ab, auch das ist für Althof eine «schwierige Geschichte». Ohne die Umtriebe der Neonazis in der Ostschweiz zu verharmlosen, dürfe man in der aktuellen Diskussion nicht vergessen: «Das linksextreme Gewaltpotenzial ist derzeit viel grösser als das rechtsextreme.»