Hat der Neonazi-Anlass ein Nachspiel?

20 minuten: BERN. Politiker kritisieren scharf, dass hierzulande ein Neonazi-Konzert stieg. Sie wollen verhindern, dass sich das wiederholt.

In Unterwasser im Toggenburg ist eines der grössten Neonazi-Konzerte der Schweizer Geschichte über die Bühne gegangen: Tausende Besucher wohnten am Samstagabend dem Auftritt berüchtigter Bands wie Stahlgewitter oder Frontalkraft bei (siehe Box). Der Gemeinde hatten die Veranstalter einen Anlass mit Schweizer Nachwuchsbands vorgetäuscht.

Dass die Behörden das Konzert nicht verhindert haben, kritisieren Politiker scharf: «Offensichtlich fühlen sich Neonazis in der Schweiz sehr sicher», sagt etwa SP-Nationalrat Cédric Wermuth. Neonazis müssten gesellschaftlich geächtet werden. Er fordert die Behörden auf, vor Ort einzuschreiten. Auch müsse die Polizei in solchen Fällen mindestens in die Halle gehen und protokollieren, damit allfällige Straftaten Folgen hätten. Beat Flach (GLP) pflichtet bei: «Wir müssen das Rennen gegen solche Veranstalter gewinnen, damit die Schweiz nicht zum Tummelplatz der internationalen rechten Szene wird.» Die Behörden müssten jedes Gesuch genau prüfen. «Im Internet sind solche Veranstaltungen ja bereits bekannt.»

Kritik übte die SP auch am Nachrichtendienst des Bundes (NDB), der «unfähig» oder auf dem «rechten Auge blind» sei. Allerdings hatte der NDB die Kantonspolizei St. Gallen vorgängig über das Konzert informiert. Polizeisprecher Gian Andrea Rizzoli sagt dazu: «Leider erfuhren wir zu spät vom Konzert, um es zu verhindern.» Die Gemeinde will nun mit der Staatsanwaltschaft prüfen, ob das Gesetz verletzt wurde – etwa durch rechtsextreme Liedtexte.

Die Songs der rechten Bands

UNTERWASSER. Die Songs der Neonazi-Bands lassen keinen Zweifel offen. Es wird klar, dass sie einen rechtsextremen Hintergrund haben. So heisst es in einem Song der Band Stahlgewitter: «Ich weiss, dass Ihr sie nie vergesst: Ruhm und Ehre der Waffen-SS», wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. In einem weiteren Song heisst es: «Gesunde Bräune kommt von innen.» Die Schweizer Band Amok singt: «An Tagen wie diesen holen wir uns das Reich zurück.» Ähnlich die Band Frontalkraft: «Wir bekennen uns zu unserem Land, zu unserem Blut und unserer Art, auch zu dem, was vor 45 war.» 20M

«Die Neonazis sind gut vernetzt, sie haben sogenannte Kameradschaften»

Herr Urech*, warum gelingt es Neonazis immer wieder, in der Schweiz zu feiern?

Weil sie gut vernetzt sind und unter dem Tisch operieren. Die Neonazis haben sogenannte Kameradschaften an verschiedenen Orten. Am liebsten führen sie ihre Veranstaltungen in der Agglomeration durch.

Wie gehen Neonazis vor, wenn sie Räume mieten wollen?

Ein Schweizer Mitglied stellt unter dem Vorwand einer Geburtstagsfeier eine Mietanfrage – etwa für eine Turnhalle. Dazu gibt der Freundeskreis den Behörden gute Referenzen über das Mitglied ab – schon gehört der Raum ihm.

Genügen Hakenkreuze und rassistische Songtexte nicht, um einen Anlass zu stoppen?

Nein. Die Schweiz kennt weder ein Verbot für das Hakenkreuz noch für rechtsradikale Parteien. Das Antirassismusgesetz verbietet es lediglich, sich öffentlich rassistisch zu äussern. Da die Anlässe der Neonazis nicht öffentlich sind, dürfen die Teilnehmer dort propagieren, was sie wollen. BZ

*Urs Urech ist Experte für Rechtsextre-mismus