Facebook und Instagram verbannen QAnon – warum sind die Anhänger dieser Verschwörung so gefährlich?

nzz.ch

Facebook und Instagram verstärken ihren Kampf gegen Verschwörungstheorien erneut: Sämtliche Seiten und Beiträge mit Bezug zu QAnon sollen entfernt werden.

Corinne Plaga, Gabriela Dettwiler

Auf Wahlkampfveranstaltungen von Donald Trump tauchen immer wieder Anhänger der QAnon-Bewegung auf – zu erkennen an dem Buchstaben Q. Matt Rourke / AP

Die Sperrung betreffe Konten und Seiten auch dann, «wenn sie keinen gewalttätigen Inhalt haben», teilte Facebook Anfang Oktober (6.10.) mit. Im August hatte das soziale Netzwerk bereits rund 800 Gruppen, 100 Seiten und 1500 Anzeigen mit Verbindungen zu QAnon aus seinem Netzwerk entfernt. Für mehr als 10 000 Instagram-Konten, 440 Facebook-Seiten und fast 2000 Facebook-Gruppen wurden zudem Restriktionen verhängt, um die Reichweite von QAnon-Inhalten einzuschränken. Auch mehr als 300 sogenannte Hashtags – also Schlagworte – mit Bezug zu QAnon wurden in beiden Netzwerken blockiert.

Twitter hatte bereits vor knapp einem Monat mehr als 7000 Accounts, die QAnon-Unterstützern zugerechnet wurden, dauerhaft gesperrt. Auch andere Social-Media-Plattformen gehen verstärkt gegen die Ideologie vor.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Verschwörungsbewegung:

Die QAnon-Anhänger glauben an eine geheime Elite, den sogenannten «Deep State», der im Untergrund die Welt regieren soll. Mitglieder dieser angeblichen Geheimregierung sind wahlweise «mächtige Linke» wie Hillary Clinton und Joe Biden, Superreiche wie Bill Gates und George Soros oder generell «mächtige Juden», womit auch der Antisemitismus als verbindendes Element vieler Verschwörungstheorien bedient wird. Auch die Massenmedien würden von dieser Elite gesteuert.

Mitglieder dieser Elite würden ausserdem Kinder entführen, in unterirdischen Lagern versklaven und in satanischen Ritualen aus deren Blut Adrenochrom gewinnen, das sie als Droge und Verjüngungselixier nutzten. Im Buch «Fear and Loathing in Las Vegas» wird Adrenochrom fiktiv als Droge konsumiert, seither gibt es um das Stoffwechselprodukt von Adrenalin viele Mythen. Dabei kann der Stoff einfach synthetisch hergestellt werden und eine angebliche berauschende Wirkung ist wissenschaftlich unbewiesen.

Der einzige Politiker, der sich den dunklen Mächten im «tiefen Staat» entgegenstellt, ist laut den Anhängern der amerikanische Präsident Donald Trump. Dieser bedient sich selbst gerne der «Deep State»-Rhetorik. Auf Wahlkampfveranstaltungen des Präsidenten tauchten immer wieder Unterstützer mit Q-Symbolen auf.

Der Geburtsort von QAnon ist das umstrittene Internet-Forum 4Chan, auf dem sich auch eine Vielzahl an rechtsextremen, rassistischen und misogynen Inhalten findet. Im Oktober 2017 begann ein anonymer Nutzer, der sich «Q» nannte und als Informant aus dem engsten Kreis um Donald Trump ausgab, angebliche Insiderinformationen zu veröffentlichen. So behauptete er etwa, die Verhaftung von Hillary Clinton stehe kurz bevor – was sich nicht bewahrheitete. Bald scharte sich eine wachsende Gefolgschaft um den Nutzer und seine immer kryptischer werdenden Enthüllungen. Der Begriff QAnon setzt sich aus dem Nutzernamen «Q» und «Anon», der Abkürzung für Anonymous, zusammen. Aus den sogenannten «QDrops» und weiteren Verschwörungsmythen, die schon im Umlauf waren, wurde schliesslich die Mega-Verschwörung QAnon geschustert.

Einer dieser Verschwörungsmythen ist etwa der sogenannte «Pizzagate», dem Hillary Clinton 2016 zum Opfer fiel und der für die Entstehung von QAnon zentral ist. Die damalige Präsidentschaftskandidatin betreibe einen Pädophilenring und halte dafür Kinder im Keller einer Pizzeria in Washington gefangen – so lautete die Verschwörung. Die Theorie hatte reale Konsequenzen: Ein bewaffneter Mann stürmte die Pizzeria und wollte die Kinder retten. Nachdem er weder Kinder noch Keller finden konnte, gab er auf. Für die Befürworter der Theorie war das allerdings kein Beweis.

Mit Beginn der Corona-Krise bekam die QAnon-Bewegung viel Zulauf. Die Theorie einer mächtigen Elite, die im Untergrund die Geschicke der Welt bestimme, wurde auch auf die Pandemie übertragen. So bedient sich beispielsweise die Corona-Verschwörungstheorie, wonach Bill Gates hinter der Pandemie stecke und mithilfe der Covid-19-Impfungen Mikrochips unter die Haut der Menschen setzen wolle, bei vielen Elementen der QAnon-Verschwörung. Mit dem Musiker Xavier Naidoo oder dem Kochbuchautor Attila Hildmann, die immer wieder QAnon-Inhalte teilten, hatten die Theorien auch in Deutschland prominente Befürworter. Auch auf den Corona-Demonstrationen tauchten immer wieder Q-Symbole auf, und es kam zu einer Vermischung von Impfgegnern, Anhängern der QAnon-Bewegung und Gegnern der Corona-Massnahmen. In Krisenzeiten, in denen oft grosse Unsicherheit herrscht, sind Menschen besonders anfällig für alternative Erzählungen.

Bei Demonstrationen und in Online-Foren treten die Anhänger der QAnon-Bewegung teilweise aggressiv auf und hetzen gegen die angeblichen «Deep State»-Agenten. In Telegram-Gruppen, die für die Kommunikation benutzt werden, schrecken die Anhänger auch nicht vor Gewaltaufrufen zurück und rufen zum «Putsch» auf. Der deutsche Youtuber und QAnon-Anhänger Oliver Janich sagte schon 2018 in einem Video, das viral ging: «Viele Leute, die an der Macht sind, gehören eigentlich aufgehängt.» Der Verschwörungsideologe Attila Hildmann, der immer wieder gegen Politiker hetzt, forderte kürzlich an einer Demonstration in Berlin die Todesstrafe für den Grünen-Politiker Volker Beck und rief zum Lynchmord auf. Dieser erstattete daraufhin Anzeige gegen Hildmann. In den USA, wo die Bewegung schon länger aktiv ist, werden QAnon-Anhänger mit Gewaltakten, Kidnapping und Morden in Verbindung gebracht. Der angeklagte Mörder Anthony Comello zeigte im Gerichtssaal seine Handfläche mit einem aufgemalten Q und dem Trump-Slogan «MAGA», Make America Great Again.

Auch der Attentäter von Hanau, der im Februar zehn Personen ermordete, verbreitete Verschwörungstheorien, die sich mit der QAnon-Bewegung decken. Wie viele der Unterstützer glaubte er an eine «geheime Untergrundregierung» und an den angeblich von Eliten organisierten Kindesmissbrauch. In den USA stufte das FBI die QAnon-Bewegung bereits im Mai 2019 als mögliches Terrorrisiko ein. Der deutsche Verfassungsschutz hat laut ZDF indes Hinweise, dass einzelne Rechtsextremisten wie auch «Reichsbürger» der Theorie anhängen und sich daraus eine «Gefahr entwickeln könnte». Experten warnen davor, die QAnon-Bewegung und deren Anhänger zu unterschätzen.

Der amerikanische Präsident hat am Mittwoch (19.08.) eine Gelegenheit verstreichen lassen, sich von Anhängern der rechten QAnon-Verschwörungstheorie zu distanzieren. «Wie ich verstehe, mögen sie mich sehr, was ich zu schätzen weiss», sagte Trump auf einer Pressekonferenz im Weissen Haus. Er wisse zwar nicht viel über die Bewegung. Er habe aber gehört, dass sie an Popularität gewinne. Und: «Ich habe gehört, dass es Leute sind, die unser Land lieben.»

Von einer Reporterin darauf angesprochen, dass die QAnon-Anhänger glaubten, Trump rette die Welt «vor einem satanischen Kult aus Pädophilen und Kannibalen», sagte der Präsident: «Ich habe das nicht gehört. Aber soll das etwas Schlechtes sein oder etwas Gutes? Wenn ich helfen kann, die Welt vor Problemen zu retten, bin ich bereit dazu.» Seine Regierung rette die Welt bereits vor «radikaler linker Philosophie».

Ausserdem dürfte bei den Wahlen im November erstmals eine Anhängerin von QAnon in den Kongress gewählt werden: Marjorie Taylor Greene, Geschäftsfrau und republikanische Kandidatin für einen Wahlbezirk in Georgia, hat sich in der parteiinternen Vorwahl deutlich gegen ihren Konkurrenten durchgesetzt. Trump gratulierte ihr anschliessend auf Twitter zu ihrem Sieg und lobte sie als «kommenden republikanischen Star».

Laut der linken Beobachtungsstelle Media Matters versuchen insgesamt mindestens 70 Personen in den Kongress zu kommen, die mit QAnon verbandelt sind – die meisten allerdings ohne Erfolgschancen.

Seit 2017 hat sich die Verschwörungstheorie der QAnon-Bewegung auf mehreren Plattformen wie Twitter, Facebook und Youtube kontinuierlich verbreitet. Dem deutschsprachigen Youtube-Kanal Qlobal-Change folgen beispielsweise 100 000 Abonnenten. Oliver Janichs Kanal zählt mehr als 150 000 Abonnenten. Dort wird das Narrativ des «Deep State» in Videos verbreitet, über eine «Corona-Diktatur» sinniert und gegen Massenmedien gehetzt. Seit Beginn der Pandemie haben Telegram-Gruppen von QAnon-Anhängern massiven Zulauf erhalten. Das wies unter anderem der Politikwissenschafter Josef Holnburger in seiner Analyse nach.

Rechte Verschwörungstheoretiker auf Telegram „profitieren“ von der Coronakrise. Einige Kanäle sind in der vergangenen Woche extrem gewachsen (Tabelle: Zuwachs in der vergangenen Woche). Lügen und Verschwörungstheorien über Covid-19 dominieren auf Telegram. Ein Thread. 1/12 pic.twitter.com/XMGuOZRmJU— Josef Holnburger (@holnburger) March 30, 2020

Auch Prominente wie Naidoo und Hildmann nutzen die Messenger-App als neue Form der Kommunikation. Unter zahlreichen QAnon-Videos auf Youtube wird auf Telegram-Kanäle aufmerksam gemacht. Die verschlüsselte App wird von vielen Nutzern als Alternative zu anderen Messenger-Apps angesehen, da die Verbreitung von Inhalten nicht so schnell unterbunden wird und sie sich ungestört austauschen können. Öffentliche Gruppen haben zudem keine Teilnehmerbegrenzung. Die beliebtesten Beiträge werden auf Telegram weit mehr als 100 000 Mal angesehen. Oft finden sie nach dem Posten den Weg in andere soziale Netzwerke.

In den Chat-Gruppen fühlen sich die QAnon-Anhänger sicherer als auf Facebook und Co. Zudem gibt es bei Telegram keine Algorithmen, die Inhalte priorisieren, oder Teams, die Inhalte löschen. Mehr als 400 Millionen Nutzer weltweit zählt die App mittlerweile. In den sozialen Netzwerken und an Demonstrationen verbreiten die Anhänger kryptische Nachrichten, wie zum Beispiel «WWG1WGA», das für «Where we go one, we go all» (sinngemäss «Einer für alle, alle für einen») steht.

Seitdem Twitter Mitte Juli Tausende Konten der QAnon-Bewegung sperrte, ist das Thema auch bei anderen Netzwerken präsenter. Die bei Jugendlichen beliebte App Tiktok ging ebenfalls gegen einen QAnon-Channel vor und entfernte damit verbundene Hashtags. Während sich die Anhänger auf Twitter und Co. eher radikalisierten, würden auf Tiktok vor allem «neue, junge Mitglieder rekrutiert», so ein Experte gegenüber der Plattform Cyberscoop.

Auch die Online-Netzwerke Facebook und Instagram haben den Kampf gegen die Verschwörungstheoretiker aufgenommen. So hat Facebook und Instagram Anfang Oktober angekündigt, alle Seiten, Gruppen und Konten mit Verbindungen zu QAnon zu sperren, «selbst wenn sie keinen gewalttätigen Inhalt haben».

Im August hatte Facebook bereits rund 800 Gruppen, 100 Seiten und 1500 Anzeigen mit Verbindungen zu QAnon aus seinem Netzwerk entfernt. Für mehr als 10 000 Instagram-Konten, 440 Facebook-Seiten und fast 2000 Facebook-Gruppen wurden zudem Restriktionen verhängt, um die Reichweite von QAnon-Inhalten einzuschränken. Auch mehr als 300 sogenannte Hashtags – also Schlagworte – mit Bezug zu QAnon wurden deshalb in beiden Netzwerken blockiert.

Das Messageboard Reddit hat bereits 2018 den bekanntesten Subreddit zu QAnon-Inhalten entfernt. Der Subreddit hatte bis zur Löschung 70 000 Mitglieder. Telegrams Richtlinien sehen vor, dass nur «öffentlich zugängliche Inhalte», also öffentliche Kanäle, Gruppen, Sticker oder Bots, gesperrt werden können, sollten diese gegen das Gesetz oder Urheberrecht verstossen.

Vor fünf Jahren sperrte Telegram Kanäle, die in Verbindung mit dem Islamischen Staat standen. «Terroristische Bots und Kanäle werden von uns blockiert, jedoch werden wir keinesfalls Nutzer daran hindern, auf friedliche Weise alternative Meinungen zum Ausdruck zu bringen», heisst es in einem früheren Statement der Betreiber. Ausserdem steht in den Richtlinien: «Alle Telegram- und Gruppen-Chats sind die Privatsache der jeweiligen Nutzer, und wir nehmen keine Anfragen dazu an, diese zu bearbeiten.» Die App wurde von russischen Programmierern entwickelt, hat ihren Sitz aber in Dubai. Unter dem Suchbegriff QAnon bzw. Qlobal finden sich derzeit mehrere öffentliche Gruppen, die grösste deutschsprachige Gruppe zählt knapp 120 000 Abonnenten.