Ein Pnos-Aktivist hetzte im Internet straflos gegen Schwule. In Zukunft kämme er dafür wohl an die Kasse

Neue Zürcher Zeitung.

Die geplante Strafnorm zum Schutz vor Hass gegen Schwule und Lesben dürfte nur wenige Verurteilungen zur Folge haben. Aber in einem konkreten Fall von letztem Jahr wäre der neue Artikel wohl zur Anwendung gekommen.

Hate-Speech soll in Zukunft auch dann bestraft werden können, wenn es um die sexuelle Orientierung geht: Das sieht die neue Strafnorm vor, über die im Februar abgestimmt wird. Ein Bericht über homophobe Tendenzen in der Schweiz löste in den sozialen Netzwerken zahlreiche Reaktionen aus. So berichtet ein NZZ-Leser auf Instagram von einer Prügelattacke in aller Öffentlichkeit: «Gegen 23 Uhr sassen wir auf einem Bänkchen am Zürichsee und küssten uns.» Auf einmal seien drei Männer gekommen. Einer habe gefragt, «ob wir Schwuchteln seien». Obwohl das Paar aus Angst verneinte, seien die Männer aggressiv geworden und hätten schliesslich zugeschlagen. Die herbeigerufene Polizei sei nicht nur zu spät am Tatort gewesen, sondern habe wegen fehlender Erfolgsaussichten von einer Anzeige abgeraten. Grundsätzlich wäre die Attacke aber strafbar gewesen.

Pnos-Vertreter trotz Hetze freigesprochen

Doch es gibt auch andere Fälle – solche, bei denen heute offen homophobes Gedankengut straflos geäussert wird und der Beschuldigte nach neuem Recht wohl belangt werden könnte. So publizierte ein Mitglied der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) auf der Website der Partei einen Artikel, in welchem Homosexualität über ganze Absätze als Gefahr für die Gesellschaft gebrandmarkt wird.

Dabei setzte der Autor Homosexuelle als «demografische Deserteure» herab, weil schwule und lesbische Paare keine Kinder zeugen können. Homosexualität begünstige ausserdem Pädophilie. Aus diesen Gründen sei «die Anerkennung der Homosexualität keine Lösung», hetzte der Rechtsaussen-Aktivist. Trotz dem abfälligen und niederträchtigen Inhalt musste die zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Innerrhoden das Verfahren Anfang des letzten Jahres schliesslich einstellen.

Gemäss Praxis des Bundesgerichts kommt weder der Tatbestand der Ehrverletzung noch die bestehende Strafbestimmung der Rassendiskriminierung zur Anwendung: Die Ehrverletzung schütze grundsätzlich nur den Ruf und das Gefühl einzelner Betroffener, ein ehrbarer Mensch zu sein, begründete die Staatsanwaltschaft ihren Entscheid auf Einstellung des Verfahrens. Und bei der Rassismusstrafnorm werden gegenwärtig nur Personengruppen aufgrund ihrer Rasse, ihrer Ethnie oder ihrer Religion – nicht aber aufgrund ihrer sexuellen Orientierung – geschützt.

Diese Lücke soll die Strafnorm schliessen, über die im Februar abgestimmt wird. Tatsächlich erklärte die Appenzeller Staatsanwaltschaft in ihrem Entscheid, dass «gleichlautende Schriften, wie die des Beschuldigten, zukünftig möglicherweise strafbar werden».

Die Befürworterinnen und Befürworter erhoffen sich von der neuen Strafnorm so zusätzlichen Schutz, indem in Zukunft auch Hetze geahndet werden könnte, die sich nicht gegen einzelne Personen, sondern gegen eine ganze Gruppe richtet. Vor allem aber soll auch die diskriminierende Verweigerung von Dienstleistungen belangt werden können.

Kind schwuler Eltern darf nicht in die Kita

Strafbar wäre es etwa, wenn ein Hotel in einem Prospekt darauf aufmerksam macht, dass Schwule nicht bedient werden. Mit einer solchen Strafnorm signalisiere die Gesellschaft, dass sie homophobe Tendenzen nicht toleriere, lautet die Hoffnung. Anders als bei Beschimpfungen würde dabei nicht die individuelle Ehre des Einzelnen geschützt, sondern die Menschenwürde. Selbst Pink Cross, Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer, rechnet allerdings nur mit wenigen Verurteilungen pro Jahr.

In vielen auf den ersten Blick eindeutigen Fällen wird es nämlich selbst im Falle einer Annahme des neuen Gesetzes nicht einfach sein, eine Straftat nachzuweisen. So sorgte vor Weihnachten im Kanton Aargau eine Kita für Schlagzeilen, die sich geweigert haben soll, die Zwillinge eines homosexuellen Elternpaares aufzunehmen. Die Empörung war gross – weit über den Kanton hinaus.

Die Spielgruppen-Leiterin wehrte sich jedoch später gegenüber den Medien gegen die Behauptung, die Homosexualität habe für den Entscheid den Ausschlag gegeben. Zwar sei sie darüber tatsächlich verunsichert gewesen – doch als wahren Grund für die verweigerte Aufnahme gab die Leiterin mangelnde Sprachkenntnisse des Kindes an. Es wäre nicht einfach, das Gegenteil zu beweisen – selbst wenn in Wahrheit schwulenfeindliche Motive vorhanden wären.