Ehemalige Grenadiere im Fokus der Justiz

Tages-Anzeiger

Verstörende Videos Auf dem Diensthandy eines zivilen Angestellten der Kantonspolizei wurde eine Whatsapp-Gruppe entdeckt, in der pornografische Clips und rechtsextreme Botschaften verschickt wurden. Gegen die Mitglieder des Chats wird nun ermittelt.

Corsin Zander

Es sind verstörende Videos, welche die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift beschreibt. In einem ist zu sehen, «wie einem auf dem Rücken liegenden Mann Fusstritte und Kniestösse in die Genitalien versetzt werden». Auf einem anderen, «wie ein Mann durch eine Pistole eine letale Schussverletzung erleidet». Das Video zeigt den Innenraum eines Autos. Jemand hält einem Mann eine Schusswaffe an den Kopf und drückt ab. Das Blut schiesst in einem Strahl aus dem Kopf. So wurde es zumindest in der Hauptverhandlung am Bezirksgericht Bülach Mitte Oktober beschrieben.

Entdeckt wurden die Videos, als ein ziviler Angestellter der Kantonspolizei wegen häuslicher Gewalt im September 2019 verhaftet wurde. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte das Diensthandy des 40-Jährigen, der in leitender Funktion bei der Flughafenpolizei arbeitet. Er hatte die Videos in einem Whatsapp-Chat empfangen, der mit «Grenadiertreff» und der Bezeichnung einer konkreten Einheit beschrieben war.

Die Ermittlungen gegen den 40-Jährigen sind abgeschlossen. In mehreren weiteren Fällen befinden sie sich im Stadium des Vorverfahrens. Die Staatsanwaltschaft schreibt auf Anfrage, es liefen polizeiliche Ermittlungen gegen weitere Chatgruppenmitglieder, die «in mögliche strafbare Handlungen involviert» seien. Davon habe man «schon vor längerer Zeit Kenntnis erlangt». Noch liege die Verfahrensführung aber bei der Kantonspolizei.

Bekannte aus Isone

Das ist insofern brisant, als mindestens ein Mitglied dieser Chatgruppe selbst Kantonspolizist ist. So sagte es zumindest der 40-jährige Angestellte vor Gericht aus: Er habe nicht gedacht, dass die Videos rechtlich problematisch seien. Denn: «Auch ein Polizist der Kantonspolizei Zürich hat nie auf diese Videos reagiert.»

Ermittelt die Kantonspolizei Zürich also gegen einen eigenen Kollegen? Ein Polizeisprecher sagt dazu nur: «Im Hinblick auf die noch laufenden Verfahren können wir Ihnen keine Auskünfte erteilen.»

Beim Grossteil der Mitglieder der Chatgruppe dürfte es sich jedoch nicht um Polizisten handeln. Wie der Beschuldigte vor Gericht ausführte, habe diese Gruppe ursprünglich der Vernetzung gedient. Unter den Mitgliedern seien Personen, die «in guten Positionen in der Wirtschaft» arbeiten würden. Er lernte diese Freunde in Isone kennen, als er die Grenadierschule absolvierte und dort später als Unteroffizier arbeitete.

Zahlreiche Videos und Bilder, die im Chat verschickt wurden, hatten allerdings nichts mit Vernetzung zu tun. Bei mindestens drei davon sind der Besitz und der Versand rechtlich strafbar. Sie erfüllen laut der Staatsanwältin die Tatbestände der verbotenen Pornografie und der Gewaltdarstellung. Aber auch weitere Dateien sind problematisch. Sie werden im Prozess nur beiläufig erwähnt: Bilder mit rechtsextremem Inhalt etwa oder ein Video eines Suizids.

Berufung angemeldet

Solche Dateien widersprechen den Grundregeln, die sich Grenadiere selbst gegeben haben. Dazu gehören etwa «Vorbildlichkeit» oder «Respekt gegenüber anderen». Bei den Grenadieren handelt es sich um jene Einheit, die als Elite der Schweizer Armee gilt.

Ob und inwiefern es Angestellten der Kantonspolizei untersagt ist, solche Videos auf ihrem Diensthandy zu speichern, war nicht in Erfahrung zu bringen. Wegen des laufenden Verfahrens äussert sich die Polizei auch dazu nicht.

Für die Mitglieder der Whatsapp-Gruppe «Grenadiertreff» gilt die Unschuldsvermutung. Zumindest der zivile Angestellte der Flughafenpolizei ist erstinstanzlich vom Verdacht des Besitzes dreier verbotener Videos freigesprochen worden. Das Gericht glaubte ihm, dass er zwei Videos mit verbotener Pornografie nie gesehen hatte. Das Video, das den Kopfschuss im Auto zeigt, hatte der 40-Jährige bewusst auf dem Diensthandy abgespeichert. Er habe aber gedacht, dass das Video nicht echt sei, verteidigte er sich. Auch der Bezirksrichter sagte an der Hauptverhandlung: «Der Kopfschuss sieht sehr wenig realistisch aus.» Vom Hauptvorwurf der Nötigung und einfachen Körperverletzung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt wurde er ebenfalls vollumfänglich freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Dies schrieb sie zumindest in der Anklageschrift. Vor Bezirksgericht war die zuständige Staatsanwältin Mitte Oktober nicht erschienen. Nun hat sie aber bereits Berufung gegen das Urteil angemeldet und wartet das schriftliche Urteil ab. Sobald dieses vorliegt, wird sie entscheiden, ob sie den Freispruch ans Obergericht weiterzieht, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dort müsste sie dann ihre Ansicht vor Gericht darlegen.

Die Polizei ermittelt wegen eines Chats (Symbolbild). Foto: Thomas Egli