«Goldene Morgenröte» vor dem Aus

Bieler Tagblatt

Athen In der Finanzkrise inszenierten sich griechische Neonazis als Beschützer des Volkes – und terrorisierten Ausländer und Andersdenkende. Nun wandert die Führung ihrer Partei wohl hinter Gitter.

In Griechenland ist die Führungsspitze der rechtsextremistischen Partei Goldene Morgenröte gestern der Gründung einer kriminellen Vereinigung schuldig gesprochen worden.

Dazu gehört auch Parteichef Nikolaos Michaloliakos. Weitere Parteimitglieder und Ex-Abgeordnete wurden wegen anderer Straftaten verurteilt. Mit dem genauen Strafmass und der Begründung wird in den kommenden Tagen gerechnet. Den Verurteilten drohen Haftstrafen bis zu zehn Jahren. Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou sprach von einem «bedeutenden Tag für die Demokratie».

Mord an linkem Rapper zwang die Justiz zum Handeln

Von den ursprünglich 69 Angeklagten – einer starb während des Prozesses – wurden mehr als 40 verurteilt. 18 Führungskader wurden der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden. Michaloliakos und sechs weitere wurden zudem wegen Führung einer solchen Vereinigung verurteilt. Weitere Urteile gab es in Zusammenhang mit dem Tod des Rappers Pavlos Fyssas, der 2013 von einem Parteianhänger erstochen wurde. Der Täter wurde wegen Totschlags verurteilt, weitere 15 Parteimitglieder als Mittäter.

Schon vor dem Urteil hatten sich viele Demonstranten seit dem frühen Mittwochmorgen auf Athens Strassen versammelt, um gegen Faschismus zu protestieren. Als das Urteil bekannt wurde, brandete Applaus auf. Autonome nutzten die Gunst der Stunde für Krawalle. Die Polizei setzte Tränengas ein. Die Lage beruhigte sich schnell, weil vorsorglich gut 2000 zusätzliche Polizisten eingesetzt worden waren.

Das Mammutverfahren hatte mehr als fünf Jahre gedauert. Als Auslöser gilt der Tod des Rappers. Daraufhin ging der Staat nicht nur gegen den Täter, sondern gegen die Partei vor. Schliesslich wurde gegen Parteimitglieder und Funktionäre Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegalen Waffenbesitzes und Körperverletzung erhoben.

«Der langen demokratischen Tradition unseres Landes sind Phänomene extremer politischer Gewalt fremd», sagte Präsidentin Sakellaropoulou, selbst eine ehemalige Richterin. Das Urteil beweise, dass sich der Staat wehren könne. Auch Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis wertete das Urteil als Sieg für die Demokratie. «Der Kampf gegen Rassismus und Hass gegen Andersdenkende geht weiter. Es liegt in unserer Hand, dass die Demokratie jeden Tag siegt.»

Offene Anlehnung an Symbole des Nationalsozialismus

Zur Symbolfigur wurde während des Prozesses die Mutter des toten Rappers: Magda Fyssa war an so gut wie jedem der insgesamt rund 450 Verhandlungstage im Gericht. Nach dem Urteil verliess sie den Saal mit erhobenen Fäusten und rief immer wieder den Namen ihres Sohns.

Parteigründer Michaloliakos fehlte bei der Verkündung. Er hatte den Prozess als politische Verschwörung abgetan. Er selbst sei kein Nazi, sondern Nationalist. Vor und nach seiner Festnahme 2013 hatte Michaloliakos vor laufenden Kameras jedoch immer wieder auf Griechisch «Sieg Heil» gerufen. Auch die Flagge der Partei, das antike Symbol des Mäanders, erinnert an die Hakenkreuzfahnen des Dritten Reiches.

Die «Goldene Morgenröte» sass jahrelang im Parlament. Während Griechenlands schwerer Finanzkrise war sie sogar drittstärkste Kraft. Bei den Wahlen 2019 scheiterte sie an der Drei-Prozent-Klausel. Politisch war die Partei bereits vor dem gestrigen Urteil am Boden. Beobachter der politischen Szene werten das Urteil als ihr endgültiges Ende. sda

Aufmärsche im Stil der 1930er-Jahre: Demonstration der «Goldenen Morgenröte» 2017. keystone