Die Stadt Luzern springt über ihren eigenen Schatten

TagesAnzeiger

Die Urner Behörden sind froh, dass die Feier auf dem Rütli stattfindet. An den Kosten beteiligen sich Private und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft.

Von Thomas Bolli, Luzern

Der Berner FDP-Nationalrat Johann Niklaus Schneider-Ammann hat sich – zusammen mit Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek und einem kleinen Unternehmerkreis – bereit erklärt, einen Teil der Sicherheitskosten für die Rütlifeier zu übernehmen. Dieses Angebot hat die Stadt Luzern über den eigenen Schatten springen lassen. Sie stellt sich als Abfahrtsort für die Schiffe zur Verfügung, die die Gäste aufs Rütli bringen sollen. Die beiden Rednerinnen, Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey und Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi, zeigten sich erfreut über die Wende (siehe Kasten). Erste Kontakte mit dem Kreis um Schneider-Ammann hatten bereits vor einigen Wochen stattgefunden. «Das ist ein Befreiungsschlag», sagt die Luzerner Sicherheitsdirektorin Ursula Stämmer.

Die Innerschweizer Kantone hatten ihre Bereitschaft, 2007 eine Feier auf dem Rütli zu ermöglichen, von einer Kostenbeteiligung des Bundes abhängig gemacht. Man sprach von 100 000 bis 200 000 Franken. Da der Bundesrat nicht zahlen wollte, stellte kein Ort am Vierwaldstättersee seine Schiffsstation zur Verfügung. Als Erste geweigert hatte sich die Schwyzer Gemeinde Brunnen, von wo aus die Schiffe traditionellerweise aufs Rütli ablegen.

Die Luzerner Stadtregierung erklärte gestern zwar, der Sponsor wolle anonym bleiben. Der Name wurde dennoch bekannt. Das finanzielle Angebot habe es der Stadt erleichtert, auf den Entscheid zurückzukommen, sagte Sicherheitsdirektorin Ursula Stämmer. Dass man über eine Absage der Feier unglücklich wäre, hatten Luzern und der Kanton Uri glaubwürdig und wiederholt betont.

Entscheid fällt am Freitag

Definitiv gerettet ist die Feier allerdings noch nicht. Die Rütli-Kommission wird morgen die letzten Entscheide treffen. Sie, respektive die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), wird im Übrigen – anders als noch vor einem Jahr – für die Kosten aufkommen, die die aufwändigen Billettkontrollen bei der Schiffsstation verursachen. Die SGG wird einen privaten Sicherheitsdienst damit beauftragen. Auch dies hatten die Innerschweizer Kantone gefordert. 2006 wurden die Zutrittkontrollen auf die Schiffe noch von Polizisten durchgeführt.

«Die Machbarkeit der Rütlifeier ist jetzt gegeben», sagt Martin Hofer, Sprecher der SGG. Die Zutrittsbillette werden laut Hofer vor allem über die Frauenorganisation Alliance F verteilt werden. Aus Sicherheitsgründen werden nur 2000 Personen aufs Rütli gelassen – die kleine Wiese am Urnersee bietet kaum Fluchtmöglichkeiten.

Erfreut und erleichtert ist der Urner Sicherheitsdirektor Josef Dittli. Die Situation werde berechenbarer, und der finanzielle Aufwand für Uri werde wohl geringer sein als 2006. Zudem sei es staatspolitisch richtig, dass die Feier stattfinden könne. Die Innerschweizer Kantone hatten wiederholt betont, sie müssten ihre Polizeien in Bereitschaft halten, auch wenn die Feier nicht stattfinde. Es wurde unter anderem diskutiert, ob man die Nationalwiese am 1. August gänzlich absperren soll. Bereits im Januar hatte Uri die Bewilligung für eine Feier auf dem Rütli erteilt. Einer Neuerteilung der Bewilligung scheint nun nichts mehr im Wege zu stehen.

Rechte und Linke werden kommen

Bei der rechtsextremen Partei Pnos tönt es wie stets: Man werde am 1. August aufs Rütli reisen. Daniele Jenni von der linken Gruppierung Bündnis für ein buntes Brunnen sagt, man werde gegen den Aufmarsch von Rechtsextremen demonstrieren. Bei der Stadt Luzern hat Jenni bereits ein Gesuch für eine antifaschistische Kundgebung eingereicht.

Die Stadt Luzern hat gestern klar gemacht, dass ihr Angebot, Abfahrtsort für die Rütlischiffe zu sein, nur für dieses Jahr gilt. Sie fordert künftig mehrere dezentrale oder im jährlichen Turnus abwechselnde Ablegestellen. Dieses Konzept haben Stadt und Kanton Luzern bereits früher vorgeschlagen.

Calmy-Rey und Egerszegi wollen starkes Signal setzen

Die höchsten Schweizerinnen können nun doch aufs Rütli. Die Rütlikommission betont, dem sei bisher lediglich die Politik im Wege gestanden.

Von Bettina Mutter, Bern

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey hatte immer betont, sie werde am 1. August auf dem Rütli sein. Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi hingegen hatte abgesagt, nachdem die Rütlikommission am 24. Mai entschieden hatte, die Feier könne wegen fehlender Transportmöglichkeiten und wegen mangelhafter Sicherheit nicht stattfinden. Gestern sagte die FDP-Nationalrätin: «Wenn eine offizielle Feier stattfindet und ich dazu eingeladen bin, dann werde ich auf dem Rütli sein – sonst aber sicher nicht.»

An ihrer Sitzung wird die Kommission morgen das Nötige regeln. Sie wird auf ihre Aussage zurückkommen, wonach es «beschämend» sei, dass die Durchführung der offiziellen Feier verunmöglicht wurde. Nun, da die Hindernisse aus dem Weg geräumt scheinen, sagt Kommissionssprecher Martin Hofer: «Es war nie eine organisatorische Frage. Es war immer ein politisches Problem.» Noch am Montag hatte der Bundesrat bekräftigt, er würde einen subsidiären Armeeeinsatz befürworten, sonst aber keine Mittel für die Sicherheit sprechen. Und nicht nur die Sicherheit spielte eine Rolle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht alle Kommissionsmitglieder Freude haben, dass die Frauenorganisation Alliance F die Feier organisiert.

Calmy-Reys Sprecher Johann Aeschlimann sagte, die Bundespräsidentin sei froh, «dass die Zugangsprobleme gelöst werden konnten». In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Facts» erklärt sie zudem, es gehe ihr «um die Verteidigung von Freiheiten». Sie wolle vom Rütli aus «ein starkes Signal aussenden»: Sie und Egerszegi verkörperten «die moderne, offene Schweiz».