Das Netzwerk der Jungen Rechten

An der letzten Vorstandssitzung der Jungen SVP (JSVP) entging David Trachsel knapp der Abwahl. Nur eine Stimme verhinderte die Palastrevolte in der JSVP. Die interne Opposition warf Trachsel vor, mit seiner Themensetzung Nebenschauplätze zu bedienen und nicht auf die «wirklichen» Probleme der Bevölkerung einzugehen. Um die Politik David Trachsels besser zu verstehen, haben wir ihn und sein Umfeld genauer beleuchtet – und stiessen dabei auf ein Netzwerk zwischen Junger SVP, Identitären und der Jungen Tat.

Am 16. Oktober 2021 postete Wilhelm Wyss – damals Vorstand JSVP Basel – ein Bild auf Instagram mit dem Kommentar: «Mit @davidtrachsel, @padihodel und Martin Farkas an der Demo letzte Woche. Zusammen gegen das Covid-Gesetz! Zurück zur Normalität!». Auf einem weiteren Bild ist wieder David Trachsel Arm in Arm mit Wilhelm Wyss und Martin Farkas abgebildet. Auch sonst sind diese drei Männer aus Basel oft zusammen unterwegs. Die beiden Bilder und fast alle anderen Hinweise auf ihre Freundschaft wurden jedoch mittlerweile aus dem Internet entfernt. Und dies aus gutem Grund. Denn schaut man sich die Männer genauer an, zeigt sich hier exemplarisch die Überschneidung von organisierten Neonazis und der JSVP. Trachsel negiert diese Verbindungen und versucht sie so gut als möglich zu kaschieren.

Enge Freunde: Wilhelm Wyss, Maksym Barda, David Trachsel und Martin Farkas (v.l.n.r.)

Wilhelm Wyss ist mittlerweile nicht mehr bei der SVP. Er bezeichnet sich selbst als «Christ, Eidgenosse, Patriot, Konservativ, Prorussisch» und präsidiert den Verein «JUEF – Jugend für Ehe und Familie». Mit seinem Verein setzt er sich aktiv gegen die «Ehe für alle» ein und pflegt auf Social Media engen Kontakt zur organisierten Neonaziszene. Martin Farkas ist aktiv bei der Jungen SVP Basel-Stadt. Er nimmt intensiv am Parteileben der SVP teil, so an zahlreichen Stammtischen, an Unterschriftensammlungen oder gemeinsam mit Trachsel an Aktionen. Der fromme Martin Farkas ist, wie Wilhelm Wyss, beim erwähnten Verein JUEF tätig. Fast immer schmückt er sich mit Kleidermarken der extremen Rechten. Hier mit einem Pullover von «Peripetie», da mit einem Shirt von «Phalanx Europa». Diese Kleider sind nicht in herkömmlichen Shops erhältlich, sondern ausschliesslich auf einschlägigen Webshops. Wer sie trägt, setzt bewusst ein Statement. Unter diversen Pseudonymen ist Farkas auf Social Media aktiv. Auf Instagram liked er jeden Post der «Jungen Tat» und kommentiert kräftig mit. Für Aussagen wie «Fuck Antifa, fuck leftism, fuck socialism, fuck communism and fuck liberalism» erhält Farkas von Nazis der «Jungen Tat» bis zur «Kameradschaft Edelweiss», aber auch von oben genanntem Wilhelm Wyss breiten Applaus. Die Männer verbindet nicht nur eine Freundschaft, sondern auch eine gemeinsame Mission: Sie wollen nationalistische und religiös-konservative Diskurse in die Mitte der Gesellschaft tragen. Alle stammen aus einem streng katholischen Milieu und sind getrieben von einer Abscheu auf die Moderne.

Geliked von Wilhelm Wyss und Beni Jaiser (ehem. SVP), Tobias Lingg (Junge Tat) und Nazis.

Im Jahr 2021 wurde Farkas bei der Gruppe «Korrektiv Schweiz» aktiv. Diese Gruppe wollte ein rechtes Medienprojekt gegen den «linken Mainstream» starten. «Unser Ziel ist nichts anderes als eine rechte Zivilgesellschaft und ein Aufbrechen der alten Strukturen». Weit gebracht hat es die Gruppe nicht: Ihre sogenannte Medienarbeit bestand hauptsächlich aus Strassenumfragen, hinterlegt mit dem immer gleichen Soundtrack. Die Themen: Gender, Political-Correctness, Schulsystem, Hate-Speech und Corona.

Trotz ihres Scheiterns ist «Korrektiv Schweiz» als Sammelbecken unterschiedlicher rechter Aktivist*innen wichtig. Die Webseite wurde vom Aarauer IT-Unternehmer Stefan Schmid erstellt, welcher auch die Webseite der Identitären Bewegung Schweiz betreut. Zentral beim «Korrektiv Schweiz» war die selbsternannte «rechte Influencerin» Elena Wild, welche bis 2019 bei der Jungen SVP Kanton Zürich im Vorstand tätig war. Auch Elena Wild pflegt Kontakte zur Identitären Bewegung (IB). So besuchte sie das Morgartendenkmal mit drei weiteren Kollegen, einer davon im T-Shirt der Identitären Bewegung. Auf einem anderen Bild posiert sie zusammen mit Mass-Voll Chef Nicolas Rimoldi und Christian Huber. Huber ist Vorstandsmitglied der Jungen SVP Luzern und war langjähriges Kader der rechtsextremen Partei PNOS.

Elena Wild mit drei Kollegen vor dem Morgartendenkmal.

Olivier Chanson ist eine weitere Verbindung zwischen «Korrektiv Schweiz» und der SVP. Ab 2018 bis heute ist er in unterschiedlichen Vorstandsämtern der SVP Kanton Zürich aktiv und kandidierte 2019 gar für den Nationalrat. Chanson fabuliert schon lange vom sogenannten «Bevölkerungsaustausch», einem rechtsextremen Narrativ, nach dem die europäische Bevölkerung durch die Zuwanderung ausgetauscht werden soll. Auf Facebook verharmlost er den rechtsterroristischen Anschlag in Hanau, hetzt gegen Migrant*innen und war die letzten beiden Jahre in der Corona-Leugner-Szene aktiv. Zudem pflegt er Kontakte zu Mitgliedern der Identitären Bewegung. So half ihm kein geringerer als Stefan Benjamin Thöny bei einem Video für seine Bachelor-Arbeit. Thöny ist Teil der Identitären Bewegung und bestens nach Deutschland vernetzt. Seine Beiträge auf Youtube und Instagram haben eine grosse Reichweite und werden von den Nazis der Jungen Tat genauso gefeiert, wie von diversen SVP-Mitgliedern und organisierten Nazis. Im April 2022 nahm Thöny am Aktivistenwochenende der IB Schwaben teil, wo auch Manuel Corchia –  einer der Hauptprotagonisten der Jungen Tat – anwesend war.

Neben Mitgliedern der Jungen SVP und Personen der Identitären Bewegung Schweiz, sind auch Mitglieder der Jungen Tat im «Korrektiv Schweiz» tätig. So beispielsweise Marc Schweizer: Schweizer kommt aus Riehen und war zusammen mit Saskia Clauwaert in der Jubla – die beiden sind befreundet. Beide sind heute aktiv bei der Jungen Tat, gehen mit auf Wanderungen und nehmen an Aktionen teil.

Auch Moritz Frey, eine weitere zentrale Figur der Jungen Tat, hat noch im Frühling 2021 Videos für das rechte Medienprojekt produziert. Bereits damals war Moritz Frey auch bei der Jungen Tat aktiv. Mittlerweile ist Moritz eines der bekanntesten Gesichter der Jungen Tat und zeigt sich bei Aktionen gerne im Vordergrund.

Das «Korrektiv Schweiz» ist ein Sammelbecken von Identitären, SVP-Mitgliedern und Nazis der Jungen Tat. Hier vernetzen sie sich, hier arbeiten sie zusammen und entwickeln ideologische Perspektiven. Als Medienprojekt ist «Korrektiv Schweiz» lächerlich gescheitert. Für die Biographie, die Ideologie und das Netzwerk rechter Akteur*innen ist es aber wichtig. Die Corona-Pandemie entfachte eine rechte Massenbewegung, in der sich rechte Jugendliche und junge Erwachsene politisierten und aktiv wurden. Die Berührungsängste zwischen den unterschiedlichen rechten Exponent*innen verflogen und ideologisch näherten sich die Spektren an. Die Mitglieder der Jungen SVP tragen dabei die Ideologie in die Partei, die Nazis der Jungen Tat sorgen für den szenigen Touch und die Leute der Identitären Bewegung wissen genau, wie man beides verbindet.

David Trachsel setzte von Anfang an auf dieselben Themen wie das «Korrektiv Schweiz». Oder präziser: er bediente von Anfang an die Narrative der extremen Rechten und verpackte sie so, dass sie gerade noch – meist begleitet von einem kurzen medialen Aufschrei – als gesellschaftsfähig durchgingen. Auch als Person bewegt er sich nahe an der Szene. Nicht nur durch seine Freunde Farkas und Wyss, auch mit Personen der Verschwörungs-Szene steht er in Kontakt und besucht deren Events.

Am 11. März 2023 fand in Bern eine sogenannte «Friedenskundgebung» statt. Die Kundgebung wurde von Mass-Voll organisiert. Nebst Verschwörungserzähler*innen und Corona-Leugner*innen trat auch SVP-Nationalrat Andreas Glarner als Redner auf. Die SVP selbst rief nicht zu der Kundgebung auf, Andreas Glarner agierte im Alleingang – zumindest fast. Denn Trachsel und mit ihm die Junge SVP mobilisierten ebenfalls für den Anlass.

Eine Woche vorher veröffentlichte die Junge SVP ein Video mit dem Titel «Neutralität verteidigen». Darin inszenieren sich Trachsel und weitere Jungpolitiker*innen als die wahren Verteidiger*innen der Schweizer Neutralität. Mit martialischem Gehabe zerstören schwarzgekleidete und vermummte Gestalten mit Baseballschlägern eine aufgestellte Holzskulptur vor dem Telldenkmal in Altdorf UR. Die Szenen erinnern stark an die sehr ähnlich gestalteten Videos der Jungen Tat, durch welche diese Gruppierung viel Aufmerksamkeit erregte. So erstaunt es nicht, dass die Nazis der Jungen Tat auf Social Media das Video fleissig weiterverbreiteten.

Trachsel selbst war auch an der Kundgebung in Bern anzutreffen, zusammen mit ihm Carla Anaba Olinga-Holtz – Vorstand SVP Birmensdorf ZH. Die beiden standen vorne in der Menge und lauschten den Reden. Nur zwei Reihen weiter vorne: sechs Mitglieder der Jungen Tat. Kurze Zeit nach der Ankunft der Jungen Tat umarmt Carla deren beiden Hauptprotagonisten – Tobias Lingg und Manuel Corchia – innig. Man kennt sich. Nach dem Ende der Kundgebung verlässt Carla den Bundesplatz zusammen mit den Rechtsextremen in Richtung Bahnhof.

Tobias Lingg (Junge Tat) an der «Friedenskundgebung» in Bern.

Das Verhältnis zwischen Teilen der Jungen SVP und der Jungen Tat ist und bleibt «innig». Die Junge Tat nimmt an Anlässen der SVP teil, so an einem Vortrag von Roger Köppel in Uster, oder am «Buurezmorge» der SVP in Bern Bümpliz. Die Junge SVP feiert die Aktionen der Jungen Tat und sucht deren Nähe. Ideologisch gibt es zwischen der Jungen Tat und der Jungen SVP nur noch wenig Differenzen. Trachsel bringt die Partei auf Linie. Auf der Strasse bedient sich die Junge Tat des gleichen Vokabulars wie die Junge SVP und verwendet dieselbe Bildsprache. Wie jüngst bei einer Aktion in Basel, wo sie das schwarze Schaf der bekannten SVP-Kampagne in Szene setzten. Die Aufmerksamkeit, welche die Junge Tat mit ihren Aktionen erregt, hilft im Wahljahr auch der Jungen SVP. Darauf zumindest spekuliert Trachsel und platziert seine Partei im Fahrwasser des antifeministischen und rassistischen Diskurses von Rechtsaussen. Nicht zuletzt deshalb kam es zum Aufschrei innerhalb der Jungen SVP. Nicht alle sind der Meinung, dass dies die richtigen Themen seien. Doch der Mutterpartei SVP passt das Vorgehen. Eine Jugendbewegung von Rechts, konservativ, religiös, männlich und kampferprobt, kann nur im Sinne der Partei sein.

Die Grenzen zwischen Neonazis und der Jungen SVP sind nicht nur beim Korrektiv fliessend. Auch bei den Jeunes UDC Valais Romand sind mehrere Mitglieder Teil der rechtsextremen Westschweizer Gruppe Militants Suisses. Ebenso in Luzern. In St. Gallen ist mindestens ein Mitglied der Jungen Tat bei der JSVP aktiv. Den meist männlichen Neonazis bieten sich in der Volkspartei – im Gegensatz zu den Kleinstparteien am rechten Rand – zudem gewisse Karrierechancen. So hat sich schon der eine oder andere rechtsextreme Aktivist in der SVP hochgedient.