Auf dem Rütli kehrt keine Ruhe ein

TagesAnzeiger

Die Rechtsextremen rufen erneut zum Gang aufs Rütli auf. Die Polizei wird sie wohl gewähren lassen, obwohl sie gegen die Nutzungsbestimmungen der Nationalwiese verstossen.

Von Daniel Foppa

Das Aufatmen war von kurzer Dauer. Kaum war die Rütlifeier vorbei, rief die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ihre Gesinnungsgenossen dazu auf, am kommenden Sonntag aufs Rütli zu strömen. «Es ist Zeit für einen weiteren Schlag gegen die Etablierten», teilte die Pnos mit. Auf dem Rütli sollen Würste gebraten und zwei Reden gehalten werden. Sollte die Polizei das Vorhaben erneut unterbinden, will die Pnos «jedes Wochenende einen Aufruf machen, bis dem ausgeweideten Staatsskelett das Moos ausgeht».

Die Absicht der Pnos widerspricht den Nutzungsbestimmungen des Rütli. Anlässe mit mehr als 50 Personen sind bewilligungspflichtig. Und Veranstaltungen politischer Parteien werden nicht geduldet. «Wir haben auch schon ein Gesuch der GSoA abgewiesen», erklärt Martin Hofer, Sprecher der Gemeinnützigen Gesellschaft. Als Bundesrat Christoph Blocher 2005 seinen «Rütlirapport» hielt, tat er das nicht im Rahmen einer SVP-Veranstaltung, sondern als Teilnehmer der Feierlichkeiten zum Gedenken an General Guisans Rütlirapport von 1940.

Die Gemeinnützige Gesellschaft wird sich wohl damit abfinden müssen, dass sich die Pnos am Sonntag um die Nutzungsbestimmungen foutiert. Die Urner Polizei sieht jedenfalls keinen Anlass, das Rütli erneut abzusperren. «Das Rütli ist frei begehbar, und es findet keine Feier statt, die wir schützen müssten», erklärt Sicherheitsdirektor Josef Dittli. Die Polizei werde ohne Grossaufgebot vor Ort sein und allenfalls Personenkontrollen vornehmen. «Wer sich nicht an die Nutzungsbestimmungen hält, muss mit einer Verzeigung rechnen», sagt Dittli.

Luzern fordert Bundesengagement

In der Innerschweiz gibt bereits die nächste Rütlifeier zu reden. Am deutlichsten äussert man sich in Luzern, von wo aus die Schiffe die Gäste aufs Rütli brachten: «Der Bund ist gefordert, zusammen mit den Zentralschweizer Kantonen die nächste Rütlifeier zu planen», sagt der Stadtluzerner Polizeikommandant Ernst Röthlisberger. In diesem Fall sei es möglich, dass Luzern erneut als Abfahrtsort zur Verfügung stehe. Ansonsten solle ein anderer Ort die Aufgabe übernehmen. Röthlisberger kann sich auch vorstellen, dass die Schiffe von verschiedenen Orten ablegen.

Der Kanton Uri ist laut Sicherheitsdirektor Dittli weiterhin bereit, «am 1. August auf dem Rütli für Ruhe und Ordnung zu sorgen». Letztes Jahr mussten die Urner dafür 210 000 Franken externe Polizeikosten bezahlen. Dittli hält nichts davon, wie dieses Jahr private Sponsoren für Sicherheitskosten aufkommen zu lassen. «Nötig ist jedoch, dass die Solidarität unter den Zentralschweizer Kantonen spielt», sagt er mit einem Seitenhieb gegen den Kanton Schwyz. Dieser habe sich 2007 «der Verantwortung entzogen». Dessen ungeachtet erklärt der Schwyzer Landammann Alois Christen, man sei «keinesfalls bereit, so viel wie letztes Jahr für Sicherheitskosten auszugeben». Rund 940 000 Franken externe Polizeikosten mussten die Schwyzer Steuerzahler 2006 aufwenden, damit die Besucher via das stark bewachte Brunnen das Rütli erreichen konnten. «Wenn ein Bundesvertreter auf dem Rütli auftritt, soll auch der Bund etwas bezahlen», sagt Christen. Persönlich würde er eine bescheidenere Feier bevorzugen – verbunden mit der Hoffnung, dass diese keine Extremisten anziehe.

Huber-Hotz nicht als Bittstellerin

Gegen ein finanzielles Engagement des Bundes bei künftigen Rütlifeiern ist die Mehrheit der Bundesratsparteien. Für die SVP und die FDP ist die Rütlifeier eine1.-August-Feier wie andere auch. Und SP-Präsident Hans-Jürg Fehr sagt: «Die Kantone, die stets so erpicht auf ihre Polizeihoheit sind, müssen für die Sicherheit sorgen.» CVP und Grüne finden hingegen, der Bund solle einen Beitrag leisten – «erst Recht seit dem Sprengstoffanschlag in diesem Jahr», sagt CVP-Generalsekretär Reto Nause.

Organisiert wird die Rütlifeier von der Gemeinnützigen Gesellschaft. Deren designierte Präsidentin Annemarie Huber-Hotz erklärt, sie sei gegen eine nationale, vom Bund finanzierte Feier. «Ich werde bestimmt nicht als Bittstellerin in Bern auftreten», sagt die derzeitige Bundeskanzlerin. Gleichzeitig betont Huber-Hotz, dass der Bund jedes Jahr einen Beitrag zum Unterhalt der Rütliwiese beisteuere. Einen freiwilligen Unterstützungsbeitrag für die nächste Rütlifeier würde sie jedoch «nicht ablehnen».

«Eine kriminelle, gravierende Tat»

Altdorf. – Der nach der 1.-August-Feier mitten auf dem Rütli detonierte Sprengsatz bestand aus einem Feuerwerkskörper, der mit einem Zeitzünder zur Explosion gebracht wurde. Wie die Kantonspolizei Uri gestern mitteilte, wurde die Bundesanwaltschaft eingeschaltet. «Wäre der Sprengsatz eine halbe Stunde früher losgegangen, hätte es wahrscheinlich Verletzte gegeben», sagte der Urner Sicherheitsdirektor Josef Dittli. Personen in unmittelbarer Nähe des Sprengsatzes hätten Hörtraumata sowie leichte Verbrennungen erleiden können. Oder sie wären durch herumfliegendes Material verletzt worden. «Es wäre wohl zu einer Panik gekommen», erklärte Dittli.

Die Täter hatten ein Loch von 20 cm Breite und Tiefe ausgehoben und den Feuerwerkskörper mit Erde und Gras bedeckt, sodass ihn die Sicherheitskräfte bei der Kontrolle der Wiese nicht fanden. Dittli bezeichnete den Vorfall als «kriminelle und gravierende Tat», den er in aller Form verurteile. «Das ist eine ganz neue Ebene», sagte der Sicherheitsdirektor. Zur Täterschaft liegen noch keine Hinweise vor. Dittli geht davon aus, dass der Sprengsatz bereits vor mehreren Tagen vergraben worden war. Das Rütli war seit dem 31. Juli von der Polizei bewacht. Für die Ermittlungen wurde der wissenschaftliche Forschungsdienst der Stadtpolizei Zürich beigezogen.