Armee macht Rechtsextremen zum Leutnant

SonntagsZeitung: Der Pnos-Chef der Sektion Ostschweiz kommandiert bald Dutzende Soldaten. Im Kampf gegen Extremismus sind den Verantwortlichen die Hände gebunden

Zürich Es ist eine klare Ansage, die das Verteidigungsdepartement auf seiner Website macht: «Bezüglich Extremismus gilt in der Schweizer Armee die Nulltoleranzstrategie. Das bedeutet, dass im Kader der Armee keine extremistische Geisteshaltung geduldet wird.»

Markige Worte, die nicht immer der Realität entsprechen. Am 9. Juni feierte das Militär im Zürcher Grossmünster seine neuen Führungspersönlichkeiten. Mit dabei: Robin Keller, 20. Nach über einem Jahr Kaderausbildung beförderte ihn die Armee zum Leutnant. Als Zugführer wird er in Zukunft mehrere Dutzend Soldaten kommandieren.

Keller hat Führungserfahrung, auch ausserhalb der Armee. Er ist Chef bei der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), wo er die Sektion Ostschweiz präsidiert. Wenige Monate vor der militärischen Beförderung trat Keller öffentlich in den Medien auf. Er koordinierte fremdenfeindliche Flugblattaktionen gegen eine geplante Moschee in Frauenfeld und sagte gegenüber Journalisten: «Flüchtlinge nehmen uns aus wie eine Weihnachtsgans.»

Nur gewalttätiger Extremismus ist in der Schweiz strafbar

Ein paar Mausklicks im Internet reichen, um die rechtsextremen Aktivitäten des Ostschweizers zutage zu fördern. Trotzdem absolvierte Keller nach der Rekrutenschule bei der Infanterie die Offiziersschule für angehende Sprachspezialisten, stieg erst zum Oberwachtmeister auf, dann zum Leutnant. Als Anerkennung erhielt er an der Feier im Grossmünster einen Dolch mit seinem Namen eingraviert.

Haben die internen Sicherheitsüberprüfungen des Militärs versagt? «Nein», meint Armeesprecher Walter Frik. «Uns sind in solchen Fällen oft die Hände gebunden.» Gegen Extremisten in der Armee könnten in der Regel nur dann Massnahmen ergriffen werden, wenn diese straffällig würden. Das gelte auch dann, wenn Angehörige der Armee als extremistische Aktivisten öffentlich bekannt seien.

In der Schweiz ist nur der gewalttätige Extremismus strafbar. Deshalb kann aufgrund von radikalem Gedankengut niemand aus der Armee ausgeschlossen werden. In Einzelfällen ist allerdings ein Aufgebotsstopp oder eine Nichtbeförderung möglich.

Bundesverwaltungsgericht pfiff Armee zurück

Doch auch dafür braucht es triftige Gründe. Vor wenigen Jahren stufte die Armee einen jungen Tessiner mit rechtsextremem Tattoo und Neonazigedankengut als Sicherheitsrisiko ein und erklärte ihn für untauglich. Der Mann wehrte sich gegen den Entscheid und bekam recht. Das Bundesverwaltungsgericht pfiff die Armee zurück, der Tessiner besuchte die Rekrutenschule.

Im Kampf gegen Extremisten im Militär hat das Verteidigungsdepartement 2002 eine Fachstelle eingerichtet. Ihre Ressourcen sind jedoch bis heute eng begrenzt. Die Stelle besteht aus nur einer Person mit einem 50-Prozent-Pensum.

Laut dem aktuellen Tätigkeitsbericht hat die Fachstelle im vergangenen Jahr 34 Personendossiers geprüft. 16 davon betrafen Rechtsextreme, zehn Islamisten und zwei Linksextreme.

Keller selbst reagierte nicht auf Anfragen. Auf Facebook prahlt er mit seiner Beförderung und publiziert Fotos, die ihn in Uniform im Dienst zeigen.

Das ist heikel. Denn die Dienstvorschriften verbieten zwar nicht die Mitgliedschaft in Neonazigruppen. Wer aber ohne Erlaubnis seines Vorgesetzten Fotos aus dem Dienstalltag publiziert, wird sanktioniert.