Wie das «Wehrmachtsheftli» nach Obwalden kam

Tages-Anzeiger: Die kriegsverherrlichende deutsche Zeitschrift «Weltkrieg-Erlebnisberichte» wird angeblich an der Adresse eines Obwaldner Treuhänders verlegt. Er sieht sich als Opfer eines deutschen Rechtsextremen-Anwalts.

Seit das Obwaldnervolk 2005 beschloss, landesweit die tiefsten Unternehmenssteuern einzuführen, hat der Innerschweizer Kanton einen wundersamen Wandel von der Steuerhölle zur Steueroase durchgemacht. Damit ist Obwalden auch zu einer international bekannten Adresse für teilweise dubiose Briefkastenfirmen geworden.

Das lukrative Geschäft mit den Firmenansiedlungen liegt in den Händen einiger weniger Treuhänder und Anwälte. Die «Briefkastenonkel» sind im überschaubaren Obwalden bekannt wie bunte Hunde. Einer davon ist Karl Gasser, eidg. dipl. Buchhalter aus Sarnen. Gemäss Handelsregister sitzt respektive sass der frühere Präsident der Raiffeisenbank Alpnach-Kerns-Sarnen und Ex-Präsident der Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission der Gemeinde Sarnen in 50 verschiedenen Verwaltungsräten. Bei einigen handelt es sich um Domizilgesellschaften, die zwar ihren Rechtssitz in der Schweiz haben, aber weder über einen Produktions- und Handelsbetrieb mit Personal noch über eigene Büroräumlichkeiten verfügen.

«Verklärung der Wehrmacht»

Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Firmenkonstrukte nicht zuletzt dazu dienen, die wirtschaftlich Berechtigten und den konkreten Unternehmenszweck zu kaschieren. Ganz selten fallen die Hüllen. So vergangene Woche, als sich Karl Gasser unverhofft in einem Beitrag des Medienmagazins «Zapp» im NDR-Fernsehen wiederfand. Und zwar in einem ziemlich unappetitlichen Zusammenhang: Im Impressum der deutschen Zeitschrift «Weltkrieg-Erlebnisberichte» wird Gassers Privatadresse als Verlagsanschrift angegeben.

Beim Heft handelt es sich um das Nachfolgeprodukt der berühmt-berüchtigten, kriegsverherrlichenden Heftromanreihe «Der Landser». Diese wurde auf dem Höhepunkt der deutschen Kriegsromanhefte 1957 gegründet und bis letztes Jahr herausgegeben. Autoren waren meist ehemalige NSDAP-Mitglieder und später Rechtsextreme. Der «Spiegel» bezeichnete das Heft 1998 als «Fachorgan für die Verklärung der Wehrmacht», und das jüdische Simon Wiesenthal Center warf letztes Jahr dem «Landser» vor, den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Daraufhin stellte der Hamburger Bauer-Verlag auf internationalen Druck das Heft ein.

Doch schon zwei Monate später machten die «Weltkrieg-Erlebnisberichte» da weiter, wo der «Landser» aufgehört hatte: «Wirklich neu waren weder das Aussehen der Billighefte noch der kriegsverherrlichende Ton – sondern nur die Verlagsadresse in der Schweiz», berichtete «Zapp». Der Rostocker Rechtsanwalt Volker Beecken beauftragte letztes Jahr Karl Gasser, die Mediavari AG treuhänderisch zu gründen. Beecken vertrat laut dem Norddeutschen Rundfunk früher die rechtsextreme «Gemeinschaft Deutscher Osten» und publizierte selbst in revisionistischen Titeln wie dem «Ostpreussenblatt». Er äusserte sich nicht dazu, in wessen Auftrag er die Firma gründen wollte.

Alles sorgfältig geprüft

Im «Zapp»-Beitrag zeigte sich Karl Gasser empört über den Missbrauch seiner Privatadresse. Er habe nur am Rande mit dem Mediavari-Verlag zu tun und sei Opfer geworden: «Wenn ich nur im Ansatz gewusst hätte, dass mit diesem Ding so was rauskommt, hätte ich überhaupt nichts gemacht.» Allerdings gibt er zu, Beecken schon einmal vor ein paar Jahren getroffen zu haben.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob Gasser nicht allzu leichtfertig das Mandat annahm und damit bewusst oder unbewusst ein Reputationsrisiko einging. Bei den grossen renommierten Treuhandbüros wird mittlerweile die Sorgfaltspflicht im Rahmen eines Annahmeprozesses sehr ernst genommen – und im Zweifel lieber auf einen Auftrag verzichtet. Gasser widerspricht gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Wie bei jeder Gründung muss mir der Kunde ein detailliertes, zweiseitiges Datenblatt mit allen Informationen der zu gründenden Gesellschaft sowie seine persönlichen Angaben bekannt geben, inklusive einer Kopie seines Reisepasses, um ihn identifizieren zu können.» Das entspreche den Standesregeln der Treuhänder. «Ohne diese Informationen nehme ich keinen Auftrag entgegen», sagt Karl Gasser

Doch zur Gründung kam es gar nicht erst, weil Volker Beecken bis heute die 100 000 Franken Aktienkapital nicht einbezahlt hat. Und die 8000 Euro Gründungskosten hat Gasser auch nie erhalten: «Seit einem Monat versuche ich Volker Beecken vergeblich telefonisch zu erreichen.»

Doch warum wählte der unbekannte Verlag, der seine pseudodokumentarischen Abenteuergeschichten in Bremen drucken lässt und auch in der Schweiz an Kiosken vertreibt, ausgerechnet Obwalden? «Wahrscheinlich, um möglichst weit weg von Deutschland zu sein», vermutet Gasser. Ausserdem sei Obwalden nicht nur für die tiefen Steuern, sondern auch für seine speditiv arbeitenden Behörden bekannt.