Neonazi-Taten: Jetzt wird wegen Mordes ermittelt

Der Bund vom 22.02.2012

Das Verfahren wegen Morden deutscher Rechtsextremer wird ausgeweitet – in der Schweiz.

Thomas Knellwolf

Hat der selbst ernannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) mehr Unterstützung aus der Schweiz erhalten als bislang bekannt? Gibt es gar Hilfeleistungen eines Berner Oberländers bei den Taten? Der «Bund» hatte vorletzte Woche publik gemacht, dass die bei den meisten NSU-Morden eingesetzte Pistole des Typs Ceska ihren Weg zu den ostdeutschen Rechtsterroristen über zwei Privatpersonen aus dem Berner Oberland genommen hatte. Und dass eine Pumpgun des Modells Mossberg Maverick aus dem Arsenal der Rechtsextremen in einem Zürcher Waffenladen erstmals verkauft worden war.

Wie genau die Waffen in die Hände der mehrfachen Mörder gelangt sind, ist Gegenstand intensiver Ermittlungen in der Bundesrepublik und der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft Berner Oberland hat in diesem Zusammenhang Ende Januar und Anfang Februar zwei Schweizer, die in der Region leben, verhaften lassen. Der eine kam innerhalb von weniger als 48 Stunden wieder frei. Er soll nach anfänglichem Leugnen zugegeben haben, dass er Ende der 90er-Jahre vom Waffenhändler Schäfli & Zbinden Handels AG in Niederwangen eine oder zwei Waffen zugeschickt bekam. Das Paket will er aber ungeöffnet an einen Stammtischbruder weitergereicht haben. Dieser war in der Folge nach einem mehrwöchigen Auslandaufenthalt am Flughafen Zürich festgenommen worden und sitzt immer noch in Untersuchungshaft, mittlerweile auch schon seit zwei Wochen. Für beide Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Berner Oberland ein Verfahren wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation eröffnet. Inzwischen ist es ausgeweitet worden. «Nach wie vor steht der ursprüngliche Verdacht im Vordergrund», sagt Michael Fichter von der Kantonspolizei Bern. Er bestätigt aber auch entsprechende «Bund»-Informationen über die Ausweitung: «Es wird auch wegen Gehilfenschaft zu Mord ermittelt.»

Die Waffe im Auto

Der nach wie vor Inhaftierte bestreitet kategorisch alle Vorwürfe im Zusammenhang mit einer möglichen Weitergabe der Ceska. Die Ermittler scheinen ihm seine Unschuldsbeteuerung bislang nicht abzunehmen. Der Beschuldigte hatte früher bereits einmal illegal eine andere Waffe mit sich im Auto mitgeführt, als er angehalten wurde – in Deutschland, von wo seine Gattin stammt. Damals sass der Berner Oberländer bereits einige Zeit in Untersuchungshaft. Bei ihm ist gemäss Kantonspolizei Bern kein rechtsextremer Hintergrund bekannt. Ebenso wenig beim anderen Beschuldigten.

Kann den beiden eine Unterstützung einer kriminellen Organisation nachgewiesen werden, droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Bei Mord beträgt die Mindeststrafe zehn Jahre, die Höchststrafe lebenslänglich. Gehilfenschaft wird milder geahndet.