Griffige Mittel gegen Demonstranten

Der Bund vom 03.04.2009

Bundesgericht heisst das verschärfte Thuner Demoreglement gut – damit machen sich Teilnehmer unbewilligter Demonstrationen strafbar

Thun darf sein verschärftes Demoreglement in Kraft setzen, beschliesst das Bundesgericht. Dieser Entscheid dürfte es auch anderen Städten erleichtern, ihre Gesetze gegen unerwünschte Demonstranten weiter auszubauen.

Anita Bachmann

Die Stadt Thun kann das teilrevidierte Ortspolizeireglement nach zweieinhalb Jahren in der Schwebe nun in Kraft setzen. Ein gestern veröffentlichter Bundesgerichtsentscheid weist alle dreizehn Beschwerden gegen die verschärfte Demoregelung ab.

Nachdem es in Thun zu einem «Antifaschistischen Abendspaziergang» mit einem Sachschaden von 200000 Franken gekommen war, versuchte die Stadt Thun mit der Polizei weitere Kundgebungen zu verhindern. «Sowohl Linksautonome wie Rechtsextreme wollten in Thun demonstrieren, weil es in der Stadt Bern zunehmend schwieriger wurde», sagt Erwin Rohrbach, Leiter Abteilung Sicherheit der Stadt Thun. Um weitere Auswüchse zu verhindern, sei ein griffigeres Instrumentarium nötig geworden.

Der Thuner Gemeinderat verabschiedete deshalb im November 2006 zusätzliche Demoregeln. Gegen diese reichten der Gewerkschaftsbund Thun (GBT) und die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (DJB) Beschwerde beim Regierungsstatthalter ein. Die beiden Organisationen führten den juristischen Streit gegen das «repressivste Kundgebungsreglement der Schweiz» bis vor Bundesgericht.

Thun ist zufrieden

«Die Stadt Thun kennt bereits seit 1991 eine Bewilligungspflicht für Demos», sagt Rohrbach. Neu hingegen war, dass sich Teilnehmer, und nicht mehr nur Organisatoren, von unbewilligten Kundgebungen strafbar machen. «Die Organisatoren sind oft nicht fassbar», erklärt Rohrbach. Sie würden anonym im Internet operieren und schickten nur Vermittlungspersonen zu Behörden. Kritik übten die Beschwerdeführer besonders auch am Punkt, dass das blosse Erscheinen am Besammlungsort bereits als Teilnahme gilt. Das Bundesgericht präzisiert aber in seinem Urteil: Die Teilnahme sei nicht strafbar, wenn die Kundgebung friedlich verlaufe oder sich Teilnehmer freiwillig oder auf polizeiliche Aufforderung hin entfernen würden. Auch zufällig anwesende Personen – die laut Beschwerdeführer miteingeschlossen würden – haben demnach auch bei Demos mit Ausschreitungen noch die Möglichkeit, sich zu entfernen. Das Bundesgericht kam zudem zum Schluss, dass die Stadt Thun der Möglichkeit von Spontankundgebungen genügend Rechnung trage und somit nicht gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstosse.

Die Stadt Thun ist mit dem Urteil zufrieden, hiess es auf Anfrage. Der Gemeinderat werde das Gesetz voraussichtlich auf Anfang Mai in Kraft setzen, sagt Erwin Rohrbach. GBT und DJB teilten in einem gemeinsamen Communiqué mit, das Bundesgericht habe zu wenig berücksichtigt, dass die Berner Kantonsverfassung weitergehende Garantien gebe. Der Regierungsrat habe bereits festgehalten, dass das Thuner Ortspolizeireglement im Einklang mit der Kantonsverfassung stehe, heisst es im Bundesgerichtsurteil. Und diese wiederum verstosse nicht gegen die übergeordnete Bundesverfassung.

Bern arbeitet an Verschärfungen

Der Bundesgerichtsentscheid hat richtungsweisenden Charakter, weil zum Beispiel auch die Stadt Bern seit den Anti-SVP-Krawallen vom 6. Oktober 2007 an der Verschärfung ihres Demoreglements arbeitet. Die Entfernungspflicht hat Berns Stadtparlament zwar im vergangenen Frühling abgelehnt, aber dafür sollen in der Bundesstadt «in der Regel nur noch Platzkundgebungen bewilligt werden». Dagegen ist noch eine Beschwerde hängig. Im Kanton Bern hat weiter die Stadt Biel ein Demoreglement, und Burgdorf will die Einführung eines solchen Gesetzes prüfen. Dies gab Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch kürzlich bekannt, als die Emmestadt mit einer Pnos-Demo konfrontiert wurde – die dann aber kurzfristig doch in Bern stattfand.

Neben den städtischen Demo-Reglementen könnte es bald auch kantonale Vorschriften geben: Anfang 2008 beauftragte der Grosse Rat die Regierung mit der Überprüfung von strengeren Regelungen für Demonstrationen. Im Einzelnen ging es beim parlamentarischen Vorstoss um die generelle Bewilligungspflicht sowie um Sanktionen für Organisatoren und Teilnehmer unbewilligter Demonstrationen.