«Keine akute Bedrohung»

Der Bund

 

 

Rechtsextremismus in der Schweiz wird abgelehnt – fremdenfeindliche Haltungen 

dennoch verbreitet 

Rechtsextremismus in der Schweiz hat ein Potenzial von 4 Prozent der 

Bevölkerung. Er tritt primär bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. 

Prävention ist schwierig. Zu diesen Schlüssen kommt ein Nationales 

Forschungsprogramm. 

 

Die Schweiz sei nicht weniger rechtsextrem als vergleichbare Länder, sagte der Strafrechtler 

Marcel Niggli gestern bei der Präsentation des Schlussberichts zum Nationalen 

Forschungsprogramm NFP 40+ «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen». 

Eine sachliche Auseinandersetzung sei schwierig: Rechtsextremismus werde entweder ignoriert 

oder aufgebauscht, sagte Niggli. 

Eine der 13 Studien des Programms hat versucht, das rechtsextremistische Potenzial in der 

Schweiz zu ermitteln. Dabei wurden verschiedene Haltungen einbezogen und auch die 

Gewaltbereitschaft berücksichtigt. Das rechtsextreme Potenzial – also nicht der offene 

Rechtsextremismus – wurde so auf rund vier Prozent veranschlagt, das linksextreme auf zwei 

Prozent. 

Jeder Zweite hat Fremdenangst 

Laut Niggli ist das aktuelle Ausmass des Rechtsextremismus nicht akut bedrohlich für den 

demokratischen Rechtsstaat. Rechtsextreme Jugendgewalt und rechtsradikale politische 

Strömungen dienten zur individuellen Abgrenzung in einer Übergangsphase im Prozess der 

Sozialisation. Fremdenfeindliche Haltungen sind aber verbreitet. Laut der Befragung haben über 

50 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fremdenangst. Islamophobie zeigte sich bei 30 Prozent, 

antisemitische Einstellungen bei rund 20 Prozent und sexistische Haltungen bei rund 40 

Prozent. Laut den Autoren entspricht dies mehr oder weniger den Ergebnissen in Deutschland.

Nicht Randständige 

Offener Rechtsextremismus tritt primär bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Eine der 

Studien hat den Einfluss der Familie auf die Entwicklung rassistischer und rechtsextremer 

Einstellungen und Handlungen analysiert. Der Autor stellte in den Lebenswelten der 

Untersuchten «ein grosses Mass an ,Normalität‘» fest. Gesellschaftliche Randständigkeit spiele 

entgegen der theoretischen Erwartung keine bedeutende Rolle. 

Er beschrieb verschiedene Beweggründe der Jugendlichen, rechtsextrem zu werden. Bei den 

einen handle es sich um eine Überanpassung mit einer Radikalisierung der Werte ihres 

Herkunftsmilieus, was ihnen Anerkennung und Zustimmung einbringe. Bei anderen stünden 

mehr Ohnmachtserfahrungen oder mangelnde Aufmerksamkeit als Auslöser im Vordergrund. 

Rechtspopulisten 

Untersucht wurde auch der Rechtspopulismus, der ebenfalls zum Umfeld des 

Rechtsextremismus gehört. Laut den Forschern spielt die Schweiz hier seit den 1960er-Jahren 

im internationalen Vergleich eine Pionierrolle, wobei bis Anfang der 1990er-Jahre 

Splitterparteien das Feld besetzten. Nach 1991 verdrängte dann die wachsende SVP diese 

Parteien nach und nach. Sie führte die Problematisierung des Fremden als Dauerthema ins 

politische Zentrum, wie es hiess. Laut den Forschern wachsen die Aufmerksamkeitschancen für 

den Rechtsextremismus, je grösser die Bedeutung des Rechtspopulismus ist. Die Aktionen 

rechtsextremistischer Jugendlicher fänden aber unabhängig von rechtspopulistischer Politik 

statt, sagte Niggli. Politisch organisierte, aktiv rechtsextreme Jugendliche seien rar. 

In den Stadien weniger präsent 

Eine Studie untersucht die Rekrutierung militanter Fussballfans. Seit 1990 sei die Präsenz von 

Jugendlichen mit rassistischen und rechtsextremen Haltungen zurückgegangen. Heute 

dominierten die «Ultras» von an sich sozial integrierten jugendlichen Klubfans die Szene und 

nicht mehr die gewaltbereiten Hooligans. 

Das NFP 40+ wurde 2003 gestartet und mit vier Millionen Franken unterstützt. Es sollte neue 

Einsichten über Entstehung, Erscheinungsformen, Verbreitung und Konsequenzen von 

rechtsextremen Aktivitäten und Einstellungen in der Schweiz bringen. Nun sollen die Ergebnisse 

als Grundlage für Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus auf kommunaler, kantonaler 

sowie auf Bundesebene dienen. Prävention sei schwierig, halten die Forschenden fest. Ein 

Anliegen ist ihnen, ein regelmässiges Monitoring zum Rechtsextremismus einzurichten, wie das 

der Bundesrat beschlossen hat. Die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung gegenüber 

Rechtsextremismus würde durch eine regelmässige Erhebung von Fremdenfeindlichkeit, 

Rassismus und Rechtsextremismus gefördert, hiess es. (ap/sda)