Neonazis pflegen beste Beziehungen über die Grenze hinweg

Nach dem Attentat auf den Polizeichef von Passau wird nach dem Täter im bayrisch-oberösterreichischen Grenzgebiet gefahndet

Passau (D) / Wien Hoffnungsvoll meinte der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lissl am Freitag, jener Neonazi, der dem Passauer Polizeichef Alois Mannichl an der Schwelle seines Hauses ein Messer in den Bauch gerammt hatte, sei «sicher kein Österreicher». Er mag Recht behalten, doch die Hoffnung ist trügerisch. Das weiss auch der österreichische Verfassungsschutz. In seinem jüngsten Bericht stellter fest, dass sich «die Verbindun-gen zur rechtsextremen Szene Deutschlands zuletzt wieder besonders intensiv gestalteten», besonders im bayrisch-oberösterreichischen Grenzgebiet.

Der Racheakt der Neonazis bezieht sich wohl auf einen Vorfall, der ein halbes Jahr zurückliegt: Mannichl hatte nach dem Begräbnis eines Altnazis, zu dem deutsche und österreichische Rechtsextremisten angereist waren, eine auf dem Sarg deponierte Hakenkreuzfahne beschlagnahmt. Weiter liess er den NPD-Funktionär Thomas Wulff, der die Flagge ins Grab gelegt hatte, festnehmen.

Behörden greifen in Deutschland härter durch

Wulffs Kameraden, aber auch die österreichischen Trauergäste, sofern den Behörden bekannt, wurden in den vergangenen Tagen verhört. Die Szene agiert längst grenzüberschreitend. Bei Schulungen, Camps und Versammlungen treffen Skinheads, NPD-Funktionäre und autonome Neonazi-Gruppen aus Deutschland, Österreich und den neuen EU-Mitgliedsländern aufeinander. Der jährlich stattfindende «Tag der volkstreuen Jugend» wird mal diesseits, mal jenseits der Grenze abgehalten. Deutsche Rechtsradikale weichen gern auf österreichischen Boden aus, weil in Deutschland das Verbot von Nazi-Symbolen strenger ist und Behörden dort härter durchgreifen.

Vor zwei Jahren kam es zu einem für die oberösterreichische Polizei peinlichen Zwischenfall: Bei einem Rockkonzert, das kurzfristig über die Grenze verlegt wurde, skandierten deutsche Rechtsradikale, die Hand zum Hitlergruss erhoben, antisemitische Parolen. Unbehelligt von anwesenden Ordnungshütern.

Als Drehscheibe auf österreichischer Seite agiert der sogenannte Bund Freier Jugend, der sich als harmlose, heimatverbundene Jugendgruppe präsentiert. Laut Verfassungsschutzbericht stellt er jedoch den «aktivsten Träger rechtsextremen Gedankenguts» dar. Rädelsführer dieser Gruppe wurden im vergangenen Jahr wegen neonazistischer Wiederbetätigung vor Gericht gestellt. Der Prozess fand in einer Atmosphäre der Einschüchterung durch deutsche und österreichische Neonazis statt. Ein Beamter des Verfassungsschutzes wurde während seiner Aussage im Gerichtssaal von rechtsextremen Claqueuren lautstark verhöhnt. Ein Untersuchungsrichter fand Protestplakate an seinem Gartenzaun. Nach dem Freispruch bekamen Landespolitiker, die für ihr Engagement gegen Rassismus bekannt sind, Morddrohungen.

Neuerdings finden rechtsradikale Gruppen, die sich in ihrem Outfit zunehmend der «Autonomen Linken» angleichen, in ihrer Gegnerschaft zu Europa, in Kampagnen gegen die Globalisierung und in rassistisch motivierter Ausländerhetze zueinander. Ideologisch geschulte Jungkader rekrutieren ihre Gefolgsleute auch gern bei Fussball-Fanklubs und Rockkonzerten. «Weltanschaulich gefestigte Rechtsextremisten stellen eine erhebliche Gefahr für ideologisch nicht gefestigte Jugendliche dar», warnt der Verfassungsschutz. Ein namentlich nicht genannt werden wollender Staatsschützer wünscht sich «mehr Zivilcourage und null Toleranz». Christa Zöchling