Neonazi macht Karriere – bei unserer Armee

Der Bund

VON MARIANNE KÄGI UND SANDRO BROTZ

KLOTEN ZH / BERN – Er fiel in der Rekrutenschule durch rassistische Sprüche aufund ist bei der Bundespolizei einschlägig bekannt. Trotzdem macht NeonaziRoland W. (20) Karriere bei der Schweizer Armee.

«Lasst uns diese Ausländer überfahren», brüllte Rekrut Roland W. seinenKameraden zu und meinte es bitter ernst. Mit Schrecken erinnert sich Fabian* – einRS-Kollege von Roland – an diese Szene. Zugetragen hat sie sich während derSommer-RS der Übermittlungstruppen in Kloten.

Fabian zu SonntagsBlick: «Roland fiel ständig durch fremdenfeindliche Äusserungenauf. Er beleidigte Kameraden mit ausländischer Herkunft.» In Erinnerung gebliebenist Fabian auch dieser Spruch von Waffennarr und Hobbyschütze Roland: «ImErnstfall würde ich mit dem Sturmgewehr zuerst mal in der eigenen Truppeaufräumen.» Doch die Vorgesetzten haben sich daran nicht gestört – im Gegenteil:Roland darf problemlos die Unteroffizier-Schule machen. «Er hat immer guteLeistungen gebracht», sagt Schulkommandant Hans Bühler.

Bei der Bundespolizei ist Roland W. einschlägig bekannt: «Er ist eine bekannteGrösse in der Schweizer Neonanzi-Szene», sagt Bupo-Vize Jürg Bühler. Schon imvergangenen September enthüllte SonntagsBlick, dass der junge Mann aus RorbasZH ein guter Freund von Pascal Lobsiger (26) ist. Lobsiger gilt als gefährlichsterNeonazi der Schweiz und sass wegen des brutalen Überfalls auf das Festival derVölkerfreundschaft in Hochdorf LU ein Jahr im Knast. Zuletzt trat er als Pöbler aufdem Rütli in Erscheinung und ist Gründer der rechtsextremen NationalenAufbau-Organisation NAO. «Wir wissen, dass Roland W. ein enger Vertrauter vonLobsiger ist», bestätigt Bupo-Vize Bühler. RS-Kollege Fabian: «Roland hat jeden Tagmit Lobsiger telefoniert.»

Ein Neonazi als Unteroffizier: Was nun, Herr Schulkommandant? «Strafrechtlich liegtgegen Herrn W. nichts vor», erklärt der Oberst. Doch bei der BezirksanwaltschaftBülach ist der Name W. schon aufgetaucht – im Zusammenhang mit einerSchlägerei zwischen Skinheads und Ausländern im März 1999 auf der altenTössbrücke.

Letztes Jahr kam eine Studie im Auftrag von VBS-Chef Adolf Ogi noch zum Schluss:«Die Schweizer Armee ist kein Hort für Neonazis. Rechtsextremismus ist beim Militärkein akutes Problem.»

Jetzt ist die VBS-Spitze hellhörig geworden. Am Montag wird die Akte Roland W.überprüft.

* Namen der Redaktion bekannt
«Neonazis sind Verlierer»

ZÜRICH – Neun Jahre lang war der Schwede Kent Lindahl (36) ein Neonazi. Heutehilft er Skinheads beim Ausstieg aus der Szene. Diese Woche war er in der Schweizunterwegs.

Herr Lindahl, sind Sie ein Missionar?
Kent Lindahl: Ja. Ich habe während neun Jahren junge Leute zu den Skinheadsgebracht. Dies ist nie mehr wieder gutzumachen. Deshalb will ich so vielenJugendlichen wie möglich beim Ausstieg helfen.

Was für einen Eindruck haben Sie von der Schweizer Neonazi-Szene?
Ich habe den Eindruck, dass die Skins in der Schweiz nicht als Problem betrachtetwerden. Skinheads werden hier akzeptiert. Nachdem in Schweden Neonazis zweiPolizisten getötet hatten, begriffen alle, dass die Skinheads ein Problem für dieGesellschaft sind.

Warum waren auch Sie ein Skinhead?
Ich fühlte mich toll: Plötzlich war ich jemand, stand im Mittelpunkt. Alles war klar,schwarz oder weiss. Heute ist mir bewusst: Ich habe viele Jahre meines Lebensvergeudet!

Was bereuen Sie am meisten?
Als ich im Gefängnis sass, lag meine Mutter im Sterben. Ich erhielt die Erlaubnis, siezu besuchen. Doch meine Mutter wollte mich nicht sehen. So sehr schämte sie sich,einen Sohn zu haben, der Neonazi ist.

Was raten Sie betroffenen Eltern?
Auf keinen Fall über Politik diskutieren! Wir sind darauf gedrillt worden, unsereEinstellung zu verteidigen. Eltern müssen den Menschen hinter den Ideologiensehen. Sie dürfen nie die Beziehung zu ihrem Kind abbrechen.

Wann ist Ihre Arbeit zu Ende?
Erst wenn alle Neonazis gemerkt haben, dass sie keine Gewinner sind, sondernVerlierer.

Interview: Marianne Kägi und Sandro Brotz